Linksfraktion macht Angebote für Rot-Rot-Grün

Hoffnung auf Politikwechsel

Von Nina Hager

In der vergangenen Woche fand die Herbstklausur der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“ in Hannover statt. Von der Fraktion hatten wohl manche – kurz vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und zwei Wochen vor den Wahlen in Berlin – ein deutliches Signal erwartet.

Auf der Sitzung stellten dann die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch ein Positionspapier vor, in dem sie zu einem „Bündnis für Frieden und soziale Sicherheit“ aufrufen und das eher auf den Bundestagswahlkampf orientiert. Das Bündnis soll die Basis bieten „für eine Wiederherstellung des Sozialstaats und die Rückkehr zu einer friedlichen Außenpolitik: die Basis für eine Politik, die nicht mehr spaltet, trennt und Menschen gegeneinander ausspielt, sondern die allen in Deutschland und in Europa eine Perspektive bietet“. Als Bündnispartner sieht man derzeit vor allem die außerparlamentarische Opposition.

Ein Angebot

Je stärker man aber als Partei selbst werde, „desto eher werden auch SPD und Grüne“ einen grundlegenden Politikwechsel unterstützen. Wenn die Partei „Die Linke“ dies konsequent kommuniziere „und glaubhaft ausstrahlt, dann ist sie in der Lage, aus der aktuellen Situation gestärkt hervorzugehen und alternative Mehrheiten zu organisieren“, meinen Wagenknecht und Bartsch.

Damit enthält der Aufruf – zumindest indirekt – ein Angebot für eine mögliche rot-rot-grüne Koalition oder ein gemeinsames Vorgehen bei der Bundespräsidentenwahl, Festlegungen jedoch nicht.

„Die Linke“ will sich im Bundestagswahlkampf als die „treibende Kraft für eine soziale, friedliche und demokratische Wende“ und als Garant eines Politikwechsels präsentieren – etwas, was zumindest in den Landtags- und Kommunalwahlkämpfen dieses Jahres bislang nicht oder nur teilweise gelang.

Anfangs wird die aktuelle soziale und politische Situation eingeschätzt. Die AfD wird in diesem Zusammenhang als „Produkt neoliberaler Politik, die im Interesse einflussreicher Wirtschaftslobbys den sozialen Zerfall der Gesellschaft vorangetrieben und so viele Menschen von der Demokratie enttäuscht hat“ charakterisiert. „Das Ergebnis sind Ohnmachtsgefühle, Frust und Wut auf die etablierten Parteien. Die AfD erntet, wo die Neoliberalen gesät haben.“

Mehr zu bieten

Dann werden acht Ziele und Maßnahmen benannt, wie die Forderung nach der sofortigen „Anhebung des Mindestlohns auf 10 und dann so schnell wie möglich auf 12 Euro, die Wiederherstellung der Arbeitslosenversicherung anstelle von Hartz IV und effektive Maßnahmen zur Beseitigung von Dauerbefristungen, Leiharbeit und des Missbrauchs von Werkverträgen“. Gefordert werden die Anhebung des gesetzlichen Rentenniveaus und eine Bürgerversicherung, wirksame Maßnahmen gegen Kinderarmut, die Angleichung der Lebensverhältnisse, die Stärkung von Demokratie und Bürgerrechten. Eingeführt werden soll eine Vermögenssteuer für Millionäre, die angemessene Besteuerung hoher Erbschaften durchgesetzt werden. All das sind Forderungen, die unterstützenswert sind, es fehlen aber – und das irritiert, denn es handelt sich um ein zentrales Thema – Forderungen und Maßnahmen im Hinblick auf die Flüchtlingspolitik. Nicht nur in diesem Zusammenhang hat die Partei „Die Linke“ an Beschlüssen und Forderungen weitaus mehr zu bieten. Erinnert sei hier nur an den Beschluss des Magdeburger Parteitags „Mehr für alle. Eine soziale Offensive für ein offenes Land!“ vom Mai.

Im Zusammenhang mit der EU wird ein demokratischer und sozialer „Neustart“ gefordert. „CETA und TTIP dürfen nicht an den Parlamenten vorbei durchgesetzt und müssen gestoppt werden. Gegen die Konzernlobbykratie, Bankenrettungen und diktierten Kürzungen von Löhnen und Renten muss der soziale Fortschritt in Europa sichergestellt werden.“

Nicht erwähnt

Unter Punkt vier wird dann verlangt: „Deutschland muss zu einer friedlichen Außenpolitik zurückkehren und endlich Fluchtursachen wirklich bekämpfen. Das bedeutet: deutsche Waffenexporte verbieten, keine Verlegung von deutschen Soldaten an die russische Grenze, alle Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Unterstützung von Interventionskriegen stoppen. Rüstungsausgaben müssen gesenkt werden anstatt sie, wie von Merkel verlangt, in den nächsten Jahren nahezu zu verdoppeln.“

Auffällig ist hier, dass Streitpunkte wie z. B. Blauhelmeinsätze, nicht auftauchen. Auch die Initiative der Fraktion im Bundestag zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands und zur Auflösung der NATO bleibt unerwähnt.

Stattdessen lud die Fraktion als Gast den General a. D. Harald Kujat zur Klausur. Kujat war von 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr und damit der höchstrangige Soldat im Land, später bei der NATO eingesetzt. Er kritisiert die NATO-Politik gegenüber Russland, befürwortete aber in anderen Fragen die Kriegspolitik der Bundesregierung und der NATO – zum Beispiel in Afghanistan. Aus der Fraktion gab es scharfe Kritik daran, dass Kujat eingeladen wurde – die sich aber vor allem dagegen richtete, dass dieser das Eingreifen Russlands in Syrien verteidigt hatte.

Auch ein Positionspapier zur Kinderarmut lag vor.

Am Sonntagabend erklärten die Vorsitzenden der Linkspartei Katja Kipping und Bernd Riexinger gegenüber der Presse im Berliner Karl-Liebknecht-Haus zum enttäuschenden Abschneiden der eigenen Partei bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern (13,2 Prozent): „Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein. … Wir glauben fest daran, dass wir in den nächsten Monaten zeigen können, dass wir mit solidarischen Lösungen auch in eine bessere Zukunft im Land aufbrechen können. Wir werden Gespräche im Alltag suchen und unsere Verbindungen in der Gesellschaft zu Kräften für Frieden und sozialer Gerechtigkeit stärken. Wir müssen und werden angriffslustiger in sozialen Fragen werden.“

Es wird wohl weit mehr – auch an Inhalten – erfordern als den Aufruf aus der Spitze der Bundestagsfraktion, um das in der Praxis umzusetzen.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Hoffnung auf Politikwechsel", UZ vom 9. September 2016



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