In seinem Workshop „Deutsche Hochrüstung und US-Raketenstationierung“ auf dem 32. Bundesweiten Friedensratschlag in Kassel am 8. November legte der Berliner Friedensforscher Lühr Henken dar, wie absurd die Bundesregierung Deutschland hochrüsten will, wie deutlich alleine die europäischen NATO-Mitglieder heute schon Russland militärisch überlegen sind und wie gefährlich die Stationierung neuartiger US-Mittelstreckenraketen in der BRD ist. Wir dokumentieren sein Referat in voller Länge:
Wenn sich Bundeswehr und NATO mit ihren Aufrüstungsplanungen durchsetzen – und nichts deutet bisher darauf hin, dass das anders wäre – stehen wir am Beginn einer neuen Epoche, die vergleichbar ist mit der Wiederbewaffnung Deutschlands ab Mitte der 1950er Jahre. Hinzu kommt die Bewaffnung NATO-Europas. Damals wie heute sind die westlichen Aufrüstungsvorhaben gegen Moskau gerichtet – damals gegen die Sowjetunion, heute gegen Russland. Im Folgenden wird gezeigt, welche Dimensionen diese Hochrüstung anzunehmen droht, und dass die Begründung dafür auf Lügen fußt. Auch die Raketenstationierung hat Parallelen zur Zeit Anfang der 1980er Jahre. Heute wie damals geht es um Erstschlags- und Enthauptungsschlagwaffen, die gegen Moskau gerichtet sind.
Seit 2014 fahren die Bundesregierungen die deutschen Militärausgaben höher und höher. Betrugen sie 2014 noch knapp 35 Milliarden Euro, so rechnete die Bundesregierung 2024 schon knapp 87 Milliarden Euro bei der NATO ab. Das bedeutete letztes Jahr ein Anteil von 2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Der NATO-Gipfel im Juni beschloss, bis 2035 die Ausgaben der europäischen NATO-Mitglieder auf 5 Prozent des BIP hochzufahren.
Verbunden damit kündigte Kanzler Friedrich Merz an, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas ausbauen und in der EU die Führung übernehmen zu wollen. Das sind wieder großdeutsche Töne, wie wir sie schon mindestens zwei mal aus der deutschen Geschichte kennen und wissen, wie so etwas endet. Als Etappenziel auf dem Weg zum 5-Prozent-Ziel soll 2029 die deutsche Quote auf 3,5 Prozent ansteigen.
Schon Kanzler Scholz schmiss im Februar 2022 den Turbo an und wurde vom Bundestag ermächtigt, 100 Milliarden Euro Kredite außerhalb des Haushalts aufzunehmen, um davon Waffen für die Bundeswehr und die Ukraine zu kaufen. Der Topf wird aber Ende 2027 leer sein.
Die neuen Bundestagsbeschlüsse sprengen nun alle Dimensionen. Schulden für Bundeswehr und die Ukraine können danach in Höhe und Zeitdauer unbegrenzt gemacht werden. Ausgaben in Höhe von 1 Prozent des BIP kommen aus dem regulären Haushalt, alles andere ist auf Pump. Zusätzlich können für militärisch nutzbare Infrastrukturbauten wie Straßen, Schienen und Häfen zwölf Jahre lang bis zu insgesamt 300 Milliarden Euro aufgenommen werden. Wenn 2035 der 5-Prozent-Anteil erreicht ist, werden 3,5 Prozent rein militärisch verwendet, 1,5 Prozent kommt aus dem Infrastrukturfonds. Ein Fünftel dieser 5 Prozent kommt aus dem Bundeshaushalt. Vier Fünftel sind Kredite, also Schulden.
Verdreifachung der Militärausgaben bis 2035
Die Regierungsplanungen sehen konkret einen rasanten Anstieg der deutschen Militärausgaben vor. Von in diesem Jahr voraussichtlich 95, im nächsten 123 Milliarden, 2027 knapp 130, 2028 145 und 2029 162 Milliarden Euro. Anhand offizieller Zahlen kommen wir 2035 bei 5 Prozent auf circa 230 Milliarden Euro, ohne Inflation. Mit Inflation – und die werden wir haben – auf unfassbare 314 Milliarden Euro (!). Davon sind 250 Milliarden Kredite. Die 314 Milliarden Euro sind das Neunfache der Ausgaben von 2014. Das bedeutet: In den nächsten zehn Jahren sollen sie sich mehr als verdreifachen. Deutschland wird spätestens dann der militärpolitische Gorilla in EU und NATO-Europa sein.
Schulden, Schulden, Schulden
Die bis dahin aufgetürmten Schulden für militärische Zwecke werden sich auf exorbitant hohe 1.547 Milliarden Euro summieren. Die Staatsschuldenquote von zurzeit 62 Prozent wird, so hat es die Commerzbank berechnet, 2035 auf 92 Prozent ansteigen. Aus 2,7 Billionen Euro Schulden werden dann 5,7 Billionen Euro.
Schulden müssen mit Zinsen zurückgezahlt werden. Wie funktioniert das? Der Bund holt sich das Geld auf dem Kapitalmarkt, in dem er Anleihen mit verschiedenen Laufzeiten ausgibt. Die Laufzeiten liegen zwischen 2 und 30 Jahren. Der Kunde erhält jährlich auf das geliehene Geld Zinsen, und am Ende der Laufzeit sein eingangs gezahltes Geld zum Nennwert zurück. Schon heute weiß man, dass sich die Zinslast des Bundes von 30 Milliarden im letzten Jahr auf 61,9 Milliarden Euro im Jahr 2029 mehr als verdoppeln wird. Die Zinsen werden aus dem regulären Bundeshaushalt bezahlt, blockieren damit also Zahlungen für Soziales. Ab 2030, so steht zu befürchten, wird die Zinslast rasant steigen. Berechnungen der Commerzbank führen 2035 die Zinslast auf einen Wert von 170 Milliarden Euro, die aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden müssen. Das bedeutet, der Anteil der Zinslast am Bundeshaushalt steigt von 6,5 Prozent in diesem Jahr auf 20 bis 25 Prozent im Jahr 2035. Darum geht es, wenn von Sozialabbau und sozialem Kahlschlag die Rede ist.
EU öffnet Schatulle für Aufrüstung
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte schon im März Vorschläge, welche Unterstützung die EU zur Bewältigung der Ausgabenflut für das Militär leisten könnte. „Rearm Europe“, so ihr Motto: Europa remilitarisieren. Die EU-Regierungschefs folgten ihr. Neun so genannte Fähigkeitslücken, die sie zusammen mit der NATO festgestellt hat, sollen bis 2030 geschlossen werden. Die Staaten bilden dafür so genannte Fähigkeitskoalitionen, um gemeinsame Beschaffungsvorhaben voranzubringen. Auffällig ist, dass Deutschland sich dabei ganz besonders hervortut, getreu der Vorgabe, in der EU die Führung übernehmen zu wollen: „Es will gleich fünf Koalitionen anführen, mit ein bis drei weiteren Partnern.“ Die Finanzierung wird von der EU unterstützt. Worum geht es dabei? Die EU-Mitglieder werden für vier Jahre von der EU-Schuldenbremse ausgenommen, damit sie bis zu 650 Milliarden Euro frei ausgeben können. Zusätzlich soll ein Fonds, „SAFE“ genannt, im Umfang von 150 Milliarden Euro aufgelegt werden, der durch den EU-Haushalt gesichert wird. Macht zusammen maximal 800 Milliarden Euro bis 2030.
NATO-Europa zwingt Russland Wettrüsten auf
Die europäischen Militärausgaben richten sich bekanntlich gegen Russland. Wie viel gibt Russland für sein Militär aus, und wie viel die europäischen NATO-Staaten? 2024 gaben die europäischen Mitgliedsstaaten der NATO zusammen 484 Milliarden Dollar für das Militär aus. Das waren rund 2 Prozent ihres BIP. 2035 kommen wir dann bei 5 Prozent nominal auf etwa 1.560 Milliarden Dollar. Um diese mit Russland vergleichen zu können, benötigen wir die kaufkraftbereinigten Werte. Für die europäischen NATO-Staaten errechnen sich für 2035 2.330 Milliarden Dollar. Die russischen Militärausgaben lagen letztes Jahr kaufkraftbereinigt bei 462 Milliarden Dollar. Würden die europäischen NATO-Staaten die Aufrüstung durchziehen und Russland sie einfrieren, wären die europäischen fünfmal so hoch wie die russischen. Das ist ein gewaltiger Unterschied! Russland käme gewaltig unter Druck und würde sich gezwungen sehen, seine Ausgaben ebenfalls zu steigern, um sich der Erpressbarkeit allein durch die europäischen NATO-Staaten zu entziehen. Der Verdacht drängt sich auf, dass Russland – analog zum Kalten Krieg – in ein ruinöses Wettrüsten gezwungen werden soll, an dessen Ende womöglich sein wirtschaftlicher Zusammenbruch stünde. Die westliche Hoffnung dahinter: Aufstände in Russland würden eine neue, westlich orientierte Regierung hervorbringen. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich die europäischen NATO-Staaten solche Militärausgaben viel eher leisten könnten als Russland, denn die geballte Kraft ihrer Ökonomien ist etwa sieben Mal höher als die Russlands.
NATO-Europa schon jetzt stärker als Russland
Als Begründung für den Hochrüstungskurs wird systematisch die Angst vor einem Angriff Russlands auf NATO-Gebiet geschürt. Die Geschichte dazu ist schnell erzählt. Unterstellt wird, dass nach dem Ende des Ukraine-Kriegs Russland unverändert weiter rüsten würde. Da es diese neuen Waffen dann nicht im Krieg verbrauche, könnte es beispielsweise Staaten im Baltikum bedrohen oder gar angreifen. Davon müsse Russland durch Aufrüstung Deutschlands und Europas abgeschreckt werden. Diese Abschreckung müsse Europa alleine gestalten, weil auf die US-Regierung unter Trump kaum Verlass sei. Deutschland müsse 2029 „kriegstüchtig“ sein, fordern Boris Pistorius und sein Generalinspekteur Carsten Breuer. Also in vier Jahren. Andere meinen, ein Angriff wäre auch schon in zwei Jahren möglich.
Dieses NATO-Narrativ ist ohne Beleg und gründet auf einseitigen Interpretationen. Gegen einen Angriff Russlands auf NATO-Gebiet sprechen die Atomkriegsgefahr und das Faktum, dass alleine die europäischen NATO-Staaten heute schon über mehr Soldaten und Militärgerät verfügen als Russland. Versteckt in einem längeren Aufsatz, kam selbst die „Neue Zürcher Zeitung“ nicht umhin, zu bestätigen, dass Russland schlicht die Ressourcen für einen Angriff auf ein NATO-Land fehlen: „Der militärische Vergleich zu Russland fällt schon unter den heutigen Umständen zugunsten Europas aus. Die mobilisierbaren Kräfte sind dreieinhalbmal so gross wie die Russlands. Die Truppenstärke ist schon jetzt höher. Mit Ausnahme von Atomwaffen hat Europa gegenwärtig ein Übergewicht an Militärgerät: zweifach bei den Flugzeugen, dreifach bei Panzern, um nur zwei Beispiele zu nennen. (…) Für einen konventionellen Angriff wird geschätzt, dass der Angreifer mindestens ein dreifaches Übergewicht haben muss, über das Russland nicht verfügt. Ein militärischer Überfall auf die NATO wäre für Russland schon jetzt Selbstmord.“
Diese Kräfteverhältnisse wurden auch von Greenpeace in einer Studie von November 2024 bestätigt.
Das führt mich zu dem Schluss: Die Aufrüstung der NATO in Europa ist überflüssig. Sie ist schlicht rausgeschmissenes Geld und muss gestoppt werden.
Bedrohungslüge
Damit sich eine solch naheliegende Erkenntnis nicht ausbreitet, versucht Generalinspekteur Breuer seit über einem Jahr, mit immer derselben Behauptung der Bevölkerung die Gefährlichkeit Russlands nahezubringen. Er behauptet, angeblich stelle Russland pro Jahr 1.500 Kampfpanzer her. Zur Gegenüberstellung sagt er, die fünf größten NATO-Länder Europas verfügten lediglich über 750 Kampfpanzer. Das belege die russische Bedrohung. Entrinnen könnten wir der nur durch angestrengte Aufrüstung. Das wird als alternativlos hingestellt.
Breuers Geheimnis bleibt allerdings, weshalb sich bei einem Angriff Russlands nur fünf europäische NATO-Staaten dem entgegenstellen würden. Es gibt in Europa bekanntlich 30 NATO-Staaten, und die verfügen gesamthaft über 6.748 Kampfpanzer. Nach der Dreifachregel, eben aus der NZZ zitiert, müsste Russland dreimal so viele Kampfpanzer aufbieten wie diese 6.748 der europäischen NATO-Staaten. Das wären 20.200. Russland hat aber zurzeit nur 5.800, inklusive Reserve. Das heißt: Russland müsste 14.400 Panzer produzieren. Schafft es pro Jahr, wie Breuer behauptet, 1.500, bräuchte es für eine dreifache Überlegenheit etwa zehn Jahre und nicht vier.
Niemand weiß, ob die Zahl 1.500 tatsächlich stimmt. Frankreichs Präsident Macron geht offensichtlich von einer viel niedrigeren Produktionszahl Russlands aus. Der Beleg: Am 5. März versuchte er seinen Landsleuten die Angst vor Russlands Aufrüstung via TV ins Wohnzimmer zu tragen. In seiner Rede an die Nation sagte Macron, Russland plane bis 2030 folgendes: „Statt der aktuell 4.000 Panzer will der Kreml (…) dann 7.000 einsatzbereit haben.“ Das heißt doch in fünf Jahren ein Plus von 3.000 Panzern. 3.000 in fünf Jahren bedeuten einen jährlichen Zuwachs russischer Panzer um 600. Und nicht um 1.500, wie bei Breuer. Da staunt man nicht schlecht: Denn das ist nur 40 Prozent des Produktionstempos, das Breuer den Russen unterstellt. Wer hat nun recht, der Präsident Frankreichs oder der führende deutsche Militär? Wäre es Macron, würde sich die angenommene russische Produktionszeit von mehr als 10 Jahren auf 24 Jahre verlängern. Die beiden Zahlen klaffen weit auseinander. Dieser Wirrwarr zeigt, dass der NATO offenbar überhaupt keine fundierte Analyse über die angebliche Bedrohung durch Russland vorliegt. Eines ist bei diesen widersprüchlichen Zahlen gewiss: In vier Jahren steht der Russe nicht in unserem Vorgarten. Es stellt sich ohnehin die Grundfrage: Welches Interesse sollte Russland haben, die NATO anzugreifen?
Dieses Wirrwarr wird noch getoppt durch einen Bericht, der Mitte Oktober bei „t-online“ erschien. Dieses Portal wirbt eigentlich rund um die Uhr für die Unterstützung der Ukraine im Krieg. Die Überschrift geht auch in diese Richtung: „Russland erhöht Panzerproduktion massiv: Neue Strategie bis 2036. Zuwachs von 80 Prozent.“ Sollte uns in Europa etwa doch durch hohe Produktionszahlen von Kampfpanzern ein Angriff Russlands drohen?
Der Text referiert eine Untersuchung von angeblich geleakten Originaldokumenten aus Russlands größter Panzerfabrik Uralwagonsawod aus dem Sommer dieses Jahres. Ergebnis: Von 2027 bis 2036 wird Russland 2.646 neue Kampfpanzer herstellen. Das heißt: in diesen zehn Jahren durchschnittlich pro Jahr 265 – und nicht 1.500.
Die „Plus 80 Prozent“ aus der Überschrift bezogen sich auf die Produktionszahlen von 240 im Jahr 2024 im Vergleich zu 428 im Jahr 2028, dem höchsten Produktionswert in den kommenden zehn Jahren. Danach liegen die Zahlen knapp über 100 pro Jahr. Die „t-online“-Überschrift sendet ein bedrohliches Signal. In Wirklichkeit bleibt die Produktion auf dem Niveau von 2024. Das nennt man Irreführung der Öffentlichkeit.
In einer Analyse der Oktober-Ausgabe der Militärzeitschrift „Europäische Sicherheit und Technik“ prognostiziert der Autor, dass die russischen Depotbestände an Kampfpanzern und gepanzerten Gefechtsfahrzeugen Anfang nächsten Jahres aufgebraucht sein werden. Folglich müssten künftig Kampfpanzer komplett neu hergestellt werden. Er schreibt: „Mit dem Aufbrauchen der alten Sowjetbestände an Großgerät werden auch die jährlichen Produktionsraten sinken. Schätzungen zufolge auf nur noch 200 Kampfpanzer jährlich.“ Das bestätigt die Analyse von eben nochmal markant.
Eine russische Aufrüstung, um Europa herauszufordern oder anzugreifen, lässt sich aus alldem wahrlich nicht ableiten. Schon gar nicht, wenn man die von Russland geplanten Militärausgaben des nächsten Jahres berücksichtigt. Sie sinken um 6,7 Prozent. Nochmal: Die Behauptung, Russland würde uns angreifen wollen, hat keine materielle Grundlage. Sie ist eine Lüge.
Wie dem auch sei: Die NATO-Weichen sind auf Aufrüstung gestellt.
Kaltstartfähigkeit und Truppenaufwuchs
Die Bundeswehr strafft und vereinheitlicht ihre Führungs- und Kommandostruktur und schafft neben Heer, Luftwaffe und Marine mit dem „Cyber- und Informationsraum“ (CIR) eine vierte Teilstreitkraft. Sie beabsichtigt zudem die Militarisierung des Weltraums. Ziel der Maßnahmen ist es, sie in all ihren Komponenten auf eine so genannte Kaltstartfähigkeit hochzurüsten. Die von Deutschland mitgetragenen NATO-Vorgaben bedeuten beispielsweise für das Heer, das seine Kampfkraft von 2018 bis 2035 verfünffacht wird.
Folglich müssen noch mehr Soldaten her. Bis 2031 soll die Zahl der aktiven Soldaten von derzeit 183.000 auf 260.000 und die der Reservisten von 55.000 auf 200.000 wachsen. Pistorius und Breuer wollen die Truppe also auf 460.000 Mann mehr als verdoppeln. Die zusätzlich 77.000 aktiven Soldaten und 145.000 Reservisten sollen durch ein neues Wehrdienstmodell gewonnen werden. Vorläufig gilt dafür Freiwilligkeit. Die Betonung liegt auf „vorläufig“, denn das Drängen auf Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wird immer heftiger.
Die NATO hat in ihrem „New Force Model“ zeitliche Wegmarken für die Aufrüstung gesetzt. Ihre Schnelle Eingreiftruppe wächst von circa 30.000 auf 100.000 Soldaten an, in diesem Jahr. Für 2027 haben die Staaten zugesagt, dafür 500.000 Soldaten bereitzustellen, die binnen 10 bis 30 Tagen kampfbereit sein sollen. Bis 2029 soll die schnelle Eingreiftruppe sogar auf 800.000 Soldaten aufgestockt werden. Die massiven Aufrüstungsmaßnahmen gen Osten sind bereits im Fluss. Es fehlt bisher nur das Geld dafür.
Die Bundeswehr rüstet entsprechend dieses NATO-Plans auf, um in diesem Jahr mit der 10. Panzerdivision aus Veitshöchheim (Bayern), in zwei Jahren mit der 1. Panzerdivision aus Oldenburg (Niedersachsen) und 2029 mit der Division Schnelle Kräfte aus Stadtallendorf (Hessen) Gewehr bei Fuß zu stehen.
