Trumponomics

Georg Fülberth zur Senkung von Steuern und der Erhöhung von Rüstungsausgaben

Georg Fülberth

Georg Fülberth

Eine unverbürgte Anekdote besagt, der Ökonom John Maynard Keynes habe Hitler bald nach dessen Machtübernahme getroffen und ihm erklärt: Zwar sei er in Deutschland ja nun fast allmächtig, eines aber werde er (angesichts der tiefen wirtschaftlichen Depression) nicht zustande bringen: eine Inflation.

Sei dem, wie es wolle. Nachlesbar immerhin ist, was Keynes 1936 im Vorwort zur deutschen Ausgabe seines Werks „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ schrieb: seine Auffassungen könnten „viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbes und eines großen Maßes von ‚laissez faire‘ erstellten Produktion.“

Lange bevor Hitler dies hätte lesen können, hatte er schon gehandelt. Deutschland kam als erstes Land aus der Weltwirtschaftskrise heraus: durch die Aufrüstung. In Infrastruktur wurde ebenfalls investiert: die berühmten Autobahnen. Die Erwerbslosigkeit ging zurück, das Regime gewann wachsenden Rückhalt in der Bevölkerung, auch in der Arbeiterklasse, die, wenn nicht immer begeistert, so doch neutralisiert wurde. Finanziert wurde dies alles durch eine enorme Verschuldung. Über die Tilgung machte man sich keine Gedanken, die wollte man durch die Ausplünderung zu überfallender Länder hinkriegen.

Im historischen Teil seines Bestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ arbeitete 2013 der französische Ökonom Thomas Piketty heraus, dass zwischen 1914 und 1970 in Europa und Nordamerika die Gleichheit zunahm. Anders sei es allerdings in Deutschland in der ersten Zeit des Nazi-Regimes gewesen. Die Reichen blieben da steuerlich geschont, u. a. auch deshalb die hohen Schulden.

Donald Trump verspricht ebenfalls große öffentliche Investitionen. Die Mauer zwischen den USA und Mexiko will er vielleicht doch nicht im während des Wahlkampfs angekündigten Umfang bauen, und was aus den Investitionen in die Infrastruktur wird, muss man sehen. Aber allein schon die Aussicht auf einen solchen Anschub hat offenbar die Laune des Kapitals gehoben und einen Absturz des Wirtschaftsklimas verhindert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Staat kräftig investiert und Trumps Massenbasis verbreitert wird.

Die Steuern will er nicht erhöhen. Also wird die Staatsverschuldung zunehmen. Es bleibt beim marktradikalen Regime. Irgendein dickes Ende wird nachkommen, aber solange die Machtverhältnisse stabil sind – soll heißen, die Linke schwach oder nicht vorhanden ist –, besteht keine Gefahr für die Macht des Kapitals und dessen politisches Personal. Insofern ist Trumps Ökonomie eine Wiederaufnahme der sogenannten Reagonomics: Ronald Reagan hatte die Steuern gesenkt und die Rüstungsausgaben erhöht. Er wurde 1986 wiedergewählt. Nicht nur auf Marine Le Pen, sondern auch auf Frauke Petry hat Trumps Erfolg beflügelnd gewirkt. Die AfD denkt ebenfalls nicht an Steuererhöhung, noch nicht einmal an große Infrastrukturprojekte. Immer wieder ist darauf hingewiesen worden, dass ihr Programm marktradikal ist.

In allen hier zu betrachtenden Fällen wird die Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt. Wurde bei Hitler investiert und geschieht dies vielleicht auch bei Trump, handelt es sich allemal um Projekte im Interesse des Kapitals, das dabei Profite macht und nur solche Infrastruktur schätzt, die seinen eigenen Zwecken dient (Kitas und Einrichtungen der Altenpflege werden es kaum sein). Zeitweilige Akzeptanz bei den Lohnabhängigen kann sich vielleicht dann einstellen, wenn durch solche Investitionen Arbeitsplätze entstehen.

Im Bundestag wurde der Regierung jüngst vorgehalten: „Selbst Donald Trump hat wirtschaftspolitisch noch mehr drauf als Sie.“ Da wäre ich lieber ein bisschen vorsichtig. Es fragt sich doch: Was ist es, das er mehr drauf hat?

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"Trumponomics", UZ vom 2. Dezember 2016



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