Das „Forum demokratischer Sozialismus“ (fds) besteht seit 10 Jahren

Keine Mehrheit für die „Reformer“

Von Nina Hager

Das fds, einer von 33 offiziellen Zusammenschlüssen der Partei „Die Linke“, scheiterte auf dem Parteitag in Hannover mit Anträgen zur Außen- und Sicherheitspolitik. Trotzdem feierte man in Berlin auf dem Fest der Partei, die an diesem Tag den 10. Jahrestag des Zusammenschlusses von PDS und WASG beging, am vergangenen Sonnabend fröhlich den eigenen 10. Geburtstag.

Die Geschichte des fds begann nicht erst 2007, sondern spätestens am Anfang der 90er Jahre. Im theoretischen Bereich (Transformationskonzept, Verhältnis zur SPD, Klassenfrage) muss man, wenn man sich die Konzepte anschaut, bei der Analyse wohl noch weiter zurückblicken: Zumindest in die letzten Jahren der DDR. Dabei darf man jedoch nicht nur auf das SED-SPD-Papier „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ von 1987 und/oder nur auf den Einfluss von „Perestroika“ und „Glasnost“ schauen, sondern auch auf die innere politische und ideologische Entwicklung in der DDR.

Nach der Umwandlung der SED über die SED/PDS in die Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) im Februar 1990 gründeten sich diverse Arbeitsgemeinschaften, Plattformen, Foren. Linke Zusammenschlüsse wie die Kommunistische Plattform, später das Marxistische Forum und andere entstanden. Doch auch solche, für die eher ein sozialdemokratisches Geschichtsbild wie Parteikonzept prägend war und die die Distanzierung von der DDR vorantrieben. Das zeigte sich bald auf Konferenzen der Partei wie in Veröffentlichungen, aber auch in der zunehmenden Distanz zu Kommunistinnen und Kommunisten z. B. der DKP. Anfang der 90er Jahre gab es in der PDS zudem bereits Debatten über Regierungsbeteiligungen bzw. -tolerierungen. 1994 entschied sich die PDS in Sachsen-Anhalt zur Duldung einer rot-grünen Minderheitsregierung von SPD und Bündnisgrünen („Magdeburger Modell“). Es folgten erste Regierungsbeteiligungen: Zunächst in Mecklenburg-Vorpommern (1998–2004) und dann in Berlin (2001–2011). Ergebnis von Tolerierungen und Regierungsbeteiligungen, bei denen die Partei niemals dazu kam, die eigenen Wahlforderungen durchzusetzen, sondern sich der „Sachzwanglogik“ unterwarf, war jeweils ein Einbruch bei folgenden Wahlen. 2011 in Berlin war dieser besonders dramatisch.

Im Jahr 2002 entstand unter dem Namen „Forum Zweite Erneuerung“ ein Diskussionsforum der PDS, das alle „Reformer“ zu integrieren suchte. Am 16. Juli 2005 änderte man den Namen in „Forum demokratischer Sozialismus“. Im Jahr 2007 formierte sich das fds neu. Es wird auch in den bürgerlichen Medien schon seit seiner Gründung zu den „Reformern“ in der Partei gezählt. Und deren Schema ist einfach: Geht es um Linke, sind die „Reformer“ natürlich immer die Guten …

Ein Blick auf Inhalte des Forums vermittelt, warum das fds zu den „Reformern“ gezählt wird: Der schon 1989/90 wenig erhellende Begriff „demokratischer Sozialismus“, dessen Konturen im Laufe der Jahre immer unschärfer werden, wird immer wieder strapaziert. Schon im Gründungsdokument des fds von 2007 wird auf die SPD verwiesen, die diesen Begriff aufgegeben habe. Die Notwendigkeit gesellschaftlicher Umbrüche wird gesehen, aber damit beantwortet, dass natürlich „Transformationen“ nötig und der einzig gangbare Weg seien. Auffällig, aber im Gesamtzusammenhang durchaus schlüssig, ist die klare Abgrenzung zur DDR. Die Positionen der fds-Vertreter im Zusammenhang mit Regierungsbeteiligungen und „Rot-Rot-Grün“ im Bund, vor allem aber zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, unterscheiden sich wesentlich von denen anderer Teile der Partei und nicht nur von den Standpunkten der Parteilinken. Immer wieder wird hier – wie bei der Frage der Regierungsbeteiligung – auf Parteitagen versucht, die im Parteiprogramm festgelegten roten „Haltelinien“ aufzuweichen. Doch in entscheidenden Fragen konnte man sich vor allem nach dem Zusammenschluss von PDS und WASG vor 10 Jahren nicht durchsetzen. Weder das in Erfurt 2011 beschlossene Parteiprogramm noch spätere Mehrheitsbeschlüsse dürften den fds-Vertretern gefallen haben. Auch deshalb und wegen persönlicher Karriereknicks war 2014 das Forum kurz vor dem Kollaps. Die Auflösung drohte. Man raufte sich noch einmal zusammen.

Und nun? Auf dem Wahlparteitag der Linkspartei, der vom 9. bis 11. Juni in Hannover stattfand (siehe UZ vom 16. Juni) scheiterte das fds mit seinen Anträgen zur (gleichwertigen) Verurteilung Russlands wegen des Konflikts in der Ukraine, des Anschlusses der Krim, von Russland und China auch wegen des Syrienkonfliktes usw.

Und doch ist kritische Selbstreflektion im fds wohl nicht gefragt. Mit einer eigenen Zeitung machte man auf den eigenen 10. Geburtstags aufmerksam. In jener Ausgabe der Zeitung „Neues Deutschland“, der eine Zeitung der Linkspartei zu ihrem 10. Jahrestag beigelegt worden war, gab es eine zweite Beilage. Eben die des fds. Im Editorial heißt es: „Sie halten etwas ganz Besonderes in den Händen.“ Aufschlussreich sind nicht die – verklausulierten – Positionen, sondern, wer da was in dieser Zeitung geschrieben hat oder ein Interview gab. Und das zeigt, welchen Einfluss man tatsächlich hat, wenn es auch derzeit auf Parteitagen in wichtigen Fragen meist keine Mehrheiten gibt: Prominenz ist mit dabei: Dietmar Bartsch, Petra Pau, Stefan Liebich (erster Bundessprecher des fds), Jan Korte, Halina Wawzyniak, Matthias Höhn, (Wahlkampfleiter der Partei), Klaus Lederer, (seit Dezember 2016 Bürgermeister und Kultur- und Europasenator von Berlin). Nicht alle sind auch Mitglieder des fds, nicht alle wichtigen Funktionäre der Partei, die Mitglieder des fds sind (wie Benjamin Hoff, Staatssekretär in Thüringen) haben in dieser „Geburtstagszeitung“ einen Beitrag veröffentlicht. Zudem wurden zwei Kritikern wie Inge Höger, Sprecherin der Antikapitalistischen Linken (AKL), und Harri Grünberg, ehemaliger Sprecher der Sozialistischen Linken (SL), ein wenig Platz geboten. Wohl als Feigenblatt, um zu zeigen, dass man sich der Kritik stelle. Doch Luise Neuhaus-Wartenberg, neben Dominic Heilig derzeit Bundessprecherin des fds, wiegelte gleich auf der nächsten Seite ab: „FDS: Nur die Rechten in der Partei?“ Nein, man will doch mit allen reden, man gehöre doch zu den Guten, die realistisch das Wahre an- und aussprechen.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Keine Mehrheit für die „Reformer“", UZ vom 23. Juni 2017



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