Inlandsgeheimdienst NRW scheint Polizistenmörder zu decken

Akten gelöscht

Von Markus Bernhardt

Der Inlandsgeheimdienst („Verfassungsschutz“) NRW hat einen Tag nach dem vom Neonazi Michael Berger begangenen Mord an drei Polizisten im Raum Dortmund angeordnet, dessen Akte zu löschen. Das sei tatsächlich einen Tag nach den Morden am 14. Juni 2000 geschehen, wurde vor wenigen Tagen im NSU-Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages bekannt.

Bereits vor Monaten hatte die ARD in einer Fernsehreportage über den NSU-Terror spekuliert, dass Verbindungen zwischen Berger und dem NSU-Netzwerk bestanden haben könnten. Es war die „Kameradschaft Dortmund“, in der in den 1990er Jahren das Gros der dort beheimateten militanten Neofaschisten aktiv war und die vom ehemaligen Chef der sogenannten Borussenfront Siegfried Borchardt, genannt „SS-Siggi“, angeführt wurde. In besagter „Kameradschaft“ trieb mit Michael Krick außerdem ein als besonders gewaltbereit geltender Neonazi sein Unwesen, der nicht nur über gute Kontakte zu „Blood & Honour“, sondern auch zu Michael Berger verfügte.

Krick hatte die von Berger begangenen Polizistenmorde damals begrüßt. So wurden in seiner Wohnung Aufkleber mit dem Aufdruck „3:1 für Deutschland – Berger war ein Freund von uns!“ gefunden, für die die von Borchardt geführte „Kameradschaft“ verantwortlich gezeichnet hatte und die in Folge der Polizistenmorde weiträumig im Dortmunder Stadtgebiet verklebt wurden. Krick war darüber hinaus mit Forderungen, wie der nach Bildung von rechten Zellen nach Vorbild des „führerlosen Widerstandes“ aufgefallen und hatte sich dafür ausgesprochen, nicht nur „das System und seine Knechte“ anzugreifen, „wo immer es geht“, sondern auch „die, die gegen unsere Rasse vorgehen und sie zu vernichten suchen“.

Tatsächlich sind mögliche Verbindungen zwischen der Dortmunder Naziszene und den NSU-Terroristen bis heute nicht aufgeklärt. Antifaschisten hatten in der Vergangenheit stets bezweifelt, dass die NSU-Terroristen die von ihnen verübten Anschläge und Morde ohne Rückkoppelung mit lokalen Nazinetzwerken verübt haben. Noch 2001 sollen Dortmunder Nazis mit der NSU-Unterstützerin Antje Pobst zusammengekommen sein, die Beate Zschäpe ihren Pass zur Verfügung gestellt hatte, damit sich diese damit mit einer falschen Identität ausstatten konnte. Auch Thomas Starke, wie Pobst einer der Unterstützer des Terrornetzwerkes, soll sich in den 1990er Jahren gleich mehrfach in Dortmund aufgehalten haben und dort Kontakte unter anderem zu Mitgliedern der rechtsextremen Band „Oidoxie“ gepflegt haben. Die Band nahm regelmäßig an Veranstaltungen des im Jahr 2000 zumindest offiziell in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes teil. Einiges deutet darauf hin, dass etwa der NSU-Mord an dem Kioskbesitzer Mehmet Kubasik 2006 in Dortmund nicht ohne Kenntnis der militanten Dortmunder Naziszene verübt wurde. Aufklärung darüber könnte sicherlich der NRW-Inlandsgeheimdienst geben. Dass dieser tatsächlich dazu bereit ist, darf bezweifelt werden.

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"Akten gelöscht", UZ vom 16. Dezember 2016



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