Israel kapert „Madleen“ und entführt Crew – Völkermord an Palästinensern geht weiter

Menschenraub im Mittelmeer

In der Nacht zum Montag machte Israel seine Drohungen wahr: Das Schiff „Madleen“ der „Freedom Flotilla Coalition“ wurde in internationalen Gewässern von der israelischen Armee aufgebracht und die zwölf Crew-Mitglieder nach Israel verschleppt. Das Verbrechen der „Madleen“: Sie näherte sich dem komplett abgeriegelten Gaza-Streifen, an Bord humanitäre Hilfsgüter: Baby-Nahrung, Windeln, Mehl.

Es war keine freundliche Übernahme. Die israelische Armee kam in der Nacht, leuchtete die „Madleen“ mit Scheinwerfern aus, setzte Drohnen ein, versprühte eine weiße Substanz, von der nicht klar ist, ob es sich um gefährliche Chemikalien handelte. Dazu Terror durch massive Geräusche über Lautsprecher und Funkanlage. Die zwölf Crew-Mitglieder saßen in Rettungswesten und mit erhobenen Händen da – dann brach der Livestream von der „Madleen“ ab. Später präsentierte das israelische Militär Bilder der Gekidnappten auf einem Boot, ihnen werden Wasserflaschen und Sandwiches gereicht. Es soll als Beweis dienen, dass sich die Flotilla-Morde von 2010 nicht wiederholt haben.

Nach israelischen Angaben, die inzwischen von der „Freedom Flotilla Coalition“ bestätigt wurden, ist die „Madleen“ in den Hafen von Aschdod geschleppt worden. Die Crew wurde verhaftet. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe der UZ waren vier der Crew-Mitglieder deportiert worden, acht befanden sich in israelischer Haft, darunter die deutsche Staatsangehörige Yasemin Acar. Am Montag sagte ein Sprecher des Auswärtige Amts gegenüber UZ, die deutsche Botschaft in Tel Aviv „steht mit den israelischen Behörden in Kontakt und hat konsularische Hilfe für eine deutsche Staatsangehörige angeboten, die sich auf dem Schiff befand“. Die israelischen Behörden hätten der Botschaft versichert, dass alle Passagiere unverletzt seien.

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(Foto: Freedom Flotilla Coalition/dpa)

Fragen nach dem Überfall auf ein Schiff in internationalen Gewässern beantwortete das Auswärtige Amt nicht, genauso wenig wie die danach, ob die Bundesregierung weiterhin Waffen an ein Land zu liefern gedenkt, dass sich der Piraterie schuldig macht.

Bereits nach dem Überfall auf die „Gaza Freedom Flotilla“ im Mai 2010, bei der die israelische Marine in internationalen Gewässern sechs mit Hilfsgütern beladene Schiffe enterte und neun Aktivisten tötete, hatte der Bundestag eine mehr als fragwürdige Rechtsauffassung an den Tag gelegt. Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags sei die Seeblockade „eine völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Methode der Kriegsführung“.

Die Vereinten Nationen sehen das anders, die Abriegelung des Gazastreifens wird von der Fact Finding Mission der UN als kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung eingestuft. Israel muss nach internationalem Recht „den freien Durchgang aller Sendungen von medizinischen und Krankenhausgegenständen, Nahrungsmitteln und Kleidung ermöglichen, die zur Deckung der dringenden humanitären Bedürfnisse der Zivilbevölkerung benötigt werden“.

Während die Bundesregierung schweigt und das Auswärtige Amt zaudert, strömten in Berlin Hunderte zum Roten Rathaus, um die Freilassung der „Madleen“-Crew zu verlangen, in London versammelten sich Tausende Demonstranten vor dem Außenministerium, in Genf blockierten Demonstranten den Bahnhof und in Paris stürmten 50.000 Menschen auf den Place da la République, um Freiheit für die „Madleen“ zu verlangen – und für Palästina.

Denn dort geht der Völkermord ungehindert weiter. Bisher hat die israelische Armee knapp 55.000 Menschen in Gaza getötet und den Küstenstreifen komplett verwüstet. Zudem setzt Israel Hunger als Waffe ein und lässt Hilfslieferungen nicht durch. An den Verteilstellen der von Israel und den USA unterstützten „Gaza Humanitarian Foundation“ werden immer wieder Hilfesuchende gezielt unter Beschuss genommen. Allein am vergangenen Sonntag starben dabei mindestens 12 Menschen. Die verbliebene Bevölkerung Gazas soll ausgehungert werden – und Israel kommt diesem Ziel jeden Tag ein Stück näher.

Israel hat die „Madleen“ abfällig als „Selfie-Jacht“ bezeichnet und den Crew-Mitgliedern vorgeworfen, „Selbstinszenierung“ zu betreiben. Und genau der Erfolg und die Weiterverbreitung des Versuchs, die Blockade von Gaza zu durchbrechen, macht den Zionisten mehr Angst als jedes Kilo Mehl, das Gaza erreicht – gelingt es ihren Propagandisten von Benjamin Netanjahu über Donald Trump bis Volker Beck doch immer