Verschleierung und Aggression sind Zielvorgaben der Bundeswehr

Gefährliches Eigenleben

Von Markus Bernhardt

Die Bundeswehr gerät zunehmend außer Kontrolle. Rechte Skandale, sadistische und erniedrigende Ausbildungsmethoden gehören seit jeher zu den Schlagzeilen, die die deutsche Armee produziert. Daran dürfte auch der neue Traditionserlass, dessen Entwurf Ende November öffentlich wurde, nichts ändern. Ganz der sogenannten Extremismustheorie verpflichtet wird darin klargestellt, dass weder Nationale Volksarmee der DDR, noch die Wehrmacht Vorbild für die Bundeswehr sein könnten. „Die NVA war mit ihrer Aufstellung fest in das Bündnissystem der sozialistischen Staaten, den Warschauer Pakt, integriert. Ihr Ethos orientierte sich an der Staatsideologie der DDR. Traditionsverständnis und Fahneneid der NVA leiteten sich aus ihrem Selbstverständnis als sozialistische Klassen- und Parteiarmee ab. Die NVA wurde von der SED geführt, handelte im Sinne ihrer Politik und trug maßgeblich zu ihrer Herrschaftssicherung bei“, heißt es in dem UZ vorliegenden Entwurf. Dem ist nichts hinzuzufügen und tatsächlich dürfte die übergroße Mehrheit der DDR-Armee stolz auf ihr Wirken sein. Schließlich ging von den Streitkräften der DDR im Gegensatz zu denen der BRD niemals Krieg aus. Während es in dem Erlassentwurf bezüglich der faschistischen Wehrmacht heißt, dass diese „dem national-sozialistischen Unrechtsregime“ diente und „in dessen Verbrechen schuldhaft verstrickt“ war, „die in ihrem Ausmaß, in ihrem Schrecken und im Grad ihrer staatlichen Organisation einzigartig in der Geschichte sind“, scheinen hochrangige Bundeswehrhistoriker wie Michael Wolffsohn selbst damit Schwierigkeiten zu haben. Konfrontiert mit seiner Aussage, dass auch Wehrmachtssoldaten als Vorbilder dienen könnten, äußerte er am 11. Januar dieses Jahres gegenüber dem „Donaukurier“, dass nicht das ganze Leben eines Soldaten oder überhaupt von Menschen Vorbild sei, sondern nur einzelne Handlungen in bestimmten Lebenssituationen. „So gab es in der Wehrmacht Soldaten, die sich moralisch absolut inakzeptabel verhalten haben, die aber rein handwerklich und militärisch leider als Vorbild zu verstehen sind. Entscheidend ist, wie die Soldaten sich in einzelnen Situation verhalten haben. Einige waren Mitläufer, waren später vielleicht sogar an Kriegsverbrechen beteiligt und haben erst dann das Verbrecherische des Nationalsozialismus erkannt. Viele von ihnen haben für ihren späten Widerstand mit dem Leben bezahlt. Das muss man anerkennen, darin liegt eine moralische Selbstrehabilitierung, die bewundernswert und vorbildlich ist“, behauptete er.