Munition für fast 100 Milliarden Euro
Kommen wir zu den Kriegswaffenlieferungen an die Bundeswehr. Im Bundeshaushaltsplan 2026 tun sich hier ungeahnte Welten auf. In ihm werden so genannte Verpflichtungsermächtigungen von 2026 bis vermutlich 2041 aufgeführt. Was sind Verpflichtungsermächtigungen? Stimmt das Parlament Jahr für Jahr den Verpflichtungsermächtigungen zu, wird das Verteidigungsministerium über die Jahre hinweg jeweils ermächtigt, diese Ausgaben zu tätigen. Sie sind erforderlich, wenn Bestellungen über Kriegswaffen und Rüstungsgüter erst später geliefert werden. Beispielsweise gibt es mit Rheinmetall Rahmenverträge über Munition, die auf zehn Jahre abgeschlossen wurden.
Ein exorbitant hoher Posten ist die Beschaffung von Munition. Die Verpflichtungsermächtigungen addieren sich auf 92,075 Milliarden Euro bis 2041.
Wir gehen nun die einzelnen Teilstreitkräfte durch. Dabei geht es nicht um jede Waffe, sondern nur um die kostspieligsten Vorhaben und das alles sprengende Kostenniveau.
Deutsches Heer
Die Verpflichtungsermächtigungen summieren sich auf knapp 109 Milliarden Euro. Noch nicht darin enthalten sind 1.000 neue Kampfpanzer „Leopard 2“ und 2.500 gepanzerte Transportfahrzeuge „Boxer“, die bis 2035 gekauft werden sollen. Das würde deren Bestände im Vergleich zu heute in etwa verdreifachen beziehungsweise sogar versiebenfachen und circa 67 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Vor Kurzem wurde bekannt, dass zu den vorhandenen 400 Schützenpanzern „Puma“ noch knapp 700 hinzu kommen sollen. Kosten: circa 20 Milliarden Euro. Dagegen sind 561 Luftabwehrsysteme „Skyranger“ mit circa 9 Milliarden geradezu preiswert.
Darüber hinaus gibt es noch kostspieligere Heeresvorhaben.
Das auf einer Vereinbarung von Macron und Merkel im Jahr 2017 fußende Mega-Projekt MGCS, „Main Ground Battle System“, soll in den 2040er Jahren die „Leopard 2“- und „Leclerc“-Panzer ablösen. Es ist ein High-Tech-System, mit dem jede Panzerschlacht gewonnen werden soll. Aus dem deutsch-französischen Projekt werden die USA und ihre Firmen herausgehalten. An weltweite Umsätze von rund 100 Milliarden Euro wird gedacht.
Sache des Heeres ist auch die Nutzung von Kampf- und Kamikazedrohnen. KI-gesteuert sind sie kaum abfangbar. Pistorius kündigte an, „in den kommenden Jahren wird Deutschland (…) zehn Milliarden (Euro) für Drohnen aller Art, aller Höhen-, Angriffs- und Verteidigungsdrohnen – investieren“.
Auch das ist Sache des Heeres: Die Bundesregierung legt es darauf an, Russland weit im Hinterland mit Präzisionswaffen treffen zu können. „Deep Precision Strike“ heiß das im Militärjargon.
Enthauptungsschlag aus Deutschland
Schon Bundeskanzler Scholz verabredete am 10. Juli 2024 mit dem damaligen US-Präsidenten Biden, ab 2026 drei verschiedene US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland stationieren zu wollen.
Ein sehr bedrohlicher Umstand, der in der öffentlichen Wahrnehmung völlig unterbelichtet ist. Was ist das Spezifische an diesen drei Waffentypen?
Die Boden-Boden-Rakete „SM-6“ ist eine präzise ballistische Rakete mit einer maximalen Reichweite von 1.600 km. Der Marschflugkörper „Tomahawk“ fliegt maximal 2.500 km weit. Er ist äußerst schwer abzufangen, weil er den russischen Radarschirm unterfliegt. Von diesen Waffentypen könnten 80 bis 120 Flugkörper insgesamt nach Deutschland kommen, so Experten.
Die gefährlichste Waffe ist die dritte, die Hyperschallrakete „Dark Eagle“, die 3.700 km weit fliegt. Wie funktioniert sie? Während der Startphase, die eine bis 1,5 Minuten dauert, lösen sich die beiden Stufen der Rakete nacheinander und bringen den übrig gebliebenen Gleitkörper, einen Gefechtskopf mit herkömmlichem Sprengstoff, auf 17-fache Schallgeschwindigkeit. Dieser reitet gleichsam in nur schätzungsweise 60 bis 80 km Höhe in unberechenbaren Wellen. Er ist von russischen weitreichenden Frühwarnradaren und Satelliten nicht zu orten, sondern kann erst zwei bis drei Minuten vor dem präzisen Einschlag vom russischen Bodenradar erfasst werden – wenn überhaupt. Sie abzufangen, ist aufgrund der geringen Vorwarnzeit quasi unmöglich. Die Flugzeit von Süddeutschland, wo sie stationiert werden sollen, nach Moskau beträgt etwa zehn Minuten. Eine „Dark Eagle“ kostet 41 Millionen Dollar.
Für die USA ist „Dark Eagle“ eine strategische Angriffswaffe, die direkt ihrem Strategischen Kommando unterstellt ist, um mobile Kommandozentralen und mobile Raketenträger auszuschalten. Das gegenüber dem US-Kongress angegebene Ziel, damit auch so genannte zeitkritische Hochwertziele angreifen zu können, interpretieren Russland und China folgerichtig so: Sowohl der russische als auch der chinesische Präsident sehen in „Dark Eagle“ eine, wie sie sagen, Enthauptungsschlagwaffe.
Putin hat drei Tage vor dem Angriff auf die Ukraine öffentlich deutlich gemacht, welche Gefahren Russland bei einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine von dort drohen würden. Er sagte, die Flugzeit einer Hyperschallrakete aus dem Raum Charkow nach Moskau von vier bis fünf Minuten bedeute „das Messer am Hals“.
Zudem werden durch alle drei Waffentypen acht der zwölf Frühwarnradare Russlands, die den Anflug US-amerikanischer Interkontinentalraketen melden sollen, bedroht, ebenso zwei Drittel der russischen Interkontinentalraketen an Land.
Die US-Mittelstreckenwaffen bedrohen in Russland also zentrale strategische Ziele – und das von Deutschland aus. Denn nur hier werden sie stationiert. Und: Hier ist die Kommandozentrale. Das Oberkommando EUCOM ist in Stuttgart-Vaihingen. Das Kommando der Heereseinheit, die Multi-Domain-Task-Force, ist in Wiesbaden-Erbenheim. In Mainz-Kastel ist das Artilleriekommando, und die Kanoniere sind in Grafenwöhr. Dort, in Bayern, werden alle drei Waffentypen wohl stationiert werden. Zunächst ist von acht „Dark Eagle“ auf vier Lkw die Rede. Es können aber auch 32 „Dark Eagle“ sein, so Experten. Man weiß es nicht.
Multi-Domain-Task-Forces aus den USA
Die Funktion der Multi-Domain-Task-Force müssen wir uns genauer anschauen. Sie umfasst einen Waffenmix mit kürzeren, mittleren und langen Reichweiten. Insgesamt wollen die USA weltweit fünf solcher Multi-Domain-Task-Forces aufstellen. Eine ist im Nordwesten der USA, eine in Australien. Sie sind gegen China gerichtet. Die in Deutschland ist gegen Russland gerichtet, eine weitere wird noch gegen China und eine zur besonderen Verwendung aufgestellt werden. Sie sind zentrale Elemente eines Konzepts der Multi-Domain-Operations.
Dieses Konzept wird bereits seit 2017, zu Zeiten von Trumps erster Präsidentschaft, umgesetzt. Es ist also keine Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Seine Funktion: Es soll den Einsatz von Waffen mittels Künstlicher Intelligenz in allen Dimensionen der Kriegsführung massiv beschleunigen – in der Luft, auf dem Wasser, an Land, im Weltall und im Cyber-Raum. Ziel ist, in Russland und China so genannte Prioritätendilemmata zu erzeugen und sie militärisch ständig zu überfordern, sie also ständig in einen Alarmzustand zu versetzen. Dazu dienen KI und Hyperschallraketen. Das ist extrem gefährlich, weil Stress Fehlwahrnehmungen und Fehlverhalten fördert.
„Dark Eagle“ bedrohen uns
Die Aufstellung dieser US-Mittelstreckenwaffensysteme in Deutschland, die nur deshalb wieder aufgestellt werden dürfen, weil Trump 2019 den INF-Vertrag verließ, schafft für Russland existenzielle Probleme: Wenn es einen Enthauptungsschlag befürchten muss oder zentrale Elemente seiner nuklearen Zweitschlagskapazität und seiner Frühwarnsensorik bedroht sind, und das bei massiv verkürzten Vorwarnzeiten, könnte es insbesondere bei zunehmenden Spannungen für Russland eine Lösung sein, vorbeugend Deutschland anzugreifen – sprich, die eigenen Waffen abzufeuern, bevor diese von den Raketen aus Deutschland zerstört werden. Stuttgart und Wiesbaden wären dabei sicher vorrangige Ziele.
Der Angriff Russlands auf eine Rüstungsfabrik im ukrainischen Dnipro im November 24 mit „Oreschnik“, einer neuartigen, nicht abfangbaren hyperschallschnellen Rakete mit Mehrfachsprengköpfen, demonstrierte russische Möglichkeiten.
Ex-Kanzler Scholz und der damalige US-Präsident Biden behaupten, mit der Stationierung in Deutschland Russland von einem Angriff auf die NATO abzuschrecken, um dem Frieden näher zu kommen. Das ist verlogen und Quatsch. In Wirklichkeit wird das Gegenteil erreicht. Sie schrauben die Rüstungsspirale weiter in die Höhe und eskalieren die Aufrüstung.
