Erklärung des Solikomitees #LasstLucaLehren zum Prozess gegen Luca S.

Dieses Berufsverbot richtet sich gegen uns alle

Solikomitee #LasstLucaLehren

Am 31. Januar 2024 wurde unser Freund, Kollege und Genosse Luca vom Frankfurter Landgericht zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Damit ist das Strafmaß im Vergleich zur ersten Instanz deutlich verschärft worden. Luca muss jetzt davon ausgehen, seine Ausbildung als Lehrer nicht zu Ende bringen zu können und de facto von einem Berufsverbot betroffen zu sein.

Da es die Staatsanwaltschaft war, die die Revision eingelegt hatte, war im Vorhinein klar, dass in dieser zweiten Instanz das Strafmaß gegen Luca nicht vermindert werden, geschweige denn ein Freispruch erlangt werden konnte. Die Gefahr eines Berufsverbotes für Luca hätte demnach durch die Gerichtsverhandlung nicht abgewendet werden können. Das verschärfte Urteil – von 90 Tagessätzen in der ersten Instanz auf sieben Monate auf Bewährung in der zweiten – hat die Situation für Luca jetzt noch komplizierter gemacht. Das Gericht machte von der ersten Minute der Verhandlung an deutlich, dass es über die öffentliche – demokratische – Aufmerksamkeit für den Prozess verärgert ist und eine Strafverschärfung anstrebt. Im Gerichtssaal wurde ausdrücklich nicht nur über eine Haftstrafe, sondern über ein anschließendes Berufsverbot verhandelt, also eine ungleich schwerere Strafe ohne Bewährung und mit lebenslanger Wirkung. Dazu kommt, dass Staatsanwaltschaft und Richter sich kaum Mühe machten, die politischen Beweggründe für diese doppelte Verurteilung zu kaschieren. So warf die Staatsanwaltschaft Luca vor, er habe auf der Demonstration ein rotes Halstuch getragen, „die Farbe totalitärer Regime im 20. Jahrhundert“, und konstruierte einen Bezug zum Fall eines Reichsbürgers, der einen Polizisten erschossen hatte. Der Richter erkundigte sich unverfroren nach den parteipolitischen Aktivitäten des Angeklagten und verwickelte ihn für die andernorts getätigte Aussage, er sähe sich von „staatlicher Repression“ betroffen, in ein Streitgespräch. Die Tatsache, dass Luca sich weigerte, ein Geständnis über die konstruierten Vorwürfe abzulegen, wurde straferschwerend ausgelegt.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass Luca für die Öffentlichkeit und die Solidarität, die sich zu seinem Fall entwickelte, bestraft werden soll. Auch, aber nicht nur deshalb lässt sich feststellen, dass es sich um einen politischen Prozess mit dem Ergebnis eines Ausbildungs- und Berufsverbotes handelt. Mit dem Urteil wird die Botschaft gesendet, dass eine Auflehnung gegen diesen Staat mit Härte verfolgt wird und dass derselbe Staat – in diesem Falle die Justiz – bereit ist, die eigenen Regeln zu verletzen, um politische Fundamentalopposition zu verfolgen.

Wir kennen Berufsverbote aus den 1970ern. Damals wurden etwa 3,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger durchleuchtet und 11.000 Verfahren eröffnet. Durch viel Solidarität und große politische Kampagnen konnte diese unsägliche Praxis beendet werden. Seit einigen Jahren häuft sich diese Praxis wieder: Michael Csaszkóczy und Kerem Schamberger waren nur die bekanntesten Fälle. Und jetzt Luca. Berufsverbote sind eine existenzielle Bedrohung für die Betroffenen. Sie richten sich darüber hinaus gegen alle demokratischen Kräfte, insbesondere gegen Linke, Sozialisten, Kommunisten, gegen alle politisch in diesem Sinne aktiven Menschen. Berufsverbote sollen einschüchtern. Sie sollen Angst machen, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und aufzubegehren. Sie passen in eine Zeit, in der Wenige immer reicher und Viele immer ärmer werden, in der die Rüstungsausgaben ins Unermessliche wachsen und dafür bei Sozialem, Bildung, Gesundheit, Infrastruktur gekürzt wird. Sie passen in eine Zeit, in der die AfD Zulauf hat, in der Olaf Scholz im großen Stil abschieben will, in der die Grünen von einer Friedens- zu einer Kriegspartei geworden sind.

Der Prozess gegen Luca ist noch nicht vorbei, denn Luca wird Revision gegen das Urteil einlegen. Aber schon jetzt zeigt sich, dass die gesellschaftlichen Widersprüche von Seiten des Kapitals rauer ausgetragen werden. Das Urteil hat Luca getroffen – gemeint sind wir aber alle, das haben viele begriffen. Im Kampf gegen das Berufsverbot gegen Luca haben sich Menschen politisiert und sind zusammen gekommen. Von diesem 31. Januar 2024 geht auch das Signal aus: „Wir lassen niemanden zurück – keiner bleibt allein.“ Diese Solidarität ist unsere schärfste Waffe. Der Prozess gegen Luca hat gezeigt, welche Macht die Solidarität hat. Er war von einer mehrmonatigen Kampagne unter dem Motto #LasstLucaLehren begleitet. Im Rahmen einer Petition wurden 4.700 Unterschriften gegen das bevorstehende Berufsverbot gesammelt. Luca sprach auf Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet und erreichte damit viele Menschen. Die Solidarität ist groß. Vor dem Gericht versammelten sich an einem Werktag 170 Menschen zu einer Kundgebung und repräsentierten dort die vielen tausend Menschen, die nicht dort sein konnten. Die GEW Hessen unterstützt ihren Kollegen auf solidarische Weise. Das Lehrerkollegium an Lucas Schule verfasste eine einstimmige Erklärung gegen das drohende Berufsverbot, viele seiner Schülerinnen und Schüler protestierten. Die mediale Berichterstattung ist umfänglich und von einem deutlichen Zweifel am Vorgehen der Justiz und der Schulbehörde getragen. Auf diese Weise ist es gelungen, ein in aller Heimlichkeit drohendes Berufsverbot in die Öffentlichkeit und die gesellschaftliche Debatte zu bringen. Luca ist nicht allein und wird es nie sein.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit