Auslandseinsätze werben für Jobs und die politische Richtung

Bundeswehr-Propaganda

Von Michael Schulze von Glaßer

Im Dezember fand die zweite von der deutschen Armee produzierte Internet-Serie „Mali“ ein Ende. Mit viel Geld wurde dabei versucht, die Menschen für ihren Auftrag zu gewinnen. Dabei kollidiert die Bundeswehr immer mehr mit ihrer im Grundgesetz formulierten Aufgabenstellung.

Was, wenn die einzige Medienquelle für einem Militäreinsatz das Militär selbst ist? Kann sich die Bevölkerung des Staates, welches das Militär entsandt hat, dann noch eine unabhängige Meinung über den Einsatz bilden? Von Oktober bis Dezember 2017 gab die Bundeswehr auf ihrem YouTube-Kanal einen Einblick in ihre Militärmission im nordafrikanischen Mali – „Mali“, so heißt die weiterhin abrufbare, 40-teilige Serie dann auch. Mal wird das Leben im Feldlager gezeigt, mal eine Patrouille begleitet – als einfach wird der Einsatz nicht präsentiert, aber als nötig. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten helfen den Menschen im Land und sorgen für Sicherheit. Die eigentlichen – politischen – Einsatzgründe werden nicht thematisiert: Die Bekämpfung von Migration nach Europa, der Zugang zu Rohstoffen bzw. Handelswegen (vor allem für die französischen Bündnispartner nach Niger) und durchaus auch die eigene militärische Machtdemonstration. Den meist sehr jungen Zuschauerinnen und Zuschauern wird ein durchweg positives Bild des deutschen Engagements in Nordafrika präsentiert. Und da in dem Land kaum unabhängige Journalistinnen und Journalisten zugegen sind, wird dieses Bild auch nicht getrübt: Was genau in Gefechten vorgeht – ob bei dem Bundeswehr-Einsatz auch schon Zivilistinnen und Zivilisten zu Schaden kamen – kann nicht überprüft werden. Skandale werden schlicht nicht bekannt – auch weil Medien kein Geld mehr für Auslandskorrespondenten haben. Das finanzkräftige Militär sieht die Lücke und füllt sie mit einseitigen Darstellungen: 2 Millionen Euro kostet die „Mali“-Serie, für weitere 4,5 Millionen Euro wird sie beworben – von Plakaten über Online-Werbung bis hin zu einer eigenen Smartphone-App. Zumindest von der Reichweite her lohnte sich die Serie für die Bundeswehr: Zwischen 60 000 und 790 000 Aufrufe haben die fünf bis zehn Minuten dauernden Folgen bereits. Doch darf sich das Militär so umfassend und aufwendig darstellen? Immerhin ist Staatsfernsehen – im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichem Rundfunk – in Deutschland verboten. Und in „Mali“ verbreitet die Bundeswehr eigene politische Sichtweisen: Deutsche Auslandseinsätze sind etwas Gutes – immerhin will die Armee mit der Serie ja vor allem neue Rekrutinnen und Rekruten werben. Mit dem, was das Bundesverfassungsgericht 1977 für die Informationsarbeit der Bundeswehr festgeschrieben hat, scheint die heutige Propaganda nicht mehr vereinbar: „Eine verantwortungsvolle Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerten zu können.“ Heute schlägt die militärische Propaganda eine unabhängige Information. Was wissen wir alles nicht vom Einsatz in Mali und andernorts?

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"Bundeswehr-Propaganda", UZ vom 19. Januar 2018



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