Die Produktion der „Dark Eagle“ läuft im Rahmen eines US-Schnellbeschaffungsprozesses planmäßig. Die Flugzulassung der Rakete samt Gleitflugkörper soll nach Tests bis Ende des Jahres erfolgen. Der aktuelle Zeitplan sieht die Stationierung und die Einsatzbereitschaft der Batterie in Deutschland im Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2026 vor. Die Zeit ist knapp.
Deshalb ist der Berliner Appell nach wie vor dringend. Sein Kernsatz lautet: „Wir sagen Nein zur Aufstellung neuer US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland!“ Sammeln wir verstärkt Unterschriften! Ich hoffe, ihr seid dabei.
Europäische Mittelstreckenwaffen gen Moskau
Gleichzeitig mit der Absicht, hier US-Mittelstreckenwaffen stationieren zu wollen, verkündete Deutschland zusammen mit inzwischen fünf weiteren europäischen NATO-Staaten die Absicht, in die eigene Entwicklung von Mittelstreckenwaffen einzusteigen. Was es genau wird, ist noch unklar. Im Gespräch sind Hyperschallraketen, ballistische Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten jenseits von 2.000 km. Weil bis zur Realisierung dessen sicher noch ein Jahrzehnt vergehen wird, hat Verteidigungsminister Pistorius in den USA als Übergangslösung bereits eine Kaufanfrage nach Startgeräten des Typs „Typhon“ gestellt, von denen Marschflugkörper „Tomahawk“ und ballistische Raketen gestartet werden können.
Deutsche Luftwaffe
Auch hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Bis 2030 soll die Hälfte der Luftwaffe erneuert sein. Zusätzlich wurden 20 Eurofighter für 4 Milliarden Euro bestellt. Zudem werden 7,8 Milliarden Euro für 60 schwere Transporthubschrauber ausgegeben. 5 Milliarden Euro sind bisher für ein neues Luftverteidigungssystem ESSI vorgesehen.
Zur Aufrechterhaltung der „Nuklearen Teilhabe“ wurden 35 US-Atombomber des Typs „F-35“ bestellt, die ab 2027 ausgeliefert werden, und 2029 die erste Einsatzfähigkeit erreichen sollen (Kosten: circa 11 Milliarden Euro). Vor Kurzem wurde bekannt, dass Pistorius noch 15 „F-35“ zusätzlich in den USA bestellen will. Kosten: 2,5 Milliarden Euro.
Die in Büchel gelagerten atomaren 15 US-Freifallbomben sind in diesem Jahr möglicherweise bereits heimlich durch wesentlich präziser steuerbare Nachfolgemodelle des Typs „B61-12“ ersetzt worden. Diese können – und das ist von ganz besonderer Bedeutung – im Gegensatz zu den bisherigen Modellen „mehrere Meter in das Erdreich eindringen und somit (…) gezielt gegen tiefliegende Bunker eingesetzt werden.“ 15 „Eurofighter“ werden als Begleitflugzeuge für die US-Atombomber zur Unterdrückung der russischen Flugabwehr angeschafft. Sie werden ab 2029 erwartet.
Für die Luftwaffe summieren sich die Ausgaben laut Verpflichtungsermächtigungen von 2026 bis 2041 auf 63,64 Milliarden Euro.
Der Ausbau des „Taurus“-Bestands ist nicht inbegriffen. Die vorhandenen 600 „Taurus“-Marschflugkörper (Reichweite 700 bis 800 km) werden modernisiert und bis 2045 einsatzbereit gehalten. Bis zum Jahresende sollen 600 weitere „Taurus Neo“ für 2,37 Milliarden Euro bestellt werden.
Bis zum Jahresende soll die Entscheidung fallen, ob das zweite deutsch-französische Mega-Projekt FCAS aus der Zeit von Merkel und Macron fortgeführt wird. FCAS, das „Future Combat Air System“, soll ab 2040 als KI-unterstütztes Luftwaffensystem mit Kampfflugzeugen und Kampfdrohnen im Verbund mit Heeres- und Marineverbänden sowie Satelliten für weltweite europäische Luftüberlegenheit sorgen. Die Flugzeuge sind als Träger von Atombomben konzipiert. Seit geraumer Zeit wird von interessierter Seite die Debatte um eine europäische Atombombe forciert, an der auch Deutschland beteiligt sein soll. FCAS wird einzigartig teuer. Greenpeace errechnete die Gesamtkosten auf astronomische 1.100 bis 2.000 Milliarden Euro. Von den erwartbaren Kosten für FCAS sind bisher nur 2 Milliarden in den Verpflichtungsermächtigungen aufgeführt.
Deutsche Marine
Die Zahl der Fregatten, sie sind die größten deutschen Kampfschiffe, sollen von zurzeit elf auf 21 bis 2035 verdoppelt, ihre Tonnage sogar verdreifacht werden. Sie sind weltweit einsetzbar und erhalten die Fähigkeit des Schlags ins Landesinnere. Die Marine plant, dafür 400 Marschflugkörper „Tomahawk“ zu kaufen. Beispielsweise vom Rostocker Hafen aus ließe sich damit Moskau direkt beschießen.
