Warum Schäuble und Draghi die Nutzung von Bargeld einschränken

Das Ende des 500-Euro-Scheins

Von Lucas Zeise

Der baldige Tod der 500-Euro-Note ist anzuzeigen. Die wenigsten Leser werden das schmucke Stück Papier vom Augenschein kennen. Und noch weniger werden es zum Begleichen von Rechnungen regelmäßig nutzen. Es könnte uns also egal sein, dass das oberste Beschlussgremium der Europäischen Zentralbank, der EZB-Rat unter dem Vorsitz von Mario Draghi am 4. Mai beschlossen hat, Druck und Neuausgabe der größten Scheine in der Euro-Währung Ende 2018 einzustellen.

In der Presseerklärung der EZB findet sich kein Wort der Begründung. Die lieferten andere. Zum Beispiel unser geschätzter Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble. Er möchte die Nutzung von Bargeld überhaupt einschränken und plant daher für Bargeldtransaktionen eine Obergrenze von 5000 Euro. Seine Begründung lautet, dass damit Geldwäsche, Drogenhandel, Steuerhinterziehung und Bestechung besser eingedämmt werden können. Er muss es ja wissen. Als Schäuble 1994 vom Waffenhändler Schreiber 100 000 DM entgegennahm, war es in der Tat Bargeld. Hätte er auch so gehandelt, wenn es damals den 1000-DM-Schein nicht gegeben oder eine Grenze für Bargeldtransaktionen von, sagen wir mal, 10 000 DM bestanden hätte?

Diese Frage bleibt offen. Sicher ist hingegen, dass seit der Finanzkrise 2007/08 eine Kampagne zur Zurückdrängung von Bargeld geführt wird. Banker, Wirtschaftsforscher und Finanzpolitiker sprechen sich für die Zurückdrängung des Bargelds aus. Italien, Griechenland und Frankreich haben schon Bargeldobergrenzen beim Kauf gesetzlich festgelegt. All das macht misstrauisch.

Rechtlich ist Bargeld das einzige, richtige Geld. Nur die von den Notenbanken gedruckten Scheine und die von den Regierungen geprägten Münzen sind gesetzliche Zahlungsmittel. Das legen das Bundesbankgesetz und der Paragraph 128 des EU-Vertrages fest. Faktisch ist das Bargeld nur ein kleiner Teil des im Lande umlaufenden Geldes, in Deutschland nur etwa ein Zehntel der gesamten eng definierten Geldmenge. Was sind die anderen neun Zehntel? Es ist das bei den Banken in Form von Kontoguthaben verzeichnete Geld, das so genannte Buch- oder Giralgeld. Das Buchgeld ist jederzeit tauschbar in echtes Bargeld. Und nur diese Bereitschaft und Fähigkeit der Bank, das Geld auf Verlangen herauszurücken, macht es den Geldscheinen ähnlich und fast ebenbürtig. Die Sichtguthaben bei der Bank sind nicht vom Staat oder seiner Zentralbank emittiert, sondern sie sind der schriftliche Ausdruck für ein Schuldverhältnis zwischen Bank und Kunde.

Wenn die Bank allerdings zusammenkracht, hat der Kunde sein Geld verloren. Das ist, wie wir spätestens seit 2008 wissen, keine theoretische Betrachtung, selbst wenn für die harmloseren Fälle die staatlich gestützte „Einlagensicherung“ einspringt. Wenn das Publikum ahnt, dass die Bank in Gefahr ist pleite zu gehen, wird es den Tausch der Guthaben in echtes Bargeld massenhaft fordern und damit die Bank der Pleite näher bringen. Wenn das Bargeld abgeschafft oder auch nur seine Nutzung eingeschränkt wäre, es also keine Alternative zum Bankguthaben gäbe, wäre das für die Banken viel bequemer. Die Regierungen hätten es leichter die Banken zu retten, und noch leichter, wie 2013 in Zypern geschehen, die Guthaben der Kunden zu kürzen und umgekehrt die Schulden der Banken zu mindern.

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"Das Ende des 500-Euro-Scheins", UZ vom 13. Mai 2016



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