Newsletter der FIR

Vor 100 Jahren: faschistische Machteinsetzung in Italien

Fédération Internationale des Résistants (FIR)

Als vor wenigen Wochen in Italien das Rechtsbündnis die Parlaments- und Senatswahlen gewannen, sprach der Präsident des Partisanenverbandes ANPI vom „Sarkasmus der Geschichte“. Tatsächlich fühlt man sich erinnert an den Ausspruch von Karl Marx, große Dinge wiederholten sich, das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.

Als vor hundert Jahren, Ende Oktober 1922, die Machteinsetzung Benito Mussolinis geschah, begann für die italienische Gesellschaft in der Tat eine Tragödie. Schon der Vormarsch der faschistischen Bewegung im „Biennio Nero“ 1921/1922 war verbunden mit zunehmender faschistischer Gewalt. Mussolini hatte sich im Führungskreis der faschistischen Bewegung Ende 1921 als „Duce“ durchgesetzt und die lokalen Squadren und Fasci di Combattimento zu einer Partei geformt.

Eine Funktion der gewalttätigen Formation der „Schwarzhemden“ war es, im Interesse der Unternehmer und Grundbesitzer die revolutionäre und soziale Bewegung, die durch Betriebs- und Landbesetzungen für eine sozialistische Umgestaltung des Landes kämpfte, massiv zu bekämpfen. Nicht der italienische Staat, sondern die faschistischen Kräfte sorgten für die Sicherung kapitalistischer Besitz- und Machtverhältnisse. Schon bald stellten die Faschisten die Machtfrage und forderten Neuwahlen des Parlaments. Sollte ihre Forderung nicht erfüllt werden, wolle man sie mit einem „Marsch auf Rom“ durchsetzen.

Am 1./2. Oktober 1922 demonstrierten die Faschisten mit einen „Marsch auf Bozen“ gegen die deutsche Volksgruppe, wie sie sich den Vormarsch vorstellten. Sie erlebten, dass die Sicherheitskräfte des italienischen Staates dieses Treiben nicht stoppten, der Staatsapparat schien auf ihrer Seite. Ende Oktober 1922 kündigte Mussolini daraufhin einen „Marsch auf Rom“ an, um die italienische Regierung notfalls gewaltsam zu übernehmen. Vereinzelt wurden lokale Verwaltungen (Präfekturen und Polizeidienststellen), Verkehrsknotenpunkte und Kasernen besetzt. Vor den Toren Roms versammelten sich mehrere zehntausend Anhänger Mussolinis. Die faschistische Propaganda sprach von 70.000, wahrscheinlich dürften es zwischen 40.000 und 50.000 Mann gewesen sein.

Bezeichnend war die Reaktion der italienischen Elite. Ministerpräsident Luigi Facta zögerte lange, den Notstand auszurufen, mit dem die Armee gegen die Faschisten hätte eingesetzt werden können. Schließlich verweigerte König Vittorio Emanuele III seine Zustimmung, da sich Vertreter des Militärs sowie Rechtsliberale und Nationalisten im italienischen Parlament auf die Seite Mussolinis geschlagen hatten. Luigi Facta trat zurück. Der ehemalige Ministerpräsident Salandra überredete den König, Mussolini zum neuen Ministerpräsidenten zu ernennen. Am 30. Oktober 1922 ernannte der König ihn zum Regierungschef. Erst jetzt marschierten die faschistischen Verbände nach Rom, wo am 31. Oktober 1922 eine Parade stattfand. Anschließend kam es – wie schon in den Tagen zuvor – zu Überfällen auf sozialistische und kommunistische Pressebüros und Gewalttaten gegen deren Anhänger.

Die Machteinsetzung der Faschisten in Italien im Herbst 1922 war also alles andere als eine „revolutionäre“ Aktion, wie es mit der Verklärung als „Marsch auf Rom“ in der faschistischen Selbstdarstellung bis heute propagiert wird. Am Beispiel Italiens wird deutlich, welche Funktion dem Faschismus in der politischen Machtsicherung zukommt.

Gleichzeitig war der Vormarsch der faschistischen Schwarzhemden auch der Beginn einer überparteilichen antifaschistischen Bewegung, der „Arditi del Populi“, die sich als Massenselbstschutz über ideologische Grenzen hinweg organisierte.

Wenn die Wiederholung der Geschichte mit der Regierung der faschistischen Rechten in Italien mit dem Kabinett vom Giorgia Meloni etwas bewirken kann, dann das verstärkte Zusammengehen aller antifaschistischen Kräfte in Italien in einem „neuen Antifaschismus“. Dieser ist gegen Neofaschismus und die Ideen der Ausgrenzung, des Rassismus und des Nationalismus und für einen politischen, kulturellen und rechtlichen Kampf, der in eine „soziale Richtung“ geht, orientiert, wie ANPI es formuliert.

In diesem Kampf werden die FIR und ihre Mitgliedsverbände die italienischen Antifaschisten und die zivilgesellschaftlichen Kräfte unterstützen.

Am 27. Oktober 2022 um 17 Uhr organisiert ANPI eine geschichtspolitische Online-Veranstaltung unter der Überschrift „Nie wieder ein Marsch!“. Man kann der Veranstaltung auf der Facebook-Seite von ANPI folgen.

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