Auf die Frage, ob für Soldaten der Bundeswehr andere Werte gelten als für Zivilisten gelten müssten, verstieg er sich zu der Aussage, dass Soldaten anders als Zivilisten im Krieg Extremsituationen ausgesetzt seien. „Dort heißt die Maxime: Du musst – wenn es sich um den Einsatz demokratisch legitimierter Streitkräfte handelt – töten, um das Morden zu beenden“, so Wolffsohn. Dass die mit maßgeblicher Unterstützung der Bundeswehr geführten Angriffskriege gegen Jugoslawien und Afghanistan „demokratisch legitimiert“ waren, dürfte wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Fernab der politischen Positionierung der Bundeswehr in Geschichtsfragen, dürfte in den kommenden Monaten und Jahren damit zu rechnen sein, dass die Bundeswehr sich noch aggressiver an sogenannten Auslands- und Kriegseinsätzen beteiligen wird. Dafür spricht auch die geplante Erhöhung des Bundeswehretats, über die der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger am Dienstag dieser Woche berichtete. „Offensichtlich haben sich die Sondierungsteams von CDU/CSU und SPD auf 10 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr verständigt, diese Summe verteilt sich wohl, da an anderer Stelle im Sondierungspapier der 51. Finanzplan zugrunde gelegt wird, auf 4 Jahre“, so Pflüger. Damit würde der Militärhaushalt dann 2018 auf 38,4 Milliarden Euro, 2019 auf 39,6 Milliarden Euro, 2020 auf 40,9 Milliarden Euro und 2021 auf 42,3 Milliarden Euro steigen, macht zusammen 161,2 Milliarden Euro, das sind dann 10,2 Milliarden Euro, oder 6,8 Prozent mehr als im 50. Finanzplan festgeschrieben waren. Konzentriert werden solle sich vor allem auf „rüstungsinvestive Ausgaben“, sprich Beschaffungsprojekte. „Damit ist klar, dass die geplante Koalition aus CDU/CSU und SPD weiterhin anstrebt, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO umzusetzen, interessanterweise im Gegensatz zu den Vereinbarungen bei Jamaika“, kritisierte Pflüger.

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der ebenfalls der Linkspartei angehört, warnte vor einer Beschaffungsoffensive der Bundeswehr an Drohnen. Nach der Marine könnte nun auch das Heer unbemannte Hubschrauber beschaffen. Damit steige das Verteidigungsministerium in eine neue Gewichtsklasse von Drohnen ein. „Ich befürchte, dass sich der Bundeswehr-Bestand von derzeit rund 800 Drohnen in naher Zukunft deshalb drastisch erhöht“, so Hunko. Die Bundeswehr habe eine Machbarkeitsstudie für ein neues Drohnenprojekt beendet. Das Heer interessiere sich für unbemannte Hubschrauber zur Erkundung von Landeplätzen von Kampf- und Transporthubschraubern. Die Drohnen könnten außerdem einem Konvoi voraus fliegen und Sensoren zur Erkennung von Kampfmitteln oder Sprengfallen mitführen. Zuerst will jedoch die Marine Hubschrauberdrohnen für die Ausrüstung ihrer neuen Korvetten einkaufen. In zwei Wochen soll hierzu eine Entscheidung fallen, warnte der Bundestagsabgeordnete. „Anstatt eines neuen Konjunkturprogramms für die Rüstungsindustrie fordern wir die streng zivile Nutzung von Drohnen. Trotzdem bin ich skeptisch, wenn auch die Bundespolizei Hubschrauberdrohnen auf ihren Patrouillenbooten testet. Ich sehe darin einen weiteren Versuch, den zivilen Sicherheitsmarkt mit militärischer Technologie zu fluten“, kritisierte er.

Hinzu kommt, dass sich die Rüstungsindustrie offensichtlich zunehmend weniger um Gesetze schert. So soll der Waffenkonzern Rheinmetall laut Presseberichten gezielt deutsche Rüstungsexportgesetze umgehen, indem der Konzern im Ausland Waffen für Krisenregionen bauen lässt. Auch von der DKP erhobene Forderungen nach einem Waffenexportverbot und einer radikalen Kürzung des Rüstungsetats mögen aktuell alles andere als politisch durchzusetzen sein, falsch werden sie jedoch dadurch keineswegs. Wer es nicht bei der zum Allgemeingut verkommenen Phrase „Fluchtursachen bekämpfen“ zu wollen belassen will, muss zuallererst für die Zerschlagung der Rüstungsindustrie und eine Entmilitarisierung der BRD streiten.

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"Gefährliches Eigenleben", UZ vom 19. Januar 2018



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