Zu „Erst Schlichtung, dann ­Urabstimmung“, UZ vom 7. Juli

EVG unter Druck

Michel Spitz, SDAJ Essen

Als Kommunist und Bahner im Betrieb kann ich die aktuellen Entwicklungen in der Tarifrunde der EVG nicht so positiv bewerten wie Rainer Perschewski. Die Forderungen der EVG sind gerechtfertigt und es war förderlich für das Bewusstsein, zu streiken. Die Urabstimmung ist der richtige Schritt, um die Streikbereitschaft noch einmal zu erhöhen. Das jetzt entstandene Modell von Urabstimmung und Schlichtung ist aber mehr ein Ultimatum an die Mitglieder als an den „Arbeitgeber“. Wir müssen jetzt aus relativ schwachen Strukturen 75 Prozent der Mitglieder zur Abstimmung pro Streik bewegen. Ein starkes Angebot durch schnellen mächtigen Streik zu erzwingen, wäre machbar gewesen. Jetzt müssen wir in den Betrieben die heftige Auseinandersetzung führen, ob wir ein besseres oder ein schnelleres Ergebnis haben wollen. Eine Frage, die gerade für die untersten Gehaltsgruppen besonders hart ist.

Es ist wahrscheinlich, dass sich die Schlichtungskommission am von Rainer beschriebenen Abschluss der Privatbahnen orientieren wird. Ein Abschluss, über den wir nicht mitentschieden haben, obwohl eines der zentralen Ziele dieser Runde die Angleichung in der Branche und der gemeinsame Kampf war. In Zahlen bedeutet der Abschluss, an dem wir uns messen müssen, nur zwei Drittel unserer Lohnforderungen auf eine fast doppelt so lange Laufzeit. Die Einmalzahlung, die sofort verpuffen wird, und Reallohnverlust verdeutlichen, wie schlecht das drohende Ergebnis ist. Bisher ist auch ungeklärt, was das alles für unsere Azubis heißt.

Zuletzt sind außerdem auch Aussagen einzelner Verhandlungsführer für ihre Bereiche bekannt geworden, wie weit ihre Schmerzgrenze noch geht. Demnach wäre man für eine Einigung kurz vor der Schlichtung auch bereit gewesen, in einigen Bereichen eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit oder eine Kürzung der Umkleidezeit in Kauf zu nehmen. Auch wenn diese nicht von der EVG abgesegnet ist, ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber dies nicht einfach ignorieren wird. All das stimmt mehr als nachdenklich.

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"EVG unter Druck", UZ vom 21. Juli 2023



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