Bundesweit fehlen gut 550.000 Wohnungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Anfang Februar 2025 im Auftrag des Verbändebündnisses „Soziales Wohnen“ veröffentlicht wurde. Dieses besteht aus dem Bundesverband Baustoffhandel, der Caritas, dem Deutschen Mieterbund, der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau sowie der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Der Wohnungsmangel soll jetzt, wenn man den Berliner Koalitionären glaubt, durch den sogenannten „Bau-Turbo“ behoben werden.
Hinter der markigen Bezeichnung verbirgt sich das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus“, das in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett beschlossen wurde. „Damit sorgen wir dafür, dass mehr und schneller gebaut werden kann. Das hilft gegen den Mangel von bezahlbarem Wohnraum“, sagte Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Gesetzes in der vergangenen Woche.
Damit mehr und schneller gebaut wird, müssten einige Vorschriften abgeschafft werden, so Klingbeil. Bauministerin Verena Hubertz habe dazu ein gutes Gesetzespaket vorgelegt. Das soll den Kommunen die Möglichkeit geben, Genehmigungsverfahren zu straffen, indem sie von Bebauungsplänen abweichen können. „So kann schneller gebaut, nachverdichtet oder aufgestockt werden“, heißt es aus dem Bauministerium.
Tatsächlich besteht dringender Handlungsbedarf. Aus dem sozialen Menschenrecht Wohnen ist in vielen deutschen Großstädten längst ein Luxusgut geworden, das sich immer weniger Menschen leisten können. Nach Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stiegen die Angebotsmieten in den 14 größten kreisfreien Städten seit 2015 durchschnittlich um fast 50 Prozent. Am stärksten betroffen ist Berlin, wo sich die Neumieten mehr als verdoppelten.

Der in der vergangenen Woche veröffentlichten Auswertung zufolge ist das Mieten in München mit Quadratmeterpreisen von fast 22 Euro am teuersten. Es folgen Berlin mit fast 18 Euro und Frankfurt am Main mit rund 16 Euro pro Quadratmeter. Die größten Mietsteigerungen gab es nach Berlin mit einem Plus von 107 Prozent in Leipzig (plus 67,7 Prozent) und in Bremen (plus 57 Prozent). Die geringste Mietenerhöhung nach einem Umzug wird in der Studie mit 28,4 Prozent für Dresden ausgewiesen.
Eine zentrale Ursache für die stark steigenden Mieten ist der eklatante Mangel an Wohnraum, insbesondere im unteren und mittleren Preissegment. Seit Jahren geht die Zahl an Sozialwohnungen kontinuierlich zurück. Bund, Länder und Kommunen haben seit Anfang der 1990er Jahre in großem Ausmaß Sozialwohnungen verkauft. Zugleich liefen Sozialbindungen bei hunderttausenden Wohnungen aus und wurden nicht durch entsprechenden Neubau ersetzt.
In der Folge werden hohe Mieten in Großstädten immer mehr zum Armutsrisiko und soziale Ungleichheit verstärken, lautet die nüchterne Analyse der Hans-Böckler-Stiftung. Fast 13 Prozent der Mieterhaushalte in deutschen Großstädten haben nach Abzug der Miete weniger als das Existenzminimum zur Verfügung. Im Jahr 2022 hatten rund 1,5 Millionen Mieterhaushalte eine Mietbelastung von 50 Prozent oder mehr ihres Nettoeinkommens. Bei weiteren gut 1,6 Millionen waren es zwischen 40 und 50 Prozent, so die gewerkschaftsnahe Stiftung.
Ob der von Klingbeil vollmundig angekündigte „Bau-Turbo“ hier Abhilfe schaffen wird, ist zu bezweifeln. Schon die Vorgängerregierung war mit dem Vorhaben, jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen zu lassen, krachend gescheitert. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 251.900 Wohnungen errichtet – und damit noch einmal 14,4 Prozent oder 42.500 Wohnungen weniger als im Jahr davor, als die selbstgesetzte Zielmarke ebenfalls deutlich unterschritten wurde.
Ein Blick zurück zeigt, dass es auch anders gehen kann, wenn anstelle des grenzenlosen Vertrauens in den „freien Markt“ gesellschaftliche Planung tritt. Im Zeitraum von 1973 bis 1990 wurden im Rahmen der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ zwischen Werra und Oder drei Millionen moderne und für die Mieter preisgünstige Wohnungen errichtet.