Die Ära der Zeitzeugen des antifaschistischen Widerstandskampfes läuft aus biologischen Gründen ab. Aber es gibt Menschen, die ihr Vermächtnis mit ihrem gesellschaftspolitischen Handeln aus antifaschistischer Perspektive in die heutige Zeit weitergetragen haben. Zwei von ihnen sind Traute und Ulli Sander aus Dortmund.
Am 2. Juli war in Dortmund im sweetSixteen, dem Programm-Kino des Kulturzentrums Depot, auf Einladung der VVN-BdA und von R-mediabase ein eindrucksvoller Film über die beiden zu sehen. Trotz heißen Wetters und Sturmwarnung kamen jüngere und ältere Antifaschisten und Friedensfreunde aus Dortmund und dem Ruhrgebiet, um die Premiere des Dokumentarfilms „Lebensmotto: Frieden und Antifaschismus“ mitzuerleben. Und es hat sich gelohnt. Die Besucher erlebten einen knapp siebzigminütigen Film, der nicht nur die Biographie eines antifaschistischen Lebens zeigt, sondern gleichermaßen eine alternative Perspektive auf die Geschichte der BRD, ihren Umgang mit Geschichte, faschistischer Vergangenheit und Friedenspolitik sichtbar machte.
In Interviews, unterlegt mit historischen Bildern und Filmsequenzen, werden verschiedene Kapitel behandelt: Die Verbrechen an den Kindern vom Bullenhuser Damm, die Gründung der antifaschistischen Geschwister-Scholl-Jugend und die Erinnerung an Helmuth Hübener, den mit 17 Jahren Jüngsten vom Volksgerichtshof zum Tode Verurteilten. Weitere Kapitel behandeln die Ostermärsche, die Bedeutung des Schwurs von Buchenwald für das antifaschistische Grundverständnis, die Aufarbeitung der Verbrechen der Wirtschaft am Beispiel der Zwangsarbeiter, die Kriegsendverbrechen und die Auseinandersetzung mit militaristischer Traditionspflege. Alles das wird in dem Film behandelt und mündet in der Frage, wie solche historischen Erfahrungen in der antifaschistischen Bewegung und in der Auseinandersetzung mit der Rechtsentwicklung an die kommenden Generationen weitergegeben werden können. Nicht umsonst endet der Film mit dem Auftreten der „Kinder des Widerstandes“ gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen.
Eindrucksvoll in diesem Film sind auch die längeren Interview-Abschnitte mit Beate Klarsfeld, die über ihre Ohrfeige gegen Bundeskanzler Kiesinger von 1968 spricht. Auch Günter Grass kommt zu Wort, der über seine Sicht auf Helmuth Hübener berichtet, ebenso die Aktivisten der Angreifbaren Traditionspflege, die sich mit Traute und Ulli Sander über den Widerstand gegen das Gebirgsjägertreffen in Mittenwald austauschen. Auf diese Weise ist der Film für heutige Betrachter auch ein Kaleidoskop einer alternativen bundesdeutschen Geschichte. Natürlich könnte man noch viele Aspekte hinzufügen, Aspekte, die aus der Perspektive der Arbeiterbewegung von Bedeutung sind. Aber bereits mit dieser Darstellung wird sichtbar, dass es nicht nur die Geschichte der Herrschenden gibt, sondern auch der antifaschistischen Bewegung.
Überraschend ist, dass im Film die Aktivitäten der kommunistischen Partei nur am Rande eine Rolle spielen. Wer sich in der Geschichte der 1960er Jahre auskennt, weiß, dass der „Jugendinformationsdienst“, die Zeitschrift „elan“ und die Ostermarschbewegung ohne die organisierende Mitwirkung der kommunistischen Partner nicht möglich gewesen wären. Aber Ulli Sander verstand seine Rolle bei diesen Aufgaben nicht als Vertreter der illegalen KPD beziehungsweise der DKP, sondern als Antifaschist und Friedenskämpfer, womit diese Arbeit eine deutlich breitere politische Wirkung erzielte.
Es ist ein altes Sprichwort: Hinter jedem bekannten Mann steht eine starke Frau. Und das bestätigt sich auch in diesem Film in vielfältiger Weise. Die Filmemacher haben Wert darauf gelegt zu zeigen, dass nicht allein Ulli Sander aktiv war, sondern seine Frau Traute über viele Jahrzehnte seine aktive Mitstreiterin gewesen ist. So ist sie mit Interviews und auch in verschiedenen historischen Episoden gleichermaßen präsent.
Wie bei einer Premiere üblich, waren Ehrengäste anwesend. Dazu gehörten die beiden Protagonisten Traute und Ulli Sander sowie die Aktivisten von der Angreifbaren Traditionspflege. Auch die Macher des Filmes, Jochen Vogler (R-mediabase), Martin Bauer (Köln), der die technische Umsetzung großartig realisiert hat, Ulrich Schneider, der bei der inhaltlichen Gestaltung beteiligt war, sowie Olaf Reitz (Sprecher) und Ulli Klahn (Filmmusik) ließen es sich nicht nehmen, dieser Premiere beizuwohnen. Der Film, realisiert durch r-mediabase, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und VVN-BdA NRW und zahlreiche Einzelspender, soll zukünftig in Programmkinos laufen. Es gibt auch eine digitale Version, die zum Beispiel politische Gruppen, die einen Abend zu dem Thema planen, einsetzen können. Der Film zeigt ein anschauliches Beispiel von gelebtem Antifaschismus.
Kopien des Films können ab 20 Euro bezogen werden über R-mediabase, Samoastraße 12, 42277 Wuppertal oder unter diesem Link.