Zwingen Verluste der Rüstungsindustrie zum Umdenken?

Ringtausch vorm Ende

Wochenlang waren die Medien voll vom Waffenringtausch. Offizielles Ziel war die „humane“ Unterstützung der ukrainischen Armee mit schweren Waffen, damit sich die Ukraine gegen den Angriff Russlands verteidigen beziehungsweise ihn zurückschlagen kann. Dazu sollten östliche NATO-Partner Waffen sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern, mit denen die Soldaten ohne Zusatzausbildung schießen können. Im Gegenzug sollten die östlichen NATO-Länder Ersatz von den NATO-Bündnispartnern wie Deutschland erhalten und moderne – also effizientere – Mordwaffen geliefert bekommen.

Als erstes Land hat sich jetzt Polen, enttäuscht von seinen westlichen Partnern, vom Ringtausch verabschiedet. Nachdem dieser mit Deutschland nicht klappen wollte, hat die polnische Regierung vergangene Woche Rahmenverträge mit Südkorea vereinbart: Mit rund tausend Kampfpanzern, etwa 650 Haubitzen und 48 Kampfflugzeugen macht die südkoreanische Rüstungsindustrie das Profitrennen. Damit ist die deutsche Rüstungsindustrie raus aus dem Mordsgeschäft, sagte Thomas Wiegold, Sicherheitsexperte vom Blog „Augen geradeaus“, gegenüber dem Fernsehsender „phoenix“.

Nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums sollen die ersten FA-50-Militärflugzeuge nächstes Jahr an Polen ausgeliefert werden. Sie sollen unter anderem die Mig-29-Jets sowjetischer Bauart ersetzen, die neben Kampfflugzeugen aus US-Produktion von der polnischen Luftwaffe eingesetzt werden. Der südkoreanische Rüstungskonzern Korea Aerospace Industries kündigte an, die Produktion der FA-50-Kampfjets schrittweise nach Polen zu verlagern. Der Konzern Hyundai Rotem liefert Polen Kampfpanzer vom Typ K2, in einem zweiten Schritt soll dann eine an die Bedürfnisse der polnischen Armee angepasste Version entwickelt werden. Ab 2026 soll die Produktion der Panzer vom Typ K2PL in Polen starten. Gleiches gilt für die K9-Haubitzen.

Ungehalten reagierte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf den polnischen Vorstoß. Sie wirft Polen überzogene Erwartungen beim vereinbarten Panzer-Ringtausch vor: „Wir können uns die gewünschten Panzer schließlich nicht aus den Rippen schneiden“, sagte Strack-Zimmermann der „Zeit“. Das wisse auch die polnische Regierung.

Mittlerweile hat Deutschland einige komplexe Waffensysteme, wie Panzerhaubitzen vom Typ 2.000 und Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard sowie die passende Munition, direkt an die Ukraine geliefert und versicherte, die ukrainische Armee könne nach kurzer Ausbildung damit umgehen. Zum Verdruss von Strack-Zimmermann hält sich die Bundesregierung weiter an die offizielle rote Linie des Westens: keine Kampfpanzer direkt an die Ukraine zu liefern. Folgt man der offiziellen Argumentation, erschließt sich einem aber nicht mehr, warum es mit Kampf- und Schützenpanzern nicht genauso funktionieren sollte. Eine mögliche Antwort liefert Erich Vad, Brigadegeneral a. D. und früherer Berater der Merkel-Regierung. Er spricht sich für das Ringtausch-Konzept aus, weil dadurch die Ukrainer schneller an Waffen kommen, die sie bedienen können. Die Forderung nach direkten Waffenlieferungen für die Ukraine nennt er jedoch „verantwortungslos“. Die Nachschublinien des Landes seien „unter Feuer“. Die Waffen, die bisher geliefert wurden, könnten den russischen Vormarsch zwar stoppen, aber keine Landgewinne ermöglichen. Die Bundeswehr selbst habe keine 200 moderne Panzer einsatzbereit, Die NATO-Eingreiftruppe fit zu machen und die NATO-Ostflanke zu stärken habe Priorität, so die Beschlüsse.

Vad wünscht sich, dass aus der deutschen Regierung nicht nur der Ruf nach schweren Waffen komme, sondern auch der Ruf nach Verhandlungen mit Russland. Der Konflikt könne nur politisch-diplomatisch eingefangen werden, so Vad. Im Getreideabkommen hätten die Russen gezeigt, dass sie verhandlungsbereit und verhandlungsfähig seien.

Unsere Autorin ist Ko-Sprecherin des Bundesausschusses Friedensratschlag. Anne Rieger kommt zum UZ-Pressefest und hält ein Grußwort im Rahmen des Antikriegsmeetings.

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"Ringtausch vorm Ende", UZ vom 5. August 2022



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