Anfang Juli bestellten das Auswärtige Amt in Berlin und die EU den jeweiligen chinesischen Botschafter ein. Der Vorwurf: ein chinesisches Marineschiff habe gezielt ein deutsches Aufklärungsflugzeug über dem Roten Meer mit einem Laser geblendet. Dies sei ohne vorherige Kontaktaufnahme und völlig grundlos geschehen. Trotz chinesischer Dementis und der Aussage von Außenamtssprecherin Mao Ning, die chinesische Marine habe eine Geleitschutzoperation im Golf von Aden und den Gewässern von Somalia durchgeführt und dabei unter anderem mit Deutschland kommuniziert, hielten Bundesaußenminister Johann Wadephul, das Verteidigungsministerium und Bundeskanzler Friedrich Merz an dem Vorwurf fest.
Das Rote Meer ist eine der wichtigsten Handelsrouten. China als größte Exportnation der Welt hat ein besonderes Interesse an deren Sicherheit. Seit Beginn der Angriffe der jemenitischen Ansar Allah („Huthis“) auf Schiffe mit Israel-Bezug und später auf vor der Küste Jemens stationierte US-amerikanische und britische Kriegsschiffe und Flugzeugträger hat auch China darum seine maritime Präsenz vor Ort intensiviert. Die Volksrepublik unterhält – wie die USA, Frankreich und Japan – eine Militärbasis in Dschibuti, von der aus Anti-Piraterie-Aktivitäten in Ostafrika durchgeführt werden. Zugleich beteiligt man sich aber nicht an militärischen Angriffen gegen die Ansar Allah, die betonen, ihre Aktivitäten einzustellen, wenn der Gaza-Krieg beendet und die dortige Bevölkerung wieder mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstoff versorgt wird. Stattdessen hat Peking über die Sicherheit chinesischer Schiffe verhandelt.
Im Februar 2024 hat – nachdem die USA und Britannien im Januar begonnen hatten, den Jemen zu bombardieren – auch die EU einen EUNAVFOR Aspides genannten Einsatz beschlossen, der eng mit der von den USA ins Leben gerufenen „Wächter des Wohlstands“ (Operation Prosperity Guardian) genannten „Koalition der Willigen“ kooperiert. Im Februar 2025 beschloss der Bundestag eine Verlängerung des als äußerst erfolglos geltenden Aspides-Einsatzes. In dessen Rahmen können bis zu 700 Soldatinnen und Soldaten entsandt werden, derzeit ist Stabspersonal im griechischen Larissa sowie auf dem Führungsschiff der Operation stationiert. Zudem erfolgen regelmäßig Einsatzflüge „zur Bereitstellung luftgestützter Seeraumüberwachung“, grundsätzlich ist auch eine „Beteiligung mit seegehenden Einheiten“ möglich, wie es auf der Webseite des Bundesverteidigungsministeriums heißt. Das Einsatzgebiet umfasst mit der Meerenge Bab al-Mandab, der Straße von Hormus sowie den internationalen Gewässern im Roten Meer, im Golf von Aden, im Arabischen Meer, im Golf von Oman und im Persischen Golf ein Gebiet, das über den Angriffsradius der Ansar Allah weit hinausgeht.
Seit Mai, als US-Präsident Donald Trump einen vermeintlichen „Erfolg“ verkündete, ist die EU in ihrem Einsatz auf sich allein gestellt. Die Ansar Allah hätten „kapituliert“ und wollten nicht mehr kämpfen, hatte Trump die Einstellung der US-amerikanischen Attacken auf den Jemen erklärt. In Wirklichkeit hatten die Ansar Allah zwar zugesagt, ihre ohnehin explizit nur als Reaktion auf die US-amerikanischen und britischen Bombardierungen erfolgenden Angriffe auf US-amerikanische und britische Schiffe einzustellen – nicht aber die auf Israel und mit Israel in Verbindung stehende Schiffe. Sie entsprachen also lediglich ihren seit Monaten erfolgten Statements.
Der Sinneswandel Washingtons erfolgte nicht aus einer Position der Stärke heraus, sondern war vielmehr der Tatsache geschuldet, dass der Einsatz im Roten Meer, den US-Kommandeure als „größte Seeschlacht seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnen, seine beabsichtigte Wirkung völlig verfehlt, dem US-Militär aber zugleich große Verluste zugefügt hat. Eine bereits im Dezember entsandte riesige US-Flotte unter Führung des Flugzeugträgers „Dwight D. Eisenhower“ musste sich in Folge des Drohnen- und Raketenbeschusses der Ansar Allah nach neun Monaten in die USA zurückziehen. Mehrere US-Kampfjets wurden durch „friendly fire“, also den versehentlichen Beschuss durch eigene Streitkräfte, getroffen und der Flugzeugträger „Harry S. Truman“ verlor einen F/A-18-E-Kampfjet samt Schlepper, weil er durch das Fahren einer scharfen Kurve den Raketen der Ansar Allah ausweichen musste. Vor allem aber wurden täglich hochwertige Raketen im Wert von Millionen US-Dollar verpulvert, während die Ansar Allah mit leichter zu ersetzenden Billigraketen und -drohnen weiter Erfolge erzielten. Berichten zufolge fürchtete man im Pentagon, durch die Dezimierung der eigenen Waffenarsenale werde die Handlungsfähigkeit der USA in einem möglichen Krieg gegen China gefährdet.
Auch Israel hat den Jemen bereits mehrfach bombardiert. Die Ansar Allah greifen ihrerseits Israel an, darunter auch wichtige strategische Ziele, den Flughafen in Tel Aviv, der auch bereits getroffen wurde, und Häfen. Sie haben eine maritime Blockade und eine Luftblockade über Israel verkündet. Der Hafen von Eilat, der einzige israelische am Roten Meer, musste wegen fehlender Aktivitäten und Einkünfte schon im Mai 2024 Insolvenz anmelden. Am 16. Juli teilte die israelische Hafen- und Schifffahrtsbehörde mit, am 20. Juli werde der Hafen seinen gesamten Betrieb einstellen. Neben dem Handel ist davon auch die israelische Marine betroffen, die den Hafen seit Beginn des Gaza-Kriegs nutzt.
Anfang Juli haben die Ansar Allah zwei Schiffe in griechischem Besitz versenkt, die israelische Häfen ansteuerten. Den Beschuss von Schiffen haben sie zuletzt angesichts der sich ausweitenden, durch Israels Vollblockade verschuldeten Hungerkatastrophe im Gazastreifen intensiviert. Israelischen Berichten zufolge übt Tel Aviv Druck auf Washington aus, seine Bombardierungen im Jemen, bei denen bislang mindestens 258 Zivilisten getötet wurden, wieder aufzunehmen. Amnesty International und Human Rights Watch sprechen von möglichen Kriegsverbrechen der US-amerikanischen und der britischen Armee. Davon offenbar unbeirrt haben sich die deutsche und die österreichische Regierung für eine Aufstockung von EUNAVFOR Aspides ausgesprochen.