G20-Afrika-Konferenz in Berlin – Deutsche Exportwalze will nach Afrika

Gemeinsame Zukunft mit Vergangenheit

Von Georges Hallermayer

Das deutsche Unternehmertum ist aufgerufen, seinen Anteil am neokolonialen Kuchen Afrika einzubringen. So will es die G20-Afrika-Konferenz, die am 12. und 13. Juni unter dem Titel „Investing in a Common Future“ („In eine gemeinsame Zukunft investieren“) in Berlin stattfand.

Wie eine solche gemeinsame Zukunft aussehen soll, lässt sich wohl am ehesten an der gemeinsamen Vergangenheit ablesen. Das Ziel ist es, im Kreise der imperialistischen Mächte endlich wieder „einen Platz an der Sonne“ einzunehmen, wie nach der Berliner Kongo-Konferenz 1884/85 und somit 30 Jahre vor Beginn des 1. Weltkriegs. Damals hatten unter Bismarcks Mediation die imperialistischen Mächte unter dem Vorwand, mit dem Wort Gottes die Zivilisation den Eingeborenen zu bringen, den schwarzen Kontinent zerstückelt in Grenzen, die noch heute Gültigkeit haben. Und das zu spät gekommene Deutsche Reich hatte danach Gelegenheit, an einige Ecken in Ost- und Westafrika Krumen vom Kuchen aufzusammeln.

Und heute? Der deutsche Handel mit Afrika ist zwar von 2010 mit jährlich 33,9 Mrd. Dollar auf 34,8 Mrd. Dollar 2016 gestiegen, aber Deutschland ist damit vom fünften Rang auf Platz 6 zurückgefallen (die USA sind auf Platz 4), wie OECD, das UN-Entwicklungsprogramm UNDP und die Afrikanische Entwicklungsbank jüngst in einem Bericht schrieben. Auch bei den deutschen Direktinvestitionen in neue Projekte wird für die letzten beiden Jahre eine eher traurige Bilanz gezogen: Spitzenreiter ist die VR China (23,9 Prozent der Investitionen), die Bundesrepublik liegt mit schwachen 1,9 Prozent noch hinter Italien mit 7.2 Prozent, den USA mit 6,5 Prozent und Frankreich mit 4,8 Prozent.

Aber das soll sich nun ändern: Die Exportwalze Deutschland – von der EU-Politik missbilligt und von der US-Sanktionspolitik behindert – soll auch in südliche Bahnen gelenkt werden. Die mit den afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaften verhandelten Freihandelsabkommen treffen zwar auf heftige Kritik – wie auch der deutsche „Marschallplan für Afrika“ auf Skepsis – aber das Ziel ist klar vor Augen: Im Kern geht es darum, für die nächsten Dezennien „das große ökonomische Potential Afrikas“, d. h. die Ausbeutungschancen von Mensch und Natur zu nutzen und die „Sogwirkung“ auf die Migrationsströme aus afrikanischen Ländern reduzieren. „Um den 450 Millionen jungen Afrikanern, die in den kommenden 20 Jahren auf den Arbeitsmarkt kommen, eine Zukunftsperspektive zu bieten, müssen die afrikanischen Staaten sicher Reformen und Investitionen durchführen, aber die G20-Staaten müssen auch ihre öffentliche Hilfe in Schlüsselsektoren wie Bildung verstärken“, urteilt „One“, eine Nicht-Regierungsorganisation, die sich den globalen Kampf gegen die Armut zum Ziel gesetzt hat.

„Wir schaffen das“ sagt Kanzlerin Merkel und zielt mit einer dreifachen Migrationsstrategie auf den Kontinent. Zum einen werden die vorhandenen Kapazitäten der afrikanischen Binnenmigration durch sogenannte Entwicklungshilfe an private Klein- und Mittlere Unternehmen ausgebaut und die Flüchtlingsrouten übers Mittelmeer durch bilaterale Abkommen abgedichtet. Das betrifft die westliche über Mali, Algerien und Libyen nach Italien und auch die östliche von Somalia, Eritrea über Ägypten nach Griechenland. Die ins Land gekommenen werden entsprechend ihrer Qualifikation ausgesiebt und ins Ausbeutungssystem kostengünstig integriert, die zweite Generation assimiliert. Und Kanzlerin Merkel hat zum dritten das ökonomische Potential der Migranten im Blick, nämlich deren Transferleistungen abzuschöpfen. Man sollte nicht vergessen, dass die Überweisungen der afrikanischen Migranten aus der Diaspora nachhause die Gesamtheit an ausländischen Direktinvestitionen übersteigen: 64,6 Mrd. US-Dollar im Jahr 2015 verglichen mit 55,2 Mrd. US-Dollar. Neunzig Prozent dieses Geldes gehen nach obigem Bericht der OECD nach Nord- und Westafrika und bewirken in der Mittelklasse beachtliche Impulse für die Entwicklung der lokalen Wirtschaft.

Und die beiden „Reformchampions“ Tunesien und Ghana, Favoriten von Kanzlerin Merkel, finden sich im Ranking der 15 Länder mit den höchsten Transferleistungen. Nach Tunesien fließt eine Summe, die 4,8 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmacht, in Ghana sind es 5 Prozent.

Heia Safari, kann man da nur den hundert Investoren auf den Weg geben, die in Berlin auf afrikanische Politiker trafen. Diese Konferenz ist ein weiterer nationaler Versuch, sich neben dem französischen Afrika-Gipfel zu positionieren, in Konkurrenz auch zu chinesischen Unternehmen.

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"Gemeinsame Zukunft mit Vergangenheit", UZ vom 23. Juni 2017



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