Nach Iran nähert sich Saudi-Arabien auch Syrien ­diplomatisch an

Friedlichere Verhältnisse?

Kolumne

Kommt da die nächste Wende? Kaum haben sich Saudi-Arabien und Iran unter Vermittlung Chinas darauf geeinigt, ihre diplomatischen Beziehungen wiederaufzunehmen, da wird gemeldet, es stehe auch ein Neustart der konsularischen Dienste zwischen Saudi-Arabien und Syrien kurz bevor. Agenturen zitieren allerlei Quellen mit guten Beziehungen nach Riad oder Damaskus, die jeweils bestätigen, die Regierungen dort arbeiteten systematisch darauf hin, ihre diplomatischen Beziehungen gleichfalls wieder in vollem Umfang aufzunehmen. Sogar eine zeitliche Perspektive gebe es: nicht allzu lange nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan. Der dauert bis zum 21. April.

Um zu ermessen, was die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Syrien bedeutet, muss man rund elf Jahre zurückblicken. Damals, im Jahr 2012, machte Riad seine Botschaft in Damaskus dicht und warf den syrischen Botschafter in der saudischen Hauptstadt aus dem Land. Die westlichen Mächte waren im Nahen Osten auf dem Vormarsch. Sie hatten beschlossen, die breiten Proteste gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu nutzen, um ihn zu stürzen und an seiner Stelle einen bedingungslos prowestlichen Machthaber ins Amt zu bringen. In Berlin schmiedeten syrische Exiloppositionelle unter Anleitung deutscher und US-amerikanischer Regierungsstellen Pläne für eine Neuordnung Syriens nach dem erhofften Sturz Assads. Praktische Hilfe für die im Land verbliebenen Aufständischen wurde über die türkischen Grenzgebiete zu Syrien abgewickelt. Eine besondere Rolle im Kontext der westlichen Umsturzpläne kam auch Saudi-Arabien zu, das – Clanstrukturen und Salafistennetzwerke nutzend – die Milizen, die gegen Assads Streitkräfte kämpften, mit Geld und Waffen unterstützte. Die Beziehungen zwischen Damaskus und Riad bestanden, solange Letzteres fest an der Seite des Westens stand, in offener Feindschaft.

Erste Kurskorrekturen in der Syrien-Politik haben sich im Nahen und Mittleren Osten bereits 2018 abzuzeichnen begonnen. Damals nahmen zunächst die Vereinigten Arabischen Emirate ihre diplomatischen Beziehungen zu Syrien wieder auf – in der klaren Erkenntnis, dass der Westen die Schlacht um das Land verloren hatte: Der Regierung unter Assad war es, seit Russland im Herbst 2015 an ihrer Seite zu intervenieren begonnen hatte, Schritt um Schritt gelungen, ihre Kontrolle über größere Teile des Landes halbwegs zu stabilisieren. Wenn man Assad partout nicht stürzen könne, dann müsse man halt wieder mit ihm kooperieren – das war die Position, die Abu Dhabi 2018 vertrat, als es seine Botschaft in der syrischen Hauptstadt wieder eröffnete. In seinem Kielwasser nahm 2019 auch Riad wieder erste Kontakte nach Damaskus auf.

Bis weitere Bewegung in die Beziehungen kam, hat es dann aber noch eine Weile gedauert. Das lag nicht zuletzt daran, dass Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und Iran über einen möglichen Ausgleich liefen. Dass die Beziehungen zu Syrien damit verflochten waren, war klar: Präsident Assad, den Riad hatte stürzen wollen, wurde von Teheran konstant unterstützt. Dass China den Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und Iran zum Durchbruch verholfen hat, hat implizit auch in den Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Syrien einen dicken Knoten gelöst. Insofern ist es nur folgerichtig, dass die beiden Staaten die Feindschaft beenden, die sie in der Ära der westlichen Dominanz in Nah- und Mittelost entwickelt hatten. Das Ende dieser Ära, mit herbeigeführt durch die Volksrepublik China, öffnet Chancen auf eine Neugestaltung der Beziehungen in der Region – und vielleicht sogar auf friedlichere Verhältnisse. Mitte März sind die Vereinigten Arabischen Emirate erneut vorgeprescht – und haben mit einem bombastischen Empfang für Assad deutlich signalisiert: Syriens Präsident ist wieder willkommen. Saudi-Arabien, so scheint es, zieht bald nach. Dann könnte der Neuaufbau Syriens beginnen – vielleicht mit China, aber wohl ohne den Westen.

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Über den Autor

Jörg Kronauer (Jahrgang 1968) ist Sozialwissenschaftler und lebt in London. Er ist Redakteur des Nachrichtenportals „german-foreign-policy.com“, freier Journalist und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Neofaschismus und deutsche Außenpolitik.

Kronauer veröffentlichte 2018 bei PapyRossa „Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Russland, der Westen und der zweite Kalte Krieg“. Sein aktuelles Buch „Der Rivale“ analysiert die Rolle der VR China im internationalen Klassenkampf.

Für die UZ schreibt Kronauer eine monatlich erscheinende Kolumne mit dem Schwerpunkt deutsche Außen- bzw. Konfrontationspolitik gegen Russland und China.

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"Friedlichere Verhältnisse?", UZ vom 7. April 2023



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