Unterprägnante Überpräsenz

Kolumne von Klaus Stein

Dieser Tage verstellen in Köln Wahlplakate den Blick. Massiert hängen sie an den stauträchtigen Straßen dieser von Staurekorden geplagten Stadt. Ihr politischer Informationsgehalt dagegen bleibt dürftig. „Köln wird schneller vorwärts kommen“ wird versprochen. „Die Kleinen sind für mich die Größten“ „Ich setze gute Ideen um“ „Wenn Köln mal frei hat, braucht’s auch Raum“ „Ott überzeugt“.

„Vom Veedel bis zur Metropole: Köln gemeinsam planen“ „Vom Handwerk bis Hightech: Perspektiven für Arbeit und Wirtschaft“ „Vom Straßenfest bis zur Opernpremiere: Unsere Kultur wertschätzen.“ „Erfahren, kompetent und unabhängig“ „Veränderungen für Köln“.

CDU, Grüne, FDP haben sich auf die parteilose Sozialdezernentin Henriette Reker geeinigt, während Jochen Ott für die SPD kandidiert. Die Linkspartei verzichtet, wähnend, damit Otts Wählerpotential zu schonen.

Keiner redet von den sozialen Gegensätzen, die die Stadt zerreißen. Innerhalb von 8 Jahren sind die Mieten um ein Drittel gestiegen. Wie sind sie zu senken und überhaupt der Wohnungsmangel zu beheben? Sozialwohnungen schwinden, Zwangsräumungen und Stromabstellungen halten an. Wer redet von den Schulden der Stadt, den drohenden Kürzungen bei Sozialem, Kultur und Sport? Wie sind Immobilien- und Grundstücksspekulation zu stoppen?

Beide Kandidaten haben die Haare schön, vermeiden aber politische Inhalte. Wenn sie in Köln was ändern könnten oder auch nur wollten, würden sie es sagen.

Der Phrasendrusch wird andauern. Die für den 13. September vorgesehene OB-Wahl ist auf den 18. Oktober verschoben. Die CDU hatte bemängelt, dass auf den Stimmzetteln die Parteikürzel zu groß und die Kandidatennamen zu klein ausgefallen seien. Henriette Reker, weil parteilos, werde dadurch benachteiligt. Die Bezirksregierung intervenierte. Die schon abgegebenen 55 000 Stimmen sind nunmehr ungültig. Wahlleiterin Angela Klein trat zurück. Sie hatte im Mai Guido Kahlen abgelöst, der die Verantwortung für eine fehlerhafte Auszählung der Kommunalwahlergebnisse im vergangenen Jahr übernehmen musste. Durch die strittige Neuauszählung verlor ausgerechnet Jochen Ott sein Stadtratsmandat.

Die Kölner Provinzposse ist allemal blamabel, vielleicht noch unterhaltsam, vor allem aber handfester Ausdruck der Geringschätzung der Wählenden und ihrer Interessen.

Kurz nach der Verschiebung der Wahl wurden Umfrageergebnisse bekannt, nach denen Reker 51 Prozent, Ott 36 Prozent und Mark Benecke von der Satirepartei „Die Partei“ 6 Prozent zu erwarten hätten. Von der Wahlbeteiligung war nicht die Rede.

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"Unterprägnante Überpräsenz", UZ vom 11. September 2015



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