NATO-Medien als Antreiber der Eskalationsspirale

Der Druck auf die SPD wird erhöht

Kolumne

Ein „Faktenchecker“ von t-online befand am 29. Januar: „Schwesig hat ein Nord-Stream-2-Geheimnis und traf sich mit Schröder“. Am 31. Januar schwor Lars Klingbeil verschiedene SPD-Politiker auf die Formel ein: „Der Russe eskaliert – wir halten alle Optionen auf dem Tisch, auch das Aus für Nord Stream 2“. Die FAZ vom 1. Februar schrieb: „Manuela Schwesig wird zum Problem für die SPD.“ Die NDR-Webseite titelte am selben Tag: „Ukraine-Krise: Rückt Schwesig vom SPD-Kurs ab?“ Sie habe im Interview „trotz der verbal vorgetragenen Unterstützung für Klingbeil vermied(en), dessen Kernaussage zu Russland als Verursacher der Eskalation und zu den sogenannten ‚Optionen‘ zu wiederholen“. Der NDR zitierte den mecklenburgischen CDU-Parlamentarier Sebastian Ehlers, der Schwesig auf Twitter zum „Team Putin“ zählte.

Schwesig machte nie ein Hehl aus ihrem Einsatz für die Gaspipeline Nord Stream 2. Seit Langem plädierte sie im wohlverstandenen deutschen Interesse und im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern für das Projekt. Ihre Hartnäckigkeit stört jene, die schon immer gegen Nord Stream 2 waren und die zurzeit die von Washington behauptete Bedrohung der Ukraine zum großen Schlag gegen das Projekt nutzen. Gegen diesen Druck wirkt Schwesig in den Worten des Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, als „Fels in der Brandung“. Für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 votiert in Umfragen die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung. 67 Prozent waren es im Januar 2022.

Beate Landefeld
Beate Landefeld

Es geht um Geopolitik, um die Machtverhältnisse auf dem europäischen Energiemarkt und um die künftige deutsche Ostpolitik. Geopolitisch setzen die USA ihre Strategie der Einkreisung und Schädigung Russlands fort, um das Land zu schwächen und als Faktor auf dem europäischen Kontinent lahmzulegen. Energiepolitisch soll Nord Stream 2 sofort blockiert werden und die EU künftig statt Russland-Gas US-Frackinggas beziehen. In der deutschen Ostpolitik sollen jene Stimmen in der SPD, die mehr auf Deeskalation und Kooperation mit Russland setzen wollen, im Keim erstickt werden. Solche Stimmen werden des „Verrats“ verdächtigt. Dazu halluziniert ein Teil der Medien ein „Schröder-Putin-Netzwerk“ herbei, unter dessen Einfluss die Regierungspartei SPD zum „Unsicherheitsfaktor“ für das Land werde.

Die Linie Merkel-Scholz war, Nord Stream 2 als „wirtschaftliches Projekt“ möglichst aus der Politik herauszuhalten. Um den US-Sanktionsdruck zu mildern, handelte Merkel 2021 mit Biden einen Kompromiss aus, der mehr Hilfen für die Ukraine und für Nord Stream 2 einen „Notabschalter“ vorsah. Den „Notabschalter“ wollen die eifrigsten Transatlantiker nun im Voraus betätigen. Dafür nutzen sie die Kriegshysterie um die Ukraine als Kulisse. Diese Kulisse schadet laut Präsident Selenski allerdings auch der ukrainischen Wirtschaft, aus der Investoren bereits fliehen. Auch bei uns fördert die Hysterie den Preisauftrieb zu Lasten der Bevölkerung.

Laut BDI-Präsident Russwurm hängt die deutsche Energieversorgung „nicht an einer einzelnen Pipeline, auch nicht an Nord Stream 2“. Er fügte hinzu, Deutschland beziehe mehr als 50 Prozent seines Gases aus Russland und es „wäre sicherlich nicht leicht, diesen Anteil kurzfristig komplett oder zu großen Teilen zu ersetzen“. Anders als der Ostausschuss des BDI mit seiner Nähe zum Energiesektor deutet Russwurm damit an, dass der BDI sich auf eine Eskalation einstellen könne. Am Ende fügt sich „die Wirtschaft“ wie bisher dem „Primat der Politik“ des NATO-Bündnisses.

Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die die Reduzierung der Außenpolitik auf Sanktionen als Sackgasse erkennen und mehr Entspannungspolitik wollen, müssen die Friedensbewegung stärken. Eine andere verlässliche Perspektive existiert nicht.

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Über die Autorin

Beate Landefeld (Jahrgang 1944) ist Hotelfachfrau und Autorin.

Landefeld studierte ab 1968 Literaturwissenschaft und Soziologie an der Universität Hamburg, war Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses, Mitbegründerin des MSB Spartakus. 1971-1990 war sie im Parteivorstand der DKP, 1977-1979 Bundesvorsitzende des MSB Spartakus, später auf Bezirks- und Bundesebene Funktionärin der DKP.

Landefeld ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter. 2017 veröffentlichte sie bei PapyRossa in der Reihe Basiswissen das Buch „Revolution“.

Für die UZ schreibt Landefeld eine monatliche Kolumne.

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"Der Druck auf die SPD wird erhöht", UZ vom 11. Februar 2022



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