Bündnis „Mietenstopp jetzt!“ will Wohnkosten für sechs Jahre einfrieren

Kein Recht auf Profit

Wer 2009 nach Berlin zog, darf sich rückblickend glücklich schätzen. Zehn Jahre später waren die Mieten in der Hauptstadt bereits doppelt so hoch. Die Steigerungsraten in München sind nur deshalb weniger dramatisch, weil die Mieten dort bereits früher ein absurd hohes Niveau erreicht hatten. Aktuell liegt der Quadratmeterpreis bei durchschnittlich 18,61 Euro. Doch nicht nur die Metropolen sind betroffen, auch Mittel- und Kleinstädte ziehen kräftig nach. Viele Haushalte müssen einen Großteil ihres Einkommens für die Miete aufbringen. Bei den einkommensarmen Haushalten sind es fast 50 Prozent.

Diese und weitere eindrucksvolle Fakten veröffentlichte die neue Kampagne „Mietenstopp jetzt!“ am vergangen Freitag auf einer Pressekonferenz. Das bemerkenswert breite Bündnis aus Mieterbund, Paritätischem Wohlfahrtsverband, Gewerkschaften und Mieterinitiativen aus ganz Deutschland stellte seine Forderungen anlässlich der für Mittwoch (nach Redaktionsschluss der UZ) geplanten Bilanzveranstaltung der Bundesregierung zur „Wohnraumoffensive“ vor.

Das Bündnis will erreichen, dass die Mieten bundesweit für sechs Jahre „eingefroren“ werden. Erhöhungen wären dann nur noch möglich, wenn die bisherige Miete weniger als 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt und wären auf 2 Prozent pro Jahr begrenzt. So will man „faire Vermieter“ wie etwa Genossenschaften vor Benachteiligung schützen. Der Neubau soll ausgenommen sein, aber es müssten auch bezahlbare Wohnungen entstehen, so der Zusatz.

Anlass für diesen Vorstoß sind nicht nur die eingangs erwähnten Kennziffern, sondern vor allem die Erfahrungen der Akteure vor Ort im Kampf gegen Verdrängung, Zwangsräumungen und Luxussanierungen. Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, verdeutlichte die Dramatik. Soziale Arbeit werde durch die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum zum Teil unmöglich gemacht. Frauen könnten Frauenhäuser nicht verlassen, weil sie keine Bleibe finden. Gleiches gelte für junge Menschen in Jugendhilfeeinrichtungen. Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger stünden vor dem Problem, keine Wohnungen zu finden, die den Angemessenheitsgrenzen des Jobcenters entsprechen. Im Ergebnis zahlten 20 Prozent der Betroffenen – und damit etwa 500.000 Haushalte –aus dem dürftigen Regelsatz zur Miete hinzu. Für ältere auf Unterstützung und Pflege angewiesene Menschen und Alleinerziehende bedeute die Verdrängung durch steigende Mieten nicht nur den Verlust der Wohnung, sondern des im Alltag dringend benötigten sozialen Umfeldes.

Verschiedene Akteure kamen auf der Pressekonferenz ohne Umschweife auf Fragen von Rendite und Eigentum. Es gehe schon lange nicht mehr um das Schaffen von Wohnraum, sondern ausschließlich um Kapitalanlage und Profitmaximierung, so Tilman Schaich von „#ausspektuliert“ aus München. Die Gewerkschaften, so DGB-Vertreter Florian Moritz, handelten nicht jedes Jahr Lohnerhöhungen aus, damit das zusätzliche Geld direkt beim Vermieter lande.

Die Kampagne stellt dem Recht auf Profit das Recht auf Wohnen entgegen. Dieses moralische Recht müsse justiziabel werden, so Ulrich Schneider. Die Forderung nach zeitweisem Mietenstopp ist, gemessen an diesem Ziel, zurückhaltend, was den Akteuren durchaus bewusst ist. Die Frage „Mietenstopp – reicht das?“ beantworten sie selbst: Ein soziales Bodenrecht, eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und der Ausbau des öffentlichen Wohnungsbestandes seien perspektivische Lösungsansätze.

Beim Mietenstopp geht es nur um eine „Atempause“. Dass die Forderung dennoch wutschäumend von der Immobilienlobby bekämpft wird, hat auch damit zu tun, dass sich in der Breite der Gesellschaft politische Positionen entwickeln, die über Reförmchen und Notfallmaßnahmen hinausgehen. So unterstützen zum Beispiel die beiden großen Gewerkschaften IG Metall und ver.di inzwischen das Berliner Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Kein Recht auf Profit", UZ vom 26. Februar 2021



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit