Friedenspolitik und Arbeitskämpfe waren zentrale Themen des 23. Parteitags der DKP

Konkrete Kämpfe

Auf dem 23. Parteitag der DKP diskutierten die Delegierten nicht nur in der Antrags- und Generaldebatte, sondern führten – zum ersten Mal – auch einen Erfahrungsaustausch zur Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit und zur Parteistärkung durch.
UZ dokumentiert hier einen Auszug aus dem Referat des Parteivorsitzenden Patrik Köbele an den Parteitag und den Beitrag von Nicole Drücker aus dem Erfahrungsaustausch.

Das Referat wird in voller Länge unter unsere-zeit.de/blog veröffentlicht.

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Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP (Foto:Tom Brenner)

Die Strategie des deutschen Imperialismus ist militärisch ein Dreiklang. Wissend, dass an der militärischen Überlegenheit des US-Imperialismus längere Zeit nicht zu rütteln sein wird, geht man bewusst die Rolle des Juniorpartners ein, vor allem im Kriegsbündnis NATO. Dabei wird das NATO-Ziel, dass alle Mitgliedsländer 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung aufwenden sollen, ausgenutzt, um die eigene Rüstung voranzutreiben. Das tut man mit Riesenschritten und leider zu wenig Protest dagegen. Allein von 2018 auf 2019 wurde der Rüstungshaushalt um 5 Milliarden oder 10 Prozent erhöht. Die dritte Seite dieses Dreiklangs ist die europäische Militarisierung, ist PESCO. Hier gibt es Interessenskonflikte mit dem zweiten Großen in der EU, mit Frankreich. Man darf sicher sein, dass es dabei auch um die Frage der Atomwaffen geht, ohne die man eben nicht ganz oben mitmischen kann. Deshalb Konflikte, wie auch bei der Siko in München, deshalb die nukleare Teilhabe und die Bomben in Büchel. Wir sagen Abrüsten statt Aufrüsten und wir werden in Büchel wieder Sand ins Getriebe streuen. Das stört sie, polizeimäßig haben sie aufgerüstet, gespürt haben wir das schon letztes Jahr – zeigen wir ihnen, dass wir die Mobilisierung auch hochfahren können – auf nach Büchel – dichtmachen – Anreise am 9. Juli.

Die Aktivitäten gegen die Kriegsvorbereitung Defender 2020 haben begonnen – in den verschiedensten Regionen haben breite Bündnisse die Arbeit aufgenommen, nach unserem Stand immer mit Beteiligung der DKP. Aus den Leipziger Treffen hat sich so etwas wie eine bundesweite Koordinierung, in der wir mitarbeiten, herausgebildet. Regional gab es die ersten Aktivitäten, wie kürzlich in Bremerhaven. Ein bundesweiter Aktionshöhepunkt soll das Wochenende 3./4./5. April werden. Und ein Höhepunkt wird unsere Demonstration am 25. April in Torgau, zu dem nun auch der Arbeitsausschuss des Aktionsbündnisses „Stopp Defender 2020“ aufruft. Herzlichen Dank an die Genossinnen und Genossen, in Torgau, Berlin und Sachsen für die Vorbereitung.

Defender 2020 – das ist Kriegstreiberei pur – 37.000 Soldaten mit schwerem und leichtem Gerät – aufmarschierend an der russischen Grenze pünktlich zum 75. Jahrestag der Befreiung – das ist unerträglich. Wo Kriegstreiber aufmarschieren, ist Widerstand Pflicht – wir müssen das öffentlich machen, wir müssen das anprangern – es braucht Widerstand und zivilen Ungehorsam. Wir brauchen Aktionen an Autobahnen, Flughäfen, Bahnhöfen und Häfen. Die Gefährlichkeit dieser Kriegstreiberei wird noch deutlicher durch die gestrige Meldung, dass die USA letzte Woche eine Militärübung durchgeführt haben, die einen „begrenzten“ Atomkrieg mit Russland simulierte. Die Stoßrichtung wird noch klarer durch ein gleichzeitig laufendes Manöver im Pazifik. Diese Drohung gegen die Volksrepublik China und die Russische Föderation soll sich nun jährlich wiederholen. Wir sagen: Frieden mit Russland und der VR China – Raus aus der NATO – Stoppt Defender 2020.

Unsere Gegenaktionen wollen wir mit unseren Aktivitäten zum 75. Jahrestag der Befreiung verbinden. Wir wollen, dass alle Gruppen versuchen, eine Aktion, eine Veranstaltung zu machen – die Handlungshilfe der Geschichtskommission gibt viele Anregungen und wir wollen am 9. Mai in Berlin sowohl eine öffentliche Aktion in der Nähe des Treptower Ehrenmals als auch eine Veranstaltung des Parteivorstands durchführen.

