Betr.: „Enteignen, entschädigen, kaufen?“, UZ vom 8. Februar

Verteilungsproblem

Von Margit Englert, per E-Mail

Der Siedlungsbau der 1920er Jahre gehört nicht zu den „fortschrittlichen Alternativen“. Die Mieten in diesen Siedlungen waren so hoch, dass sie für einfache Arbeiter, Familien, erst recht für Arbeiterinnen, Arbeitslose oder Rentnerinnen und Rentner nicht bezahlbar waren. Finanziert wurde der Siedlungsbau aus den Mitteln der Hauszinssteuer, die in den Altbauten mit der Miete erhoben wurde und von den Vermietern an den Staat weitergereicht wurde.

Die Armen sollten also die Verbesserung ihrer Lage selbst bezahlen. Dass das nicht gehen konnte, war abzusehen. Und so waren die Folgen: hohe Mieten und Wohnungsnot in den Altbaugebieten plus teure, unbezahlbare Neubauten. Für die große Mehrheit der Menschen wurde das Wohnungsproblem mit dem Siedlungsbau der 1920er Jahre nicht gelöst.

Blickt man also zurück, dann lässt sich resümieren: Es hat in der Geschichte des Kapitalismus keine dauerhafte Lösung des Wohnungsproblems gegeben. Der Grund: Das Wohnungsproblem ist ein Verteilungsproblem. Es geht um die Höhe und die Verteilung des Mehrwerts, nicht darum, gleichbleibend niedrige Löhne und Steuern auf die x-te, diesmal aber supergeschickteste Art neu zu verteilen. Aus diesen Gründen hat es übrigens in den Siedlungen der 1920er immer wieder Mietstreiks und auch Widerstand gegen Zwangsräumungen gegeben, organisiert meist von der KPD. Aufgearbeitet ist dies unter anderem in dem Buch „Rosemarie F. Kein Skandal“, erschienen 2015 in der edition assemblage. Dort finden sich auch weitere interessante Literaturstellen, auch mit Berichten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.

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"Verteilungsproblem", UZ vom 22. März 2019



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