Die Kosten werden unfassbar explodieren. Für die sechs neuen Fregatten der Klasse „F 126“ werden 10 Milliarden Euro angegeben. Der Preis für die darauffolgenden acht Fregatten des Typs „F 127“ geht absolut durch die Decke: 26,183 Milliarden Euro. Kurz gerechnet: Eines dieser Kriegsschiffe kostet demnach fast 3,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die 365 Meter lange „Icon of the Seas“, kostete 1,86 Milliarden Euro.
Die Ausgaben für die Aufrüstung der Marine mit Verpflichtungsermächtigungen bis 2041 summieren sich auf 56,68 Milliarden Euro. Die deutsche Marine ist schon jetzt die größte aller NATO-Anrainer der Ostsee. Die NATO-Überlegenheit dort gegenüber der russischen Marine ist groß. Bei hochseegängigen Kriegsschiffen 18 zu 8, und bei U-Booten 11 zu 1.
Deutschlands Aufrüstung zur See verdreifacht ab 2035 insgesamt die Zahl der Überwasserkampfschiffe, und die Zahl der U-Boote wird auf mindestens das Zweieinhalbfache anwachsen.
Militarisierung des Weltraums
Der Weltraum tauchte als Kampffeld der Bundeswehr Mitte letzten Jahres erstmals in den Mainstream-Medien auf. Der Kommandeur der Führungsakademie sagte: „Ohne Unterstützung aus dem Weltraum stünden wir auf verlorenem Posten.“ Zugleich sei der „Weltraum eine Art ‚Nervenzentrale‘ für Multi-Domain-Operations (MDO), also für die vernetzte Kriegsführung über alle Bereiche hinweg.“
Verteidigungsminister Pistorius kündigte an, bis 2030 35 Milliarden Euro für die Militarisierung des Weltraums ausgeben zu wollen.
Gigantomanie
Kommen wir zu einer Gesamtschau der gigantomanischen deutschen Beschaffungsausgaben. Zum bisher Aufgeführten kommen noch Beschaffungsausgaben für Fernmeldetechnik, Satelliten, Digitalisierung, Logistik und so weiter in Höhe von 94,3 Milliarden Euro hinzu. So landen wir bei Ausgaben für neue Waffen und Ausrüstung von insgesamt 416 Milliarden Euro in den Jahren 2026 bis 2041. Zu erwartende Preissteigerungen durch Inflation sind darin nicht inbegriffen. Allein damit kommen wir schon auf 26 Milliarden im Durchschnitt jedes Jahr. Zum Vergleich: 2014 waren es 4,5 Milliarden. Es soll also mindestens sechs mal soviel für neue Waffen und Ausrüstungen ausgegeben werden wie vor zehn Jahren.
Wir sehen uns einer allumfassenden Aufrüstung und damit einhergehenden Militarisierung der Gesellschaft ausgesetzt. Um nur drei Beispiele zu nennen: Mit der Verdopplung der Soldatenzahl der Bundeswehr droht die Einführung der Wehrpflicht. Mit der Hochrüstung droht der weitere Einzug von Militärforschung an Hochschulen, und mit dem drohenden Krieg die Militarisierung auch des Gesundheitswesens.
Die zentrale Lüge, die grundlegend ist für diese Militarisierung und Aufrüstung zum Großkrieg, ist das Mantra, dass Russland uns mit Krieg bedrohe. Das ist nicht der Fall. Es ist genau andersherum: Ein militärisch immer stärkeres Europa baut gegenüber Russland eine bedrohliche Übermacht auf. Es fordert die Atommacht Russland existenziell heraus. Dies setzt eine Eskalationsspirale in Gang, die Russland zu Gegenmaßnahmen provoziert, so dass wir nicht dem Frieden näher kommen, sondern die Kriegsgefahr in Europa steigt.
An Abrüstungsverhandlungen führt kein Weg vorbei
Dem kann nur durch Verhandlungen begegnet werden, sonst rasseln wir allesamt in einen Atomkrieg hinein. Die Konfliktlösung geht nur über Verhandlungen.
Die Gespräche über die Zukunft der Ukraine müssen mit Abrüstungsverhandlungen in Europa verknüpft werden. Mit einem Waffenstillstand allein ist es auf keinen Fall getan, sondern der muss mit Abrüstungsverhandlungen einhergehen. Abrüstungsverhandlungen, die nicht nur die Ukraine und Russland betreffen, sondern auch die NATO. Es müssen wie zu Zeiten des KSE-Vertrags Obergrenzen für schwere Waffensysteme verschiedenster Art ausgehandelt werden, die möglichst niedrig liegen. Es muss klar definierte Regionen diesseits und jenseits der Grenze zwischen Ost und West geben, in denen festgelegt wird, wie viele Soldaten und wie viel Kriegsgerät in diesen Regionen gelagert werden dürfen. Das muss gegenseitig lückenlos kontrolliert werden. Sonst lösen russische oder auch NATO-Truppenverschiebungen umgehend militärische Gegenmaßnahmen der anderen Seite aus, die wieder zu neuen Aufmärschen führen. Ich halte eine solche Übereinkunft für lebenswichtig.



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