Bundesregierung beschließt Rentenpaket – Altersarmut steigt weiter

Ungebremster Fall

Reiner Heyse

In einem letzten Akt vor der Sommerpause hat die Bundesregierung das „Rentenpaket 2025“ für die parlamentarische Behandlung beschlossen. Hat sie damit das Lob der Regierungsparteien, des DGB und von Sozialverbänden verdient? Wohl kaum, denn eines kann vorweggenommen werden: Mit dem Gesetzespaket wird die beschleunigt weiter wachsende Altersarmut nicht gebremst.

Die Zahl der Empfänger von Sozialhilfe im Rentenalter, Grundsicherung genannt, stieg in den letzten 22 Jahren von 260.000 auf 740.000 Personen. Empirische Erhebungen ergaben jedoch, dass über 60 Prozent der Berechtigten keinen Antrag auf Grundsicherung gestellt hatten. Die Gründe dafür sind vielfältig: Scham, Stolz, Ablehnung des kleinlich-schikanösen Kontrollsystems oder schlicht Unkenntnis. Werden diese Menschen mitgerechnet, gibt es über 1,8 Millionen Grundsicherungsberechtigte im Alter. Zu diesen 1,8 Millionen müssen noch die 520.000 Grundsicherungsempfänger aufgrund von Erwerbsminderung gezählt werden, dann kommt man zu der realen Zahl, dass mittlerweile 2,3 Millionen Menschen über 65 und mit Erwerbsminderungsrenten in Armut leben.

Die EU-Definition des Armutsbegriffs geht darüber hinaus. Sie berücksichtigt, dass der Mensch neben den Grundbedürfnissen auf Nahrung und eine Wohnung auch soziale und kulturelle Bedürfnisse hat. Danach gilt als arm, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in einem Land zur Verfügung hat. Aktuell beträgt dieser Wert für Deutschland 1.380 Euro netto. Ausgehend von dieser Definition muss man feststellen, dass die Armut in keiner anderen Bevölkerungsgruppe so stark angestiegen ist wie bei den Rentnerinnen und Rentnern. Mittlerweile leben mehr als 19 Prozent der über 65-Jährigen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle. Vor 20 Jahren waren es noch 10 Prozent.

Wie wirken nun die beiden wichtigsten Vorhaben des Rentenpakets auf diese skandalöse Entwicklung?

Die geplante Absicherung des Nettorentenniveaus (vor zunehmendem Steuerabzug) von 48 Prozent bis 2031 bewirkt in Sachen Armutsbekämpfung überhaupt nichts. Die angebliche Stabilisierung hilft den künftigen Rentenjahrgängen ohnehin nicht, weil zunehmend Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen und entsprechend niedrigen Löhnen in Rente gehen werden. Die Politik der Agenda 2010 wirkt: Immer mehr Menschen werden in die Altersarmut abstürzen. Wenn etwas „stabil“ ist, dann diese Entwicklung.

Auch die geplante Aufwertung der Kindererziehungszeiten von vor 1992 Geborenen von 2,5 auf 3 Entgeltpunkte bewirkt sehr wenig bis nichts. Die eigentlich berechnete Rentensteigerung von aktuell rund 20 Euro pro Kind wird bei Grundsicherungsempfängern nämlich einfach angerechnet.

Resümee: Das Rentenpaket 2025 verhindert zwar bis 2031 das weitere Abrutschen des Rentenniveaus „vor Steuern“. Nach Abzug der zunehmenden Steuern sinkt das Niveau der tatsächlich verfügbaren Nettorenten jedoch weiter. Die Erhöhung der Rentenpunkte von 2,5 auf 3 für Erziehungszeiten ist richtig. Sie stellt eine Gleichbewertung der Erziehungszeiten für vor und nach 1992 geborene Kinder her. In Sachen Verhinderung, Abbremsen oder auch nur Linderung von Altersarmut bewirken beide Maßnahmen jedoch nichts.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Ungebremster Fall", UZ vom 15. August 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Tasse.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit