Keine Provinzposse

Werner Sarbok zum Raumverbot für den DGB Dülmen

Mein erster Gedanke war „Provinzposse“, als ich die Nachricht aus Dülmen erhielt, dass dem DGB die Durchführung des Empfangs zum 1. Mai in öffentlichen Räumen verboten wurde. Mit einem merkwürdigen Beschluss wollte der Dülmener Stadtrat vorsorglich verhindern, dass nach dem Einzug der AfD in den Landtag von NRW im Jahr 2017 der Gauland-Haufen möglicherweise einmal eine „extremistische“ Wahlveranstaltung in einem öffentlichen Raum der Stadt Dülmen durchführen könnte.

Da wähnten sich die Rathausparteien fein raus, sie hätten eine wunderbar formale Erklärung für einen solchen Fall, ohne die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD führen zu müssen. Und so fällt das demokratische und politische Grundrecht des DGB diesem formalen Beschluss des Dülmener Stadtrates zum Opfer. Was gegen den Auftritt „extremistischer Gruppierungen“ gedacht war, trifft ausgerechnet den DGB. Das zeigt, was diese Herangehensweise taugt, nämlich nichts.

Formalismus wird die Wirkung der Demagogie rechter Organisationen  nicht eindämmen. Da ist es schon notwendig, den Menschen die berechtigten Zukunftsängste zu nehmen. Dazu gehört die Verwirklichung des Rechtes auf Arbeit, dazu gehören Löhne, die zu einem würdigen Leben ausreichen und die Sicherheit, von profitgeilen Heuschrecken nicht aus der Wohnung getrieben werden zu können.

An der realen Umsetzung dieser Lebeninteressen werden sich die Parteien messen lassen – auch die SPD.

Wenn heute eine SPD-Bürgermeisterin den Deutschen Gewerkschaftsbund mit einer AfD-gestrickten Messlatte Maulkorb und Hausverbot erteilt, ist das ein recht eigenartiges Produkt der „Extremismus“-Theoretiker, das wohl kaum Bestand haben sollte und ein Einzelfall bleiben wird.

Aber die Beobachtung der VVN-BdA durch den bayerischen „Verfassungsschutz“ und darauf gestützt die Ankündigung der NRW-Finanzbehörden, die Gemeinnützigkeit der antifaschistischen Organisation abzuerkennen, zeigen, welche Praxis der Ex­tremismus-Theorie folgt. Das ist nun keine Provinzposse mehr, sondern eine von reaktionären Kräften in unserem Land forcierte Rechtsentwicklung.

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"Keine Provinzposse", UZ vom 29. März 2019



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