Wegen Beihilfe zum Völkermord

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Mehr als Lippenbekenntnisse sind aus der deutschen Politik zum Völkermord in Gaza nicht zu erwarten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) etwa fordert „zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand“, Außenminister Johann Wadephul findet, in Gaza erlebten die Menschen „eine Hölle auf Erden“. Und die in einen zeremoniellen UN-Posten gehievte Ex-Außenministerin Annalena Baer­bock ist sich nicht zu fein, erst mal Journalisten über ihre Rolle im Krieg gegen den Küstenstreifen zu belügen: Sie habe niemals gesagt, dass zivile Einrichtungen ihren Schutzstatus verlieren könnten. Dabei liegt die Rede schriftlich und als Videomitschnitt vor.

Doch die Krokodilstränen sind nicht das Schlimme an der deutschen Politik. Die alte und die neue Bundesregierung lieferten und liefern Waffen an Israel. Sie liefern die Mittel, um den Genozid an den Palästinenserinnen und Palästinensern zu begehen. Damit sind Friedrich Merz, Johann Wadephul, Annalena Baer­bock und Olaf Scholz der Beihilfe zum Völkermord schuldig.

Zu Recht hat ein Berliner Kollektiv von Anwältinnen und Anwälten sie nun deswegen beim Bundesstaatsanwalt angezeigt, mit Unterstützung des European Legal Support Center und in Vertretung von Mandantinnen und Mandanten, die nahe Angehörige in Gaza verloren haben.

Zu den Angezeigten gehören auch Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne),Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sowie die Rüstungsmanager Jörg Stratmann (Rolls-Royce Solutions GmbH), Alexander Sagel, Susanne Wiegand (beide Renk Group AG) und Michael Humbek (Dynamit Nobel Defence GmbH). Sie alle haben laut Strafanzeige Beihilfe begangen zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

Auch die von Merz Anfang August angekündigte Aussetzung der Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern, „die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“, ändert daran nichts. Im Gegenteil: Sie beweist, dass bis dahin Waffen für den Einsatz in Gaza genehmigt wurden – und das Aussetzen der Genehmigungen bedeutet keinen Stopp von bereits genehmigten Lieferungen.

Viel zu spät kommt die symbolische Geste, mit der immer mehr Nationen Palästina als Staat anerkennen – jetzt, wo fast sein gesamtes Gebiet völkerrechtswidrig von Israel besetzt wurde. Doch selbst an diesem Symbol will sich Deutschland nicht beteiligen. Für Deutschland, so Wadephul, stehe eine Anerkennung „eher am Ende“ eines politischen Prozesses. Wie er sich diesen „Prozess“ vorstellt, wenn Palästina jeden Tag mehr zerstört und mit illegalen Siedlungen besetzt wird, behielt der Außenminister für sich.

In Gaza tobt der Völkermord derweil weiter. Allein am Montagvormittag starben 29 Menschen durch israelische Angriffe. Die medizinische Versorgung der Opfer ist inzwischen kaum noch möglich, gezielt greift die israelische Armee immer wieder die wenigen noch existierenden Krankenhäuser an – genauso wie Rettungsfahrzeuge. Ersthelfer und Mediziner versorgen die Opfer israelischer Angriffe unter Einsatz ihres Lebens.

3901 02 - Gesucht! - §dpa, Alexander Sagel, Annalena Baerbock, Beihilfe zum Völkermord, Boris Pistorius, Friedrich Merz, Genozid, Johann Wadephul, Jörg Stratmann, Katharina Reiche, Michael Humbek, Olaf Scholz, Robert Habeck, Susanne Wiegand - Politik
(Foto: picture alliance / ipa-agency | Roberto Brancolini / Bearb.: UZ)

Wer den Völkermord in Gaza stoppen will, muss dafür sorgen, dass Israel keine Waffenlieferungen und keine finanzielle Unterstützung mehr erhält. Weltweit wächst der Widerstand gegen Genozid und Besatzungspolitik. Am Montag dieser Woche haben italienische Gewerkschaften aus Solidarität zum Generalstreik gerufen – Hunderttausende folgten dem Aufruf. Landesweit kam es zu Behinderungen von Fern- und Nahverkehr, Schulen und Universitäten wurden blockiert, der Öffentliche Dienst war eingefroren. Allein in Rom gingen mehr als 300.000 Menschen auf die Straße. In Mailand, wo 50.000 Menschen für Gaza protestierten, versuchte eine Gruppe von Demonstranten den Hauptbahnhof zu besetzen. Die Polizei wollte das mit aller Macht verhindern, setzte Schlagstöcke und Tränengas ein – und beklagte hinterher 60 verletzte Beamte. Zu Gewalt gegen Demonstranten kam es auch bei der Blockade der Via Stalingrado, der größten Ausfallstraße von Bologna. Größere Aktionen fanden auch in Florenz, Neapel, Bari und Palermo statt. An den Seehäfen von Genua und Livorno haben Demonstranten die Zollzugänge blockiert und damit lange Warteschlangen verursacht. In Livorno soll im Anschluss an den Generalstreik die Abfertigung des US-Frachters „SLNC Severn“ verhindert werden – er hat Waffen für Israel geladen.

In Deutschland ist vorerst kein Generalstreik für Palästina zu erwarten, auch nach einer Weigerung von Hafenarbeitern, die mörderische Fracht für Israel abzufertigen, sieht es noch nicht aus. Aber auch hier wächst der Widerstand gegen den Völkermord und gegen die deutsche Beihilfe da­ran. Laut werden wird er am morgigen Samstag in Berlin. „Zusammen für Gaza“ ist das Motto der Demonstration um 14.30 Uhr ab Neptunbrunnen, danach ab 17 Uhr, Großer Stern, Straße des 17. Juni, Kundgebung mit Konzert „All eyes on Gaza“.

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"Gesucht!", UZ vom 26. September 2025



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