Nach der EU-Wahl sucht auch die CDU-Spitze nach einem Ausweg. Anfang Juni versuchte man auf einer Vorstandsklausur wieder „in die Spur“ zu kommen. Kritik an der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) soll es dabei angeblich nicht mehr gegeben haben. Neuwahlen will die CDU – derzeit – vermeiden.
Die „Süddeutsche Zeitung“ meint in diesem Zusammenhang, dass nach dem Rückzug von Andrea Nahles in der CDU niemand mehr ein Interesse habe, „die eigene Partei und ihre Vorsitzende ohne Not zu destabilisieren. Die CDU will jetzt den Eindruck erwecken, der Garant für Stabilität in Deutschland zu sein.“
Die CDU-Chefin war in der Öffentlichkeit, teilweise auch in der eigenen Partei, vor und nach den EU-Wahlen wegen der „verpatzten Kommunikation“ im Zusammenhang mit der Bewegung „Fridays for Future“, vor allem aber wegen des Umgangs mit dem YouTuber Rezo in die öffentliche Kritik geraten. Die ist bis heute nicht verstummt. Aber es geht ja dabei nicht nur um sie allein.
Ihr Verhalten ist Ausdruck der derzeitigen Situation der CDU. Die hat keine Antworten auf heute drängende Fragen. Nach der Klausur legte AKK noch einmal nach, behauptete, dass das Klimathema „die Gesellschaft spalten“ würde. Als hätten wir es nicht mit existentiellen Problemen zu tun. Angesichts des anhaltenden Höhenflugs der Grünen bemühte sie am Wochenende dann auch noch das linke „Schreckgespenst“. „Der Fall Bremen zeigt: Im Zweifel entscheiden sich die Grünen nicht für bürgerliche Politik, sondern für links. Wer von einer neuen Regierung träumt und Grün wählt, muss wissen, dass er mit der Linkspartei aufwachen kann.“
Am vergangenen Freitag verteidigte sie das durch den Bundestag „gepeitschte“ Paket an Migrationsgesetzen. Kramp-Karrenbauer sieht das als Ausweis der Handlungsfähigkeit der großen Koalition. Andere sehen in der Eile den Versuch, Handlungsfähigkeit vorzutäuschen. 21 Organisationen, unter ihnen auch „ProAsyl“, hatten sich in der vorigen Woche zudem mit einem Offenen Brief an den Bundestag gewandt. Darin wurde das Migrationspaket als „verfassungsrechtlich höchst bedenklich und menschenunwürdig“ bezeichnet.
AKK steht aber auch in der eigenen Partei unter Druck: Spekuliert wird, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet AKK „beerben“ könnte. Der scheint, wie die „FAZ“ meint, sich zumindest eine Kanzlerkandidatur offenzuhalten. Vor der Klausur der CDU-Parteiführung hatten sich aber auch die Rechtskonservativen in der Partei zu Wort gemeldet. Die wollen den ganzen Vorstand stürzen.
Der Vorsitzende der „WerteUnion“, Alexander Mitsch, sprach sich für einen kompletten Austausch der CDU-Spitze aus. Ein Politikwechsel sei „nur mit einer personellen Erneuerung im Kanzleramt und an der Parteispitze möglich“. Die CDU müsse jetzt „auf die Kompetenz von Friedrich Merz setzen, der unser Land und unsere Partei als Team-Captain aus der Misere der Großen Koalition führen kann“.
Mitsch traut Merz zu, dass er „die notwendige offensive Auseinandersetzung mit den grünen Ökopopulisten erfolgreich führt, notfalls auch in einer Minderheitsregierung“. Die CDU müsse jetzt – als Folgerung aus der Wahlniederlage – eine Politikwende einleiten.
Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin
Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.
Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.
Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.