Bis zum 9. Mai 2025 läuft die ver.di-Mitgliederbefragung zur Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst. Die befragten Beschäftigten arbeiten in den Ämtern der Stadtverwaltungen, in öffentlichen Kindertagesstätten, bei den Ver- und Entsorgungsbetrieben, in kommunalen Krankenhäusern oder in Nahverkehrsunternehmen. Sie werden befragt, ob sie bereit sind, der Empfehlung der ver.di-Bundestarifkommission zu folgen und das Ergebnis nach der vierten Verhandlungsrunde anzunehmen. Oder ob sie bereit sind, für ein anderes Ergebnis in den Erzwingungsstreik zu treten. Viele der ver.di-Mitglieder werden jetzt überlegen, ob sie persönlich mit dem materiellen Ergebnis zufrieden sind.
Dass der Lohnabschluss mit 3 Prozent zum 1. April 2025, mindestens 110 Euro und weiteren 2,8 Prozent ab 1. Mai 2026, kein wirklich guter Abschluss ist, teilen die meisten Kolleginnen und Kollegen. Und auch im Vergleich zu den Forderungen nach Reduzierung der Belastung durch drei freie Tage pro Jahr, nach mehr Zeitsouveränität und einer wirksamen Altersteilzeitregelung bleiben die Ergebnisse weit hinter den Erwartungen zurück. Gerade einmal ein Tag Urlaub mehr ab 2027 und bis zu drei freie Tage, die man sich selbst von seinem Weihnachtsgeld kaufen kann, wurden vereinbart. Die vermeintlich freiwillige Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Stunden konterkariert für viele den behaupteten „Einstieg in Entlastung“ dann komplett.
Was in der Debatte bislang noch keine Rolle spielt, ist, dass das Schleifen des Öffentlichen Dienstes und der Daseinsvorsorge aus Sicht der Herrschenden zur „Zeitenwende“ dazugehört. Attraktive Lohn- und Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst bewusst zu vermeiden ist in Zeiten von Personal- und Fachkräftemangel nicht unvernünftig, wenn man gar nicht das Ziel hat, einen funktionierenden Öffentlichen Dienst aufrechtzuerhalten. Wenn der nächste Schritt in Richtung Aufrüstung und Kriegstreiberei gegangen werden soll, muss das Geld, das jetzt noch im Öffentlichen Dienst steckt, für Großmachtphantasien und die Gewinne der Monopole freigemacht werden. Jene, für die die bisherige, vor allem aber die kommende Regierung Politik macht, können sich private Kitaplätze und Gesundheitsversorgung leisten. Sie haben keinen Bedarf an günstigem Nahverkehr oder öffentlichen Schwimmbädern.
ver.di stellt in der Empfehlung zur Annahme des Ergebnisses in den Vordergrund, dass unklar sei, ob man mit diesen Arbeitgebern aufgrund ihrer totalen Blockadehaltung nach einem Erzwingungsstreik zu einem besseren Ergebnis kommen kann. Deshalb ist trotz breiter Kritik davon auszugehen, dass die Bundestarifkommission am 12. Mai beschließen wird, das Ergebnis anzunehmen. Zu wenig wurden die Beschäftigten darauf vorbereitet, dass es eine andere Tarifrunde sein würde als in den letzten Jahren. Zu sehr wurde trotz aller Vorwarnzeichen die Hoffnung aufrechterhalten, dass man mit einem blauen Auge davonkäme.
Der Angriff auf die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst stößt die Tür für weitere Angriffe auf Werktätige und ihre Gewerkschaften in allen Branchen weit auf. Er zielt aber auch auf alle Bürgerinnen und Bürger, die darauf angewiesen sind, dass der Staat soziale Leistungen finanziert. Dem, der verstanden hat, dass dies ein Angriff auf uns alle und vor allem auf die Schwächsten unserer Gesellschaft ist, fällt es leichter, bei der Mitgliederbefragung gegen die Einigungsempfehlung zu stimmen oder den Kolleginnen und Kollegen Mut zu machen, die vor dieser Entscheidung stehen. Der Kampf für den Öffentlichen Dienst kann über Tarif- und Gewerkschaftsgrenzen hinweg geführt werden, für ein Land, das im Interesse der absoluten Mehrheit der Bevölkerung gestaltet wird. Für eine Gesellschaft, die uns nicht aus der Hand genommen wird von den Kapitalisten, die mit Friedrich Merz jemanden an die Spitze des Staates stellen, der die Daseinsvorsorge schon vor dem Hintergrund des eigenen Bankkontos für verzichtbar hält.