Unser Beitrag zur Klimarettung

Lucas Zeise • Jedenfalls nicht auf den Sozialismus warten

Lucas Zeise

Lucas Zeise

Es geht den Schülerinnen und Schülern bei ihren Freitagsdemos (Fridays for Future oder F4F) um den Zustand des Planeten Erde und damit um eine Menschheitsfrage. Wie stehen wir als Kommunisten/Sozialisten dazu? Die gelegentlich von Genossen zu hörende These, nur der Sozialismus könne das ökologische Menschheitsproblem lösen, ist falsch. So lange können wir nicht warten. Viele ökologische Fragen, zum Beispiel der Klimawandel, sind zu dringend dafür. Das gilt auch für Detailfragen. Das Bienensterben ist ein aktuelles Problem hier und jetzt. Es muss hier und jetzt angegangen werden. Im Übrigen sind einige ökologische Fragen im Kapitalismus gelöst oder zumindest gelindert worden, zum Beispiel wurde das Blei aus dem Autobenzin entfernt. Zum Beispiel sind der Himmel über der Ruhr blauer und der Nebel in London lichter geworden. Und selbst das Ozonloch über der Antarktis scheint nicht mehr zu wachsen.

Auch hierin ist die ökologische Frage ähnlich den sozialen Kämpfen um bessere Lebensbedingungen und niedrigere Ausbeutungsraten. Der tägliche Klassenkampf dreht sich um den Lohn, die Rente, die Wohn- und Gesundheitssituation. Er dreht sich um Bildung und Gesundheit, sauberes Wasser, funktionierende Abwasser- und Abfallbeseitigung, feinstaub- und giftarme Atemluft, genießbare Nahrungsmittel. Im Kampf um die Umwelt finden sich auf der Seite der Klimaaktivisten Angehörige aller Klassen und Schichten. Ökologische Fragen sind zwar ein Feld des Klassenkampfes, aber in ökologischen Fragen sind Angehörige verschiedener Klassen und Schichten und auch große Teile der Bourgeoisie mehr oder weniger ernsthaft gewillt, für die Bewohnbarkeit des Planeten zu kämpfen. Kein Wunder, dass ökologisch orientierte Organisationen wie die Grünen oder vermutlich auch Fridays4Future für die Instrumentalisierung durch das Finanzkapital offen sind.

Worin besteht der Hauptmangel der Umweltschutzbewegung? Der erste Mangel besteht in falschen Ansichten über die Triebkräfte der Umweltzerstörung. Das Gerede vom Wachstumszwang ist eine solche falsche These. Kommunisten haben die Pflicht, offenzulegen, dass und wie das Monopolkapital die Lebensgrundlagen zerstört. Der zweite Mangel besteht darin, dass der Glaube weit verbreitet ist, der Planet ließe sich durch individuellen Verzicht, die Reduzierung des individuellen CO2-Ausstoßes, retten. In dieser Gesellschaft entscheidet nicht der Konsument und Käufer darüber, was produziert wird, sondern das Kapital.

Es ist drittens ein Fehler, es in der großen Klimafrage weitgehend den Regierungen und den Konzernen zu überlassen, welche Maßnahmen sie gegen den Klimawandel unternehmen wollen. Dass Kohle binnen weniger Jahre nicht mehr zur Stromerzeugung verwendet werden soll, ist richtig, wird von der Regierung und den Kapitalisten auch im Prinzip akzeptiert. Es lohnt sich auch, wie viele Umweltorganisationen das tun, sich für ein frühes Ende der Kohleverstromung einzusetzen und die Neueröffnung des Tagebaus Hambacher Forst zu verhindern. Entscheidend ist in Deutschland aber, ob die Autokonzerne gezwungen werden können, auf Produktion und Verkauf von aufwändigen, viel Energie verzehrenden Luxuskarossen zu verzichten. Das Elektroauto ist sicher keine Lösung.

Welchen Beitrag kann die DKP leisten? Sie müsste stärker als bisher die Strategie der Monopole bei der systematischen Nutzung der Umwelt hervorheben. Die drohende Energiesteuer, wie sie F4F jetzt vorschlägt und wie sie SPD-Kanzler Helmut Schmidt nach der Ölkrise 1973 einer willigen Bevölkerung aufgedrückt hatte, sollte durch die Forderung nach der Besteuerung von Luxusenergieverbrauch begegnet werden, der längst fälligen Flugbenzinsteuer und der Abschaffung des Steuerprivilegs für Dienstwagen. Der Verkehrssektor muss zurückgestutzt, aber die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden. Die Kommunisten müssen verhindern, dass ökologische Maßnahmen auf Kosten der Lohnarbeit ergriffen werden. Das ist ihr wichtigster Beitrag. Vermutlich ist die These ja auch richtig, dass der beste Beitrag zur Klimarettung die Senkung der Ausbeutungsrate durch weniger Arbeitszeit ist.

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Über den Autor

Lucas Zeise (Jahrgang 1944) ist Finanzjournalist und ehemaliger Chefredakteur der UZ. Er arbeitete unter anderem für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“. Da er nicht offen als Kommunist auftreten konnte, schrieb er für die UZ und die Marxistischen Blättern lange unter den Pseudonymen Margit Antesberger und Manfred Szameitat.

2008 veröffentlichte er mit „Ende der Party“ eine kompakte Beschreibung der fortwährenden Krise. Sein aktuelles Buch „Finanzkapital“ ist in der Reihe Basiswissen 2019 bei PapyRossa erschienen.

Zeise veröffentlicht in der UZ monatlich eine Kolumne mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik.

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"Unser Beitrag zur Klimarettung", UZ vom 26. April 2019



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