Liebe Genossinnen und Genossen,
ab Mitte des Jahres stehen Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) an. Es ist ver.di gelungen, diese Tarifrunden bundesweit zeitlich zu bündeln. Gerade im Zusammenhang mit der dringend notwendigen Verkehrswende, weg vom Individualverkehr, halten wir diese Tarifrunde für weit bedeutender als einen „normalen“ Tarifkampf. Verkehrswende erfordert Stärkung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Verkehrswende heißt, Mobilität muss eine Frage der öffentlichen Daseinsvorsorge sein. Verkehrswende heißt, die Systeme des Nah- und Fernverkehrs gehören ausgebaut und vor allem gehören sie in gesellschaftliches Eigentum und unter demokratische Kontrolle. Solche Fragen können und müssen in die Tarifrunde hineingetragen werden. Auch deshalb, weil das Gejammer und die Propaganda des Gegners sein wird, dass kein Geld da ist. Diese Propaganda wird auch die desolate Finanzlage vieler Kommunen als Argument benutzen. Wir müssen deutlich machen, dass diese Finanzlage Ergebnis einer Umverteilung durch den Klassenkampf von Oben ist und müssen deutlich machen, dass genügend Geld da ist, wenn man aufhört, die Profite und Interessen der Automobilindustrie wie eine heilige Kuh zu betrachten. Diese Tarifrunde verlangt von uns also weit mehr als „herkömmliche“ Solidarität. Unsere Inhalte, die Entwicklung und Präzisierung unserer Positionen zur Verkehrswende ist gefragt – im Leitantrag haben wir damit begonnen. Ich denke, dass der Bereich des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs Bedeutung und Potential hat, neben dem Gesundheits- und dem Bildungswesen zum dritten Branchenstandbein unserer Orientierung „Heran an die Klasse“ zu werden.

Mit diesen Aktivitäten wollen wir unser Pressefest vorbereiten. Ein Wochenende im August. Zehntausende feiern, diskutieren, singen, stoßen an auf Erfolge, reden über Gründe für Niederlagen und den Weg zum Sozialismus – wundern sich, wie die kleine DKP das hinbekommt, freuen sich darüber, sind vielleicht ein bisschen neidisch. Gegen Neid hilft DKP-Mitgliedschaft. Gigantisch, was wir jetzt schon für das Pressefest auf die Beine gestellt haben: 60.129 Euro an Spenden und Zuschüssen liegen vor, nochmal fast 4.000 Euro mehr als Ende letzter Woche, ein tolles Ergebnis – danke.


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Nicole Drücker von der Sammelbetriebsgruppe Öffentlicher Dienst der DKP Hamburg (Foto:Tom Brenner)

Für ein menschenwürdiges Gesundheitssystem
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich bin Nicole, bin Delegierte aus Hamburg und komme aus der Sammelbetriebsgruppe Öffentlicher Dienst, die sich 2007 gegründet hat.

Wir hatten das Glück, 2011 auf dem Pressefest zwei neue Genossinnen in die Partei aufnehmen zu können, die beide als Krankenschwestern in einer privatisierten Klinik in Hamburg beschäftigt sind. Wir haben daraufhin als Sammelbetriebsgruppe unseren Schwerpunkt auf die Bewegung „Mehr Personal im Krankenhaus“ gelegt. In unserer Betriebsgruppe waren alle irgendwann einmal Krankenschwester oder Krankenpfleger. Ich bin nur eine von 600.000 examinierten Krankenschwestern, die es in dieser Bundesrepublik gibt, die nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten. Wenn von den Krankenhausbetreibern und auch von der Politik der Fachkräftemangel als Entschuldigung vorgeschoben wird, muss man das zurückweisen. Wir haben es im Krankenhaus und im Gesundheitswesen insgesamt mit einer Flucht aus dem Beruf zu tun. 50 Prozent der Kolleginnen und Kollegen arbeiten nur noch in Teilzeit, über 70 Prozent können sich nicht vorstellen, ihren Job bis zur Rente zu machen, die durchschnittliche Standzeit einer Krankenschwester beträgt sieben bis acht Jahre, auf Intensivstationen ist sie noch geringer.

Wenn man die Berichte der Kolleginnen und Kollegen hört, dann ist das, was ich im Krankenhaus erlebt habe, noch harmlos. Ich habe meinen Job an den Nagel gehängt – obwohl ich ihn sehr geliebt habe und immer noch für einen der coolsten Berufe halte –, weil es mir nicht mehr möglich war, mit einer Patientin, die gerade ihre Krebsdiagnose bekommen hat, noch mal fünf Minuten zu reden, sondern ihr einfach das Essen hinstellen musste. Das ist unerträglich, da tut man Leuten Gewalt an.
Inzwischen ist diese Entwicklung aber noch viel weiter gegangen. Personalmangel tötet, tötet in den Krankenhäusern, tötet in den Altenheimen, Tag für Tag, und dessen müssen wir uns bewusst sein. Und es ist auch kein Wunder, dass Kolleginnen mit Panikattacken aus dem Nachtdienst rauskommen, wenn sie gezwungen sind, einen Menschen alleine sterben zu lassen, weil sie im anderen Raum einen vielleicht noch retten können.

Das ist die bedrückende und bedrohliche Seite dieser Auseinandersetzung. Aber ich möchte zu den großen Möglichkeiten, die in dieser Auseinandersetzung liegen, sprechen. Ganz grundsätzlich ist es eine Auseinandersetzung, die die Klasse eint. Abgesehen von Beamten und anderen Privatversicherten ist es relativ egal, wie viel die Leute verdienen, sie müssen in diese gesetzliche Krankenversicherung, sie sind diesem Krankenhausalltag und diesem Alltag in den Altenheimen ausgesetzt. Es ist eine Auseinandersetzung, in der das Interesse der Beschäftigten im Gesundheitswesen eins ist mit dem Inte­resse der gesamten Arbeiterklasse. Das äußert sich in dem Slogan „Mehr von uns ist besser für alle – mehr von euch ist besser für alle“.

Ein weitere große Chance in dieser Auseinandersetzung ist der tiefe Humanismus, den die Kolleginnen und Kollegen, die für mehr Krankenhauspersonal streiken, auszeichnet. Sie wollen wieder menschenwürdig pflegen. Sie wollen selber als Menschen behandelt werden. Da gibt es ganz viele Andockpunkte, wenn wir als Kommunisten deutlich machen, dass wir mit unseren Zielsetzungen, mit unseren Anschauungen und dem, was wir grundsätzlich wollen, natürlich einen tiefen Humanismus vertreten und dass der Sozialismus eine wirklich menschenwürdige Gesellschaft ist. Als wir in Hamburg zwei Veranstaltungen zu Kuba gemacht haben, bedankten sich hinterher Kolleginnen und Kollegen, dafür, dass wir sie eingeladen hatten. So berührt waren sie von dem, was möglich ist, wenn man unter sozialistischen Vorzeichen ein Gesundheitssystem aufbaut, selbst in einem Land, das der sogenannten Dritten Welt zugerechnet wird.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei dem Kampf um Personalbemessung ist, dass es auch um das Arbeitspensum geht. Jeder zehnte Rentner ist mittlerweile aufgrund von Erwerbsunfähigkeit verrentet und ich muss selbst sagen, obwohl ich nun im Öffentlichen Dienst beschäftigt bin, dem man ja immer eher den ruhigen Büroschlaf zuordnet, ich bin jetzt 47 und habe nicht den Eindruck, dass ich mit 67 meinen Job in der Geschwindigkeit, in der Routine überhaupt noch leisten kann. Das gilt für die gesamte Arbeiterklasse. Wir werden ausgelutscht. Wir werden eingesogen in den Produktionsprozess. Wir werden ausgespuckt und ausgelaugt. Dies zurückzudrängen heißt auch, den Kampf um Arbeitszeitverkürzung zu führen. Bei vollem Lohn- und Personalausgleich können wir das nur, wenn wir wissen, wie das Personal denn eigentlich bemessen sein sollte. Und darüber müssen wir eigene Vorstellungen entwickeln. Auch darum kann dieser Kampf in den Krankenhäusern auch wirklich wegweisend sein für andere Bereiche – die EVG und die IG Metall sind da ja auch schon längst dabei.

Und ein letzter Punkt: Wir brauchen viel, viel mehr Frauen in dieser Partei, wenn wir erfolgreich kämpfen wollen. Und ich kann euch sagen, dass in diesem Kampf Emanzipationsprozesse stattfinden. Bei unserer letzten Demo haben zwei Frauen die Moderation gemacht, 19 und 24 Jahre alt, für die das die zweite Demo überhaupt war, auf der sie gewesen sind. Und die standen auf dem Lautsprecherwagen und haben eine Demo mit 800 Krankenhausbeschäftigten durch die Hamburger Innenstadt geleitet. Da legen Menschen ihre Angst ab, werden mutig, trauen sich Dinge zu, die sie sich vorher nie zugetraut haben. Und das sind vor allen Dingen junge Frauen. Und das sind genau diese jungen Frauen, die wir in unserer Partei brauchen. Die sind echt tough, gut organisiert, knallhart im Nehmen und Jammern wie „Oh, ich habe so wenig geschlafen“, kannst du dir bei Krankenhausbeschäftigten voll stecken.

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"Konkrete Kämpfe", UZ vom 6. März 2020



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