Zweierlei Reformismen?

Pablo Graubner zur Linkspartei

Im Umfeld von SPD, Grünen und Linkspartei gibt es derzeit zwei Sammlungsbewegungen.

Einerseits finden sich über Parteigrenzen hinweg diejenigen zusammen, die mitunter linksliberal und europa­freundlich gesinnt sind. Dafür steht u. a. das rot-rot-grüne „Crossover“ des Instituts Solidarische Moderne (ISM), mit prominenten Mitgliedern wie z. B. Katja Kipping. Andererseits haben Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht damit begonnen, im Umfeld von SPD und in der Linkspartei diejenigen zu sammeln, die den nationalstaatlich verfassten sozialen Wohlfahrtsstaat – oder besser: dessen Überbleibsel – verteidigen und ausbauen wollen.

Nun könnte man einfach sagen, diese zwei Richtungen seien schlicht zwei Spielarten des Reformismus. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Denn die neoliberale Globalisierung, ihrem Wesen nach eine radikale Kur im Interesse des Finanzkapitals, untergräbt die Integration der Arbeiterklasse durch den reformistischen Zweig der Arbeiterbewegung. Und tatsächlich ist die Sozialdemokratie in vielen europäischen Ländern im freien Fall. In Frankreich versuchte der Front National (FD) unter Marine Le Pen in diese Lücke zu stoßen, mit einem rigoros antiliberalen Wirtschaftsprogramm, einer Art nationalem Keynesianismus ohne EU und Euro. Hierzulande warnte der „Spiegel“-Kolumnist Jakob Augstein unlängst vor einem Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) zur Volkspartei. Einer „sozial-national“ ausgerichteten AfD, wie sie Björn Höcke repräsentiere, mit einem Mix aus Sozialstaat und Rassismus, attestierte er das Potenzial für eine Massenbewegung.

Mosaik-linke Patchwork-Parteien wie die Linkspartei werden hingegen von „denen da Unten“ zunehmend als linksliberaler Flügel einer ganz großen neoliberalen Regierungspartei wahrgenommen, was kein Wunder ist. Denn führende Vertreter beteiligen sich mitunter daran, Kritik an den sakrosankten Säulen des EU-Binnenmarktes – freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital – pauschal als rechts zu diffamieren.

Die Kommunisten sollten in dieser Frage keine gleichgültige oder äquidistante Haltung annehmen. Denn die Verteidiung des Sozialstaates auf nationalstaatlicher Ebene, in Widerstand gegen die EU und die Pro-EU-Parteien, ist der Sache nach keine reformistische, sondern eine antimonopolistische Stoßrichtung, ein Gegengift gegen die AfD. Die KP Britanniens hat vorgemacht, wie eine sinnvolle Begleitung antimonopolistischer Ansätze aussieht.

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"Zweierlei Reformismen?", UZ vom 23. Februar 2018



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