Zum lange geplanten Krieg gegen den Iran

Völkerrechtsnihilismus

Am 12. Juni begann Israel seinen offenen Krieg gegen den Iran. Eingeleitet wurde er aber schon Anfang Dezember letzten Jahres. Nach der Machtübernahme dschihadistischer Milizen in Syrien zerstörte die israelische Luftwaffe in massiven Angriffswellen die militärischen Kapazitäten Syriens nahezu vollständig. Sie ebnete so auch den Weg für Angriffe auf den Iran. Diese erfolgten zweifelsohne mit Unterstützung der USA. Die USA kontrollierten den Luftraum über dem Irak und allein ihre Tankflugzeuge über dem Irak ermöglichten die Rückkehr der israelischen Bomber. Schließlich ließ US-Präsident Trump die USA mit Angriffen eigener Bomber direkt in den Krieg einsteigen – heimtückisch, noch während Verhandlungen mit dem Iran liefen.

Es handelt sich um einen unprovozierten Angriffskrieg, ähnlich wie der 2003 gegen den Irak. Selbst wenn die Islamische Republik, wie seit zwei Jahrzehnten immer wieder mantraartig behauptet wird, kurz vor der Produktion von Atomwaffen gestanden hätte, wären die Angriffe ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Die Angriffe auf Atomanlagen wie auf Wissenschaftler und andere Zivilisten sind unabhängig davon schwerste Kriegsverbrechen. Tatsächlich aber kann es nach allen seriösen Informationen als gesichert gelten, dass der Iran aktuell kein Atomwaffenprogramm verfolgt.

Der damalige US-Außenminister Colin Powell stütze seine Vorwürfe gegen den Irak vor dem UN-Sicherheitsrat noch auf frisierte Berichte seiner Geheimdienste. Im Falle des Iran kamen selbst die 16 US-Geheimdienste in ihren jährlichen gemeinsamen Bedrohungsanalysen stets zu dem Schluss, dass nichts auf ein Atomwaffenprogramm hindeutet. Die letzte wurde dem Geheimdienstausschuss des US-Senats im März vorgelegt.

Ein Krieg gegen den Iran steht in Washington seit langen auf der Agenda. Als die Regierung von Barack Obama 2010 die Truppen aus dem Irak abziehen musste, hieß es in Washington, dass der Iran im Irak nun die Oberhand habe. Der Ort, wo der Iran „abgeblockt“ werden könne, sei Syrien. „Das Ende des Assad-Regimes würde aktuell den größten Rückschlag des Irans in der Region bedeuten“, so Obamas Nationale-Sicherheit-Berater, Tom Donilon. Nach 14 Jahren war das Ziel mit dem Einmarsch der Dschihadisten in Damaskus erreicht. Ein halbes Jahr später griffen sie, voran ihr engster Verbündeter, Iran an.

Glücklicherweise war Trump nach einem wohldosierten Gegenschlag Irans zu einem Waffenstillstand bereit. Dieser ist jedoch fragil. Netanjahu lenkte nur ein, weil Trump ihn massiv unter Druck setzte und Israel die Abwehrraketen auszugehen drohten. Die iranischen Vergeltungsangriffe waren offenbar wesentlicher effektiver als zugegeben und trafen immer häufiger und empfindlicher.

Die Gefahr neuer Angriffe und damit auch eines Flächenbrandes ist daher nicht gebannt. Netanjahu behauptete, ihre Angriffe seien zwingend erforderlich gewesen, weil der Iran eine „existentielle Bedrohung“ für Israel darstelle. Das ist hochbrisant, denn damit könnte er auch den Einsatz von Atomwaffen rechtfertigen, sollten konventionelle Angriffe als nicht ausreichend erachtet werden. Israel könnte auch dabei auf weitgehende Straflosigkeit bauen.

Zu verurteilen ist aber nicht nur die brandgefährliche Aggression Israels und der USA, sondern auch die Reaktion der deutschen Regierung, die sie offen feierte. Der Völkerrechtsnihilismus Berlins und seiner Verbündeten ist dabei, das ohnehin angeschlagene internationale Recht weiter zu zertrümmern. Dem Rest der Welt wird deutlich gezeigt, wie die vom Westen propagierte „regelbasierte“ und wertebasierte Weltordnung zu verstehen ist.

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"Völkerrechtsnihilismus", UZ vom 11. Juli 2025



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