Dabei sein ist nicht alles

Von Thomas Mehner, Krefeld

Die DKP hat ein selbst für ihre Verhältnisse schlechtes Wahlergebnis bei den EU-Wahlen erzielt. In der Partei wird über die Ursachen diskutiert. Die UZ hatte deshalb in der Ausgabe vom 19. Juli Beiträge zur Auswertung des Wahlkampfs veröffentlicht und dazu aufgerufen, weitere Debattenbeiträge zu den Erfahrungen, Kritik und Einschätzungen zum EU-Wahlkampf der DKP einzusenden. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir eine erste Auswahl dieser Debattenbeiträge, weitere werden wir in der UZ-Ausgabe am 23. August veröffentlichen.

Die letztliche Ursache unserer Erfolglosigkeit liegt meines Erachtens in der langjährigen Missachtung eines Politikverständnisses, das allen unseren Aktivitäten immer die gemeinsame Diskussion und Erarbeitung einer bewusst klassenmäßigen, im Marxismus-Leninismus begründeten, antimonopolistisch orientierten Strategie (AMS) zu Grunde liegen muss. Das findet in der Partei praktisch nicht statt, wir ersetzen eine begründete gemeinsame Strategie durch mehr oder weniger fundierte Meinungen und so dümpelt unsere Praxis ebenso wie zu Stehrs/Mayers Zeiten theorie- und bewusstlos zwischen wohlmeinenden Zielen, Dabei sein bei bürgerlichen Bündnissen, Wünschen nach einer besseren Welt und moralischer Zurückweisung böser Ideologien hin und her. Klar, wir sagen: „Das Monopolkapital ist das herrschende gesellschaftliche Verhältnis und der zu bekämpfende Klassengegner.“ Aber das bleiben Lippenbekenntnisse ohne praktische Konsequenz, denn wir bauen nicht unsere Strategie darauf auf und leben es nicht in unserer politischen Arbeit. Besonders in Bündnissen folgen wir der falschen Maxime, das Wichtigste sei, dabei zu sein, die Zahl der Aktiven zu vergrößern, dabei die Breite zum Hauptkriterium zu machen und diese aus Angst vor Ausgrenzung mit der Alleingeltung bürgerlicher Politikvorstellungen zu erkaufen. Und landen so beim Verzicht auf eine klare antimonopolistische Kampfhaltung. Als Alibi weisen wir dann noch darauf hin, dass wir ja dadurch nicht auf unsere weitergehenden revolutionären Vorstellungen verzichten. Diese können wir dann aber nur noch als reine Theorie unseren Bündnispartnern hinterherrufen und müssen sie jedenfalls jenseits unserer praktischen Politik pflegen. Diese Orientierung im Leitantrag des 22. Parteitags zeigt hier ihre fatale Konsequenz: Unsere Praxis zeigt auch unter der neuen Führung das fatale Zerrbild einer AMS, die auf ein Anbiedern an bürgerliche Politik hinausläuft und auf alles verzichtet, was den bürgerlichen Monopolvertretern wehtun könnte. Siehe „Aufstehen gegen Rassismus“.

Ich habe Hochachtung vor den EU-Wahlkampf-Aktivitäten der Genossinnen und Genossen, muss jedoch sagen, dass sie ohne eine konsequente klassenmäßige antimonopolistische Strategie der Gesamtpartei wirkungslos bleiben müssen. Und die besteht nicht darin, die bürgerliche Demokratie alias Klassenherrschaft des Monopolkapitals zu schützen, sondern unsere (!) demokratischen Errungenschaften gegen ihre Zerstörung durch das Monopolkapital und seine bürgerlichen (!) Politiker zu verteidigen. Und nicht darin, die von Deklassierung und sozialem Absturz Bedrohten/Betroffenen von uns zu weisen, wenn sie von faschistischen Sündenbockangeboten verführt werden, sondern mit ihnen zusammen gegen die Ursache, die rabiate Durchsetzung monopolkapitalistischer Profitmaximierung, anzugehen. Auch nicht darin, unter der (richtigen) Idee der Einheitsgewerkschaft alle sozialdemokratischen Versuche der Konfliktdämpfung, der Integration, der sozialpartnerschaftlichen Mitgestaltung monopolistischer (Miss-)Wirtschaft und der ökonomistischen Beschränkung auf Löhne und Arbeitsbedingungen mitzutragen. Ebenso wenig darin, eine klare Analyse des Imperialismus durch das schwammige Modewort „Multipolare Welt“ zu umgehen oder gar Russland und China ohne Analyse, Diskussion und Begründung zu objektiv antiimperialistischen Mächten zu erklären. Und schon gar nicht darin, unter dem Motto „Nationale Souveränität“ die Illusion von Friedensfähigkeit bei fortdauernder Monopolherrschaft in der BRD zu nähren, was nolens volens darauf hinausläuft, deren Handlungsspielräume gegenüber dem US-Imperialismus zu vergrößern. AMS geht anders!

Wir müssen wieder lernen, mit konsequent antimonopolistischer Stoßrichtung um unsere Tagesinteressen wie um unsere sozialistische Perspektive zu kämpfen und dabei die Einsicht fördern, dass nur die revolutionäre Aufhebung der Monopolherrschaft dauerhaften Erfolg sichern kann. Sonst bleiben wir, als was uns die Menschen – wie das Wahlergebnis anzeigt – wahrnehmen: verzichtbar. Und siechen weiter unserem Ende entgegen.

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"Dabei sein ist nicht alles", UZ vom 9. August 2019



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