Profit aus der Finanznot der Kommunen

Ennepetaler Modell „spart“ Steuern

Von Uwe Koopmann

Der „Finanztrick“ könnte aus Liechtenstein, Luxemburg oder von den Cayman Islands stammen. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Es liegt konkret in Ennepetal, der 30 000-Einwohner-Stadt zwischen Rhein und Ruhr mit etlichen Unternehmen, die mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz aufweisen. Darunter die Dorma-Gruppe von Karl-Rudolf Mankel mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz. Wer so viel Geld am „Arbeiten“ weiß, der will viel davon behalten. Zum Beispiel durch Steuersparen. Da hilft ein spezielles Arrangement: das „Ennepetaler Modell“.

Während viele Gemeinden darum ringen, ihren Haushalt mit einer Gewerbesteuerhöhung zu retten, haben Ennepetaler Unternehmer eine gemeinnützige „Standortsicherungsgesellschaft“ gegründet. Die hat den „Finanztrick“ in die Welt gesetzt: Die Stadt Ennepetal verzichtet auf die Gewerbesteuererhöhung. Stattdessen nennen der Rat der Stadt und die Verwaltung kommunale Projekte, in die investiert werden muss. Das übernehmen nun die Unternehmen in Form von Spenden. Die Gesamtzusage beläuft sich derzeit auf 3,5 Millionen Euro.

Die 3,5 Millionen könnten theoretisch den Betrag übersteigen, den die Stadt durch die Gewerbesteuererhöhung einnehmen würde. Also: ein Gewinn für die Kommune. Von der Spende über 3,5 Millionen Euro könnten sich die „freizügigen“ Unternehmer einen Anteil von Finanzamt rückerstatten lassen. Also auch für sie ein Gewinn. Diese Rückerstattung würde allerdings zum Nachteil von Bund und Land gehen.

Die Uneigennützigkeit der beteiligten Unternehmen ist geradezu erdrückend: „Bund und Land übertragen immer mehr Aufgaben auf die Städte, die dann auf den Kosten sitzen bleiben. Die städtischen Infrastrukturleistungen werden immer schlechter. Freiwillige Leistungen wie die Kinder- und Jugendarbeit, die Unterstützung von Kultur und Sport, die eine Stadt aber attraktiv machen, bleiben weitgehend auf der Strecke – und dies trotz stetig steigender Hebesätze z. B. bei der Grund- und Gewerbesteuer. Wir als Unternehmer sind uns unserer Verantwortung bewusst und wollen aktiv dabei unterstützen, diese Abwärtsspirale in Ennepetal zu durchbrechen.“ So Autozulieferer Rolf Bielstein.

Damit die Unternehmerinteressen in die richtigen Bahnen gelenkt werden können, soll es einen Beirat geben, „der die Gesellschaft lenkt“. Bislang waren die Unternehmen noch nicht im städtischen Finanzausschuss mit Sitz und Stimme vertreten. Ralf Stoffels, der Vizepräsident der Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) verweist auf einen Hintergrund: „Die Solidarität aller Gewerbesteuerzahler in Ennepetal ist gefragt!“ Gemeint ist nicht die Solidarität mit der Stadt, sondern die Solidarität mit der „Standortsicherungsgesellschaft“, denn die könnte weitere Gesellschafter gebrauchen.

Lehrerinnen und Lehrer oder die Polizisten werden auch in NRW vom Land bezahlt. Aus jeder Tarifrunde ist das Jammern des „Arbeitgeber-Vertreters“ zu hören: „Gehaltserhöhung geht nicht. Die Landeskassen sind leer.“ Wenn jede Kommune in NRW sich auf das „Ennepetaler Modell“ einließe, wäre es jedenfalls noch schlechter um die Einnahmen in Düsseldorf bestellt. Das hat auch Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erkannt. Er will mit seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern den Deal „Spenden statt Steuern“ verbieten. – Anders dagegen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der meint, das Modell sei übertragbar. Ihm ist offensichtlich auch an dieser Stelle die Entlastung der Unternehmen wichtiger als die Schatulle des eigenen Ministeriums.

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"Ennepetaler Modell „spart“ Steuern", UZ vom 5. Februar 2016



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