Pressemitteilung des Waldheim Stuttgart e.V. zum Vorhaben, eine Clara-Zetkin-Straße umzubenennen

Tübinger Provinzposse

Günther Klein

Wie wir der Website der Stadt Tübingen entnehmen, wird in Tübingen „derzeit kontrovers über die Benennung von Straßen diskutiert, deren Namensgeber_innen umstritten sind – weil sie biografisch im Zusammenhang mit Antisemitismus oder Kolonialismus stehen, weil sie Mittäter oder Profiteure des NS-Regimes waren oder weil sie aus anderen Gründen heutigen gesellschaftlichen, ethischen oder politischen Maßstäben nicht mehr genügen.“

Unser von Clara Zetkin mit gegründetes Waldheim in der Nähe ihres ehemaligen Wohnhauses in Stuttgart-Sillenbuch betreibt keinen unkritischen Personenkult, sondern hat mehrfach wissenschaftliche Tagungen über seine Namensgeberin mit ausgerichtet.

Umso mehr haben wir mit Erstaunen und Befremden in der Liste der von Ihnen als problematisch angesehenen Namen auch den Namen Clara Zetkin gelesen. Sie schreiben selber, dass Clara Zetkins Verdienste um die Frauenbewegung „bis heute ebenso unbestritten [sind] wie ihre Verdienste um die Sozialdemokratie und als wortstarke Mahnerin vor Krieg, Faschismus und Nationalsozialismus“.

Das sehen wir auch so. Clara Zetkin hat sich sehr für die Gleichberechtigung der Frauen eingesetzt, für das allgemeine Wahlrecht für Frauen, für einen besonderen Arbeitsschutz für freie Berufswahl, für die volle Emanzipation. Der 8. März als Internationaler Frauentag geht auf sie zurück. Sie war an vorderster Stelle bei der Organisation internationaler Kongresse, und das nicht „nur“ zu Frauenthemen. Damit hat sie sich auch international einen Namen gemacht und sich hohe Anerkennung bis heute erworben. Clara Zetkin war auch in Gewerkschaftskreisen eine gefragte Rednerin.

Mit großem Engagement hat sie sich gegen den ersten Weltkrieg eingesetzt. Für dieses Engagement musste sie sogar ins Gefängnis. 1915 organisierte Clara Zetkin in Bern eine „Internationale Konferenz sozialistischer Frauen gegen den Krieg“; auf dieser Konferenz entstand ein Antikriegs-Flugblatt.

Auch nach dem ersten Weltkrieg blieb Clara Zetkin politisch aktiv. Sie war Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung Württembergs. In der Weimarer Republik gehörte sie als Abgeordnete dem Reichstag an. Hellsichtig formulierte Clara Zetkin bereits im Juni 1923 – ein halbes Jahr nach der Errichtung der ersten faschistischen Diktatur in Italien – im Rahmen der Kommunistischen Internationale eine Charakteristik des Faschismus, die auch dessen Massenbasis einbezog und deren wesentliche Elemente von der Geschichte bestätigt wurden. Noch heute können daraus wichtige Lehren für den antifaschistischen Kampf gezogen werden.

Immer wieder warnte sie bei allen Gelegenheiten vor dem Faschismus. Ihre letzte große Rede hielt sie als Alterspräsidentin am 30. August 1932 bei der konstituierenden Sitzung des Reichstags. Auch hier warnte sie eindringlich vor der Gefahr des Faschismus.

Dass in Tübingen eine Frau wie Clara Zetkin nun als eine „umstrittene Person“ ausgewiesen werden soll und auf eine Stufe mit Nazis, Kolonialisten, Antisemiten etc. gestellt wird, ist eine Ungeheuerlichkeit. Clara Zetkin ist keine umstrittene, sondern eine international anerkannte und geachtete Persönlichkeit. Die Stadt Tübingen würde sich mit einer solchen Provinzposse international ins Abseits stellen. Wir fordern Sie auf, dieses unwürdige Spiel zu beenden.



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