Höchste Zeit für konkrete ökologische Forderungen – Kolumne von Lucas Zeise

Der „Green ‚New‘ Deal“

Wunderbar, diese jungen Menschen von „Fridays for Future“! Da sollten wir hingehen und ihnen unsere Standpunkte erläutern. „Keinesfalls aber im belehrenden Tonfall“, wurden wir Genossinnen und Genossen während der Mitgliederversammlung von einem erfahrenen Parteimitglied in durchaus belehrendem Tonfall instruiert. Über welche Standpunkte soll ich die f4f-Jugend denn auch belehren, fragte ich mich. Welche Erkenntnisse haben wir Kommunisten denn in Sachen Ökologie und Klima zu bieten?

Dass schon Friedrich Engels gesagt hat, wir Menschen sollten uns nicht zu sehr unserer Siege über die Natur rühmen, denn für jeden dieser Siege räche sie sich an uns, ist vielleicht nicht überall bekannt. Die Erkenntnis selbst allerdings ist bereits weit verbreitet. Dass die DKP in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts aktiv an den Kämpfen für Ökologie und Umweltschutz teilgenommen hat, wie man das auch immer wieder in dieser Zeitung lesen kann, ist den f4f-Jugendbewegten wahrscheinlich nicht geläufig. Es hülfe ihnen aber, wenn sie es wüssten, auch nicht weiter.

Lucas Zeise
Lucas Zeise

„Kapitalismus abschaffen!“ ist eine bei den Veranstaltungen und Demos der f4f-Bewegung durchaus zu hörende Parole. Das mag wie Musik in unseren Ohren klingen, aber es bleibt ebenso folgenlos und nutzlos, wie wenn ich die zwei Wörter unter der Dusche vor mich hin singe. Für Antikapitalisten der belanglosen Sorte ist bei f4f allemal Platz. Als die Umweltschützer vor 40 oder 50 Jahren langsam mehr wurden, haben unsere Genossinnen und Genossen diese „Bewegung“ als klassenmäßig gemischten Haufen eingeschätzt. Natürlich mischt auch das Finanzkapital dabei mit. Bei den früher friedensfreundlichen und demokratisch gesinnten „Grünen“ hat es sich mittlerweile zum eindeutig bestimmenden Element entwickelt. Dass Kapitalisten mit konkreten und kurzfristigen Interessen, aber auch solche mit strategischen langfristigen bei f4f & Co. mitmischen, mitfinanzieren und mitorganisieren, ist uns mittlerweile klargeworden.

Unser Misstrauen gegen die professionell von Medien, PR-Agenturen und Politik verbreitete Botschaft von der drohenden Klimakatastrophe ist groß. Aber die Katas­trophenthese überrascht uns nicht. Nach 300 Jahren Kapitalismus halten wir es für mehr als plausibel, dass die Ausbeutung der Natur so weit fortgeschritten ist, dass sie für das Weiterleben der Menschen zur Gefahr wird. Sie deckt sich mit unserer Auffassung, dass nur in der nachkapitalistischen Produktionsweise, im Sozialismus, ein einigermaßen stabiles und nachhaltiges Gleichgewicht im Stoffwechsel der Menschheit mit der Natur möglich (aber keineswegs garantiert) ist.

Mit dieser Botschaft allein aber bleiben wir so belanglos wie die antikapitalistischen Phrasendrescher (siehe oben). Unsere Partei ist aufgefordert, für den Umweltschutz „stärker in die aktuellen Auseinandersetzungen einzugreifen“, formulierte 1988 der 8. Parteitag der DKP. Aber wie und mit welchen Forderungen? Die Frage stellt sich heute insofern anders als vor 32 Jahren, weil das Finanzkapital und seine Regierungen sich die Rettung des Planeten hochoffiziell in internationalen Konferenzen und nationalen Programmen scheinbar zu eigen gemacht haben. Die Kapitalisten sind auf breiter Front mit einem „Green ‚New‘ Deal“ dabei, das Ausbeutungssystem so umzugestalten, dass einerseits einige Umweltkatastrophen vermieden werden, andererseits aber für einige von ihnen und auf Kosten der Vielen erhebliche neue Renditeobjekte und Gewinne abfallen.

Unsere Partei ist dementsprechend aufgefordert, konkret zu werden. Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass und wie „marktwirtschaftliche Lösungen“ den ökonomisch Mächtigen nutzen und erhöhte Abgaben auf Massenverbrauchsgüter die staatlich organisierte Umverteilung von Arm zu Reich verstärken. Abwehrforderungen reichen aber nicht aus. Vielmehr sollten wir offensiv fordern, alle Steuern und Subventionen abzuschaffen, welche Produktion und Absatz besonders umweltschädlicher Produkte fördern: Für den in Deutschland besonders wichtigen und besonders umweltschädlichen Verkehrssektor heißt das Abschaffung der Steuerfreiheit für Flugbenzin, Abschaffung des Dienstwagenprivilegs und Einstellung der Subventionen für Elektroautos und ihre Infrastruktur.

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"Der „Green ‚New‘ Deal“", UZ vom 24. Januar 2020



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