Die ganz breite Koalition agitiert für eine weitere Einschränkung von Grundrechten

Noch mehr Sicherheit

Von Nina Hager

Das Jahr 2017 begann hierzulande wie das vorherige endete: Mit schlechtem Wetter. Vor allem aber mit Debatten über die „innere Sicherheit“ und einen „starken Staat“. In ihrer Neujahrsansprache hatte Bundeskanzlerin Merkel – mit Augenaufschlag – zu Hilfe und Mitmenschlichkeit aufgerufen. Zugleich versprach sie: „Unser Staat tut alles, um seinen Bürgern Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten.“

Gleich nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz hatten vor allem Politiker der CSU, aber auch der CDU die Debatte um die „innere Sicherheit“ angeheizt und zugleich eine weitere Verschärfung des Asylrechts gefordert. Die CSU-Bundestagsgruppe wird nun auf ihrer Klausurtagung – dieses Jahr in Kloster Seeon in Oberbayern – ihre Positionen untermauern. Sie berät und beschließt ein Positionspapier „Sicherheit für unsere Freiheit“, in dem eine weitere Einschränkung von Freiheits- und anderen Grundrechten verlangt wird. Dazu gehören Forderungen zur weiteren Verschärfung des Asylrechts, zur Ausweitung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum sowie zur Vorratsdatenspeicherung. Und gewiss auch die „Obergrenze“. Vor allem die CSU sei es, wie Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenchefin der CSU, am vergangenen Wochenende erklärte, die „die Sicherheitsdebatte nach dem Anschlag in Berlin bestimmt und vorangetrieben“ habe. Und der „Passauer Neuen Presse“ erklärte sie zum Jahresauftakt: „Das Ziel muss größtmögliche Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger sein. Dem sollte alles untergeordnet werden. Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte bereits am 2. Januar ein ganzes Maßnahmenpaket vor. Denn er sieht Deutschland mit einer „Führungsrolle“ konfrontiert, die „mit der Ordnung bei uns, in unserem Lande“ beginne. Das ist wohl deutlich genug. Und darum geht es in erster Linie. Auch deshalb will er vor allem die Kompetenzen des Bundes stärken und fordert, den Verfassungsschutz komplett unter die Verantwortung des Bundes zu übernehmen. Er möchte zudem die Bundespolizei stärken.

Zu den vorgestellten Maßnahmen gehört die Forderung, abgelehnte Asylbewerber, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten, in Abschiebehaft zu nehmen. Dazu gibt es bereits einen Gesetzentwurf. Der Minister fordert laut „FAZ“, die Zuständigkeit für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erheblich auszuweiten und dem Bund mehr Kompetenzen zu übertragen. Er schlägt die Einrichtung von „Bundesausreisezentren“ vor, die den Ländern „eine Verantwortungsübergabe“ für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts von Ausreisepflichtigen ermöglichen sollten. De Maizière verlangt eine „nationale Kraftanstrengung“ bei der Abschiebung.

Auch die SPD reagierte am Jahresanfang schnell. Ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel meint in einem Positionspapier „Zeit für mehr Sicherheit in Zeiten wachsender Unsicherheit“ es gehe aber nicht um „innere Sicherheit“, „sondern um innere Freiheit. Sicherheit ist das Unterpfand der Freiheit“. Kein Wort zu den tatsächlichen Ursachen der Terroranschläge. Stattdessen will auch er im Inland Grundrechte einschränken: Mehr Freiheit durch mehr Videoüberwachung öffentlicher Räume – als hätte das je Terroranschläge verhindert –, die Verhängung von Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder und die Vereinheitlichung aller Datensysteme der Sicherheitsbehörden. Zugleich soll aber der „Zusammenhalt“ und die innere Stabilität der Gesellschaft gefördert werden. Konkrete Vorschläge zur Unterstützung der Jugendsozialarbeit, zur Unterstützung der Familien, für bessere Integrationsmaßnahmen usw. fehlen.

Gabriel sandte auch ein deutliches Signal in Richtung Parteilinke: Sie solle Gesetzesverschärfungen nicht aus ideologischen Gründen blockieren. Er wisse, dass im linken Spektrum schnell die Sorge auftauche, dies sei der Weg in einen autoritären Staat, der am Ende die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger beschneide. Aber, da gibt sich Gabriel ganz sicher: Der demokratische Rechtsstaat der Bundesrepublik schütze vor solchen Entwicklungen.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Noch mehr Sicherheit", UZ vom 6. Januar 2017



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