Hohe Nachforderungen von Vonovia – Mieter fordern Belege

Zahlung verweigert

Der Wohnungskonzern Vonovia fordert teils sehr hohe Nachzahlungen von Mieterinnen und Mietern in den Berliner Bezirken Tempelhof und Schöneberg. Jule Bergmann (Name von der Redaktion geändert) ist eine von ihnen. UZ sprach mit ihr über die Geschäftspraktiken ihres Vermieters und Möglichkeiten der Gegenwehr.

UZ: Du hast Mitte Januar gemeinsam mit anderen Mieterinnen und Mietern in Berlin gegen hohe Nachzahlungsforderungen protestiert. Worum geht es dabei?

Jule Bergmann: Es geht um die Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2022, die seit Ende letzten Jahres bei den Mietern der Vonovia und Deutsche Wohnen eintrudeln. Natürlich haben wir alle mit Nachzahlungen aufgrund der höheren Energiekosten gerechnet. Aber von der Höhe der Nachforderungen – und der ab nun geforderten Heizkostenabschlagszahlungen – waren wir schlichtweg schockiert. Nachdem wir uns immer mehr vernetzt und an verschiedene Beratungsstellen gewandt haben, hegen wir nun den Verdacht, dass sich die Vonovia über ihre Energiezulieferer an uns Mietern bereichern will und die Heizkostennachzahlungen fehlerhaft beziehungsweise überhöht sind.

UZ: Über welche Summen sprechen wir bei den Nachforderungen und wie wirkt sich das auf die monatlich zu zahlenden Nebenkosten aus?

Jule Bergmann: Das ist zum Teil sehr unterschiedlich, bei mir geht es beispielsweise um rund 1.960 Euro. Zum Vergleich: Für 2021 mussten wir für dieselbe Vierzimmerwohnung lediglich 147,62 Euro an Heizkosten nachzahlen. Bei Mietern im Stadtteil Berlin-Mariendorf gab es aber auch Nachforderungen von bis zu 9.000 Euro.

Das andere Thema sind die geforderten Abschläge. Eine Bekannte von mir aus Berlin-Wedding soll nun für ihre 45-Quadratmeter-Wohnung einen Heizkostenabschlag von über 400 Euro pro Monat zahlen. Vonovia hatte die neuen Vorauszahlungen anhand der Heizkostenabrechnung für 2022 berechnet und den Vorauszahlungen einen zusätzlichen Aufschlag von 65 Prozent hinzugefügt.

Die Begründung lautete, dass sie „von einer Kostensteigerung für die nächste Abrechnungsperiode“ ausgehen. Sie erläuterten nicht, aus welchem Grund sie die Kostensteigerung erwarten oder wie das dazu passen soll, dass die Gaspreise ja inzwischen wieder gefallen sind.

UZ: Mieterinitiativen raten, die geforderten Summen nicht an Vonovia zu überweisen. Ist es nicht riskant, der Zahlungsaufforderung nicht nachzukommen? Die Wohnung zu verlieren wäre in der aktuellen Situation für viele sicherlich eine Katastrophe.

Jule Bergmann: Nein, es ist nicht riskant, sondern unser gutes Recht. Genauer gesagt machen wir von unserem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Als ich Widerspruch gegen die Abrechnung einlegte und die Zahlung verweigerte, bis das Abrechnungsergebnis ausreichend durch Vonovia belegt wird, hatte ich natürlich auch Angst, die Wohnung zu verlieren – obwohl ich wusste, dass ich im Recht bin. Deshalb ist es so wichtig, dass wir betroffenen Mieterinnen und Mieter zusammenhalten und uns untereinander vernetzen. Nicht alle Mieter haben Zugang zu den Informationen, die man braucht, um seine Rechte zu kennen. Hinzu kommt ja auch, dass Heizkostenabrechnungen nicht transparent und für Laien verständlich sind. Ich gebe zu, ich hatte mir bislang auch nicht die Mühe gemacht, die kWh-Preise nachzurechnen und zu vergleichen.

UZ: Euer Widerstand und Protest hat bereits erste Reaktionen von Seiten der Vonovia hervorgerufen, die Fehler zugegeben hat. Ihr aber sprecht vom „System Vonovia“. Was meint ihr damit?

Jule Bergmann: Na ja, die Vonovia hat bisher nur Fehler in den Heizkostenabrechnungen einiger Mietparteien in Mariendorf zugegeben und angekündigt, alle Abrechnungen nochmal zu prüfen. Zeitgleich wurden aber Zahlungsaufforderungen mit Mahngebühren an Mieter ein paar Haustüren weiter verschickt, die den hohen Abschlägen widersprochen hatten. Wir reden hier von Deutschlands größtem Immobilienkonzern, einem börsennotierten Unternehmen, das durch steigende Zinsen und Inflation in die Krise geraten ist und trotzdem seine Profite generieren will. Natürlich sind Betriebs- oder Heizkosten dafür ein Schlupfloch oder eben höhere Abschläge, die die monatliche Miete in die Höhe treiben.

Vonovia hat ein Geflecht von Firmen aufgebaut, die dem „Mutter“konzern Rechnungen für Grünanlagenpflege, Sperrmüllbeseitigung oder Ähnliches ausstellen. Die angeblichen Kosten werden dann natürlich auf uns Mieter umgelegt. Bei den Heizkosten ist es so, dass Vonovia unter anderem auf Abrechnungen des Energielieferanten Getec verweist. Dazu muss man wissen, dass Getec und Vonovia bereits seit mehr als zehn Jahren über ein „Joint Venture“ verzahnt sind. Die Deutsche Wohnen, die heute zu Vonovia gehört, und „Getec“ haben damals mit der „G+D Gesellschaft für Energiemanagement mbH“ ein Tochterunternehmen gebildet, das zu 49 Prozent Vonovia gehört und zu 51 Prozent Getec. Wenn die sich dann gegenseitig Rechnungen ausstellen, ist das für Außenstehende kaum nachzuvollziehen.

UZ: Zu eurer Protestkundgebung am Tempelhofer Damm kam auch Politprominenz. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sicherten zu, ihre Kontakte zur Vonovia-Spitze nutzen zu wollen, um ein gutes Wort für euch einzulegen. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen, oder?

Jule Bergmann: (lacht) Schön wär‘s, wenn Politiker unsere Interessen verträten. Luczak will der Vonovia auf Deutsch gesagt den Arsch retten und inszeniert sich bei uns Mietern als Retter in der Not, der jetzt vermeintlich in unserem Sinne für Recht und Ordnung sorgt. Er hat in der Vergangenheit federführend daran mitgewirkt, den Mietendeckel – das wirksamste Mittel, das wir bisher in Sachen Mieterschutz hatten – wegzuklagen.

Kevin Kühnert spricht davon, dass mehr Wohnbestand in öffentliche Hand gehört. Das sind sehr schöne Worte, aber seine Partei hat den großen Ausverkauf der landeseigenen Wohnungen in Berlin überhaupt erst begonnen und zuletzt unseren Volksentscheid zur Enteignung von Deutsche Wohnen & Co verschleppt. Um es nochmal zu verdeutlichen: Bausenator Gaebler von der SPD hat diese Woche dem „Tagesspiegel“ erzählt, die Wohnungsunternehmen achteten doch auf Härtefälle, schuld an den Heizkosten seien die Energiepreise. Womit heizen wir denn bitte unsere Wohnungen, mit russischem Gold?

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Zahlung verweigert", UZ vom 2. Februar 2024



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