Bundeswehr fördert Künstliche Intelligenz

Ein Segen?

Forscher der US-Pharmafirma Collaborations Pharmaceuticals teilten im März dieses Jahres in der Fachzeitschrift „Nature Machine Intelligence“ mit, dass es ihnen mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) gelungen sei, toxische Moleküle automatisch entwickeln zu lassen. Die Wissenschaftler nahmen dies zum Anlass, um vor der Gefahr zu warnen, dass mit der KI sich die Entwicklung von Biowaffen drastisch beschleunigen wird. „Die Realität ist, dass dies keine Science-Fiction ist“, schreiben sie im Artikel. Laut Friedensaktivist und Abrüstungsberater Ralf Trapp sei aber eine „ganze Kette von Dingen“ noch nötig, bis ein solcher Stoff militärisch verwendbar sei. „Was im Labor passiert, ist das eine. Was daraus werden kann, ist etwas ganz anderes“, sagte Trapp der „Welt“. „Das heißt nicht, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, es ist immer ein Wettlauf mit der Zeit.“ Keinen Grund zur Panik sieht dagegen Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr.

Sauers Arbeitgeber, die Bundeswehr, hat am 24. September 2020 den Cyber Innovation Hub – Labor für Künstliche Intelligenz (CIHBw) im niedersächsischen Nienburg an der Weser eröffnet. Unter der Federführung des Bataillons Elektronische Kampfführung 912 sollen zum einen Soldatinnen und Soldaten ihre digitalen Kompetenzen erweitern können, zum anderen solle das Labor Impulse für die Weiterentwicklung der elektronischen Kampfführung geben und den Blick für Zukunftstechnologien bei modernen Rüstungsprojekten schärfen. „In unserem Labor schlagen wir jetzt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe“, jubelte Bataillonschef Oberstleutnant Sascha Mies.

Sich selber bewirbt das CIHBw als „das digitale Schnellboot für unsere Streitkräfte“ und orientiert sich am „Vorbild vergleichbarer Innovationseinheiten der Privatwirtschaft und anderer Streitkräfte zum Beispiel in den USA und Israel“. Erstes großes Projekt ist Prometheus. Die gemeinsam mit dem (zivilen) Start-Up Traversals aus Bayern entwickelte Software soll mithilfe von KI „ein umfassendes Lagebild in Echtzeit liefern, um rasch auf Krisen reagieren zu können“.

Um diese Herausforderung zu meistern, sei das CIHBw „ein Segen“, sagte der Leiter des Corona-Krisenstabes im Bundeskanzleramt und Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, Carsten Breuer, als er im Mai dieses Jahr die neue Einrichtung besuchte. Eine erste Version von Prometheus verwendet das Kommando Territoriale Aufgaben in seiner Berliner Operationszentrale. Dabei wertet das Programm Informationen wie Agenturmeldungen, Eilnachrichten großer Medienhäuser, Twitteraccounts der großen Polizeidirektionen und Berufsfeuerwehren sowie Verkehrs- und Wetternachrichten aus. Pro Tag filtert das Programm aus über 10.000 Meldungen die 50 relevantesten heraus. Das ist aber erst der Anfang. Prometheus ist als KI lernfähig. Das heißt, die Software verbessert ihre Algorithmen im Wechselspiel mit den Anwendern täglich. „Das Potential in diesem Einsatzverband ist jedenfalls riesig“, sagte Bataillonschef Oberstleutnant Sascha Mies. Das besagte Bataillon Elektronische Kampfführung 912 ist dem Kommando Strategische Aufklärung unterstellt.

Prometheus kann nämlich nicht nur zur Kriseneinschätzung genutzt werden. Der Sprung, um damit zum Beispiel Gefechte in Echtzeit einzuschätzen, ist nicht groß. Margarita Konaev vom Zentrum für Sicherheit und sich entwickelnde Technik an der Georgetown-Universität in Washington DC sagt dazu: „Jegliche Verbesserung in der Logistik und der Unterstützung militärischer Operationen, die dabei hilft, den Motor am Laufen zu halten, ist absolut zentral und entscheidend für die militärische Effektivität.“

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"Ein Segen?", UZ vom 29. Juli 2022



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