Die Antifaschistin und Kommunistin Erika Baum ist 100 Jahre alt geworden

Widerstand, Widerstand

„Mein Name ist Erika Baum, ich bin 84 Jahre alt und ich bin Antifaschistin und Kommunistin!“ Nach diesen wenigen Worten brachen Hunderte in Jubel aus. Erika Baum stand auf dem Pritschenwagen vor Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration 2009 in Berlin. Gemeinsam skandierte sie gefühlt minutenlang mit den zumeist Jugendlichen: „Widerstand, Widerstand!“ Einige von ihnen kannten sie schon – aus antifaschistischen Sitzblockaden, von den Großdemons­trationen gegen Nazis in Dresden oder aus beharrlichen Diskussionen über den Hauptgegner und die Rolle des deutschen Monopolkapitals.

Am 3. Juli ist Erika 100 Jahre alt geworden. Wir gratulieren unserer Genossin herzlich und sagen Danke für das beharrliche Ringen um unseren politischen Kompass!

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Erika Baum in jungen Jahren (Foto aus: Widerstand, Widerstand – Die Kommunistin Erika Baum)

Erika hat drei verschiedene Herrschaftsformen der Bourgeoisie und eine der Arbeiter und Bauern kennengelernt. Am 3. Juli 1925 wurde sie in Wien geboren, wo ihr in einem kommunistischen Elternhaus der Klasseninstinkt quasi in die Wiege gelegt wurde. Kommunistisch im Widerstand sozialisiert, zuerst gegen den Austrofaschismus, in dem schon ihr Vater verhaftet wurde und ihre Mutter Beweismaterial über die Gräueltaten der Faschisten im Kampf gegen die Arbeiterwehren des Republikanischen Schutzbundes sammelte und illegal veröffentlichte. Ab März 1938 dann gegen die deutschen Faschisten. Österreich war in das Reich des deutschen Nazifaschismus einverleibt worden und Hitlerdeutschland begann den Vernichtungskrieg gegen die So­wjet­union. Er endete mit dem siegreichen Einzug der Roten Armee am 13. April in Wien und mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 in Berlin.

Durch die Heirat mit dem deutschen Widerstandskämpfer Bruno Baum, der die Konzentrationslager Auschwitz und Mauthausen überlebt hatte, kam sie zum Aufbau eines antifaschistischen, der Völkerfreundschaft verpflichteten neuen Deutschlands nach Berlin. Erika wurde Neulehrerin in der DDR. Gemeinsam mit ihrem Mann Bruno kämpfte sie darum, die von zwölf Jahren faschistischer Diktatur verdrehten Köpfe wieder in die richtige Richtung zu bringen. Beide beteiligten sich an der Reorganisation der Antifa-Komitees und rangen mit um die kollektive Weisheit in der SED. Immer ging es dabei, wie Erika sagte, um die richtige Linie in der jeweils aktuellen Phase.

Erika war mit der DDR und deren Grundphilosophie verwachsen, der Sieg der Konterrevolution 1989 war für sie ein besonders schwerer Schlag. Er führte aber in keinem Moment zu Orientierungslosigkeit oder der Aufgabe ihrer Ziele. Als Gregor Gysi am 9. Dezember 1989 beim „großen Kehraus“ auf dem SED-Parteitag in der Dynamo-Sporthalle den symbolischen Besen überreicht bekam, brauchte Erika nicht lange, die Organisation zu finden, wo sich die Kommunistinnen und Kommunisten jetzt zu organisieren hatten. Wie unter anderem Bruni und Klaus Steiniger, Heinz Kessler, Karl-Eduard von Schnitzler, Hans Günter Szalkie­wicz und Bruni Büdler fand sie den Weg in die DKP. Viele andere blieben in der SED-PDS, später nur noch PDS, weil sie meinten, dass sie ihre Partei niemals verlassen dürften. Erika kommentierte: „Sie haben nicht gemerkt, dass die Partei SIE längst verlassen hat.“

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… und in Berlin-Lichtenberg beim Protest gegen eine Neonazikundgebung. (Foto aus: Widerstand, Widerstand – Die Kommunistin Erika Baum)

In der DKP war Erika eine wichtige Größe, nicht zuletzt um die Besonderheiten der neuen Kampfbedingungen in dem 1990 von der BRD geschluckten Teil, der nun nicht mehr existierenden DDR, zu erörtern. Sowohl in ihrer Grundorganisation, der Gruppe Lichtenberg, als auch im Landesvorstand der DKP Berlin war sie oft diejenige, die den Kompass für die politische Linie innehatte – und ihn freundlich, aber beharrlich an jüngere Genossinnen und Genossen auch der SDAJ vermittelte. Für ihre Partei stand sie stets bereit, kämpfte um ihren marxistisch-leninistischen Charakter – als Delegierte auf Parteitagen, als Kandidatin bei Abgeordneten- und Bundestagswahlen, als Diskutantin zum Beispiel bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz der „jungen Welt“. Das Luxemburg-Liebknecht-Wochenende und der 8. und 9. Mai sind ihr immer noch die wichtigsten politischen Ereignisse in der BRD.

Das Transparent mit der Losung „Mit Antikommunismus ist Faschismus nicht zu bekämpfen!“, mit dem Erika Jahr für Jahr die LL-Demonstration am Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde begrüßte, hat sie vor Jahren an jüngere Genossinnen und Genossen weitergegeben. Es gewinnt wieder an Bedeutung in einer Zeit, in der eine sogenannte Antifa ohne Kommunisten etabliert und in der unsere Losung „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ entsorgt werden soll.

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"Widerstand, Widerstand", UZ vom 4. Juli 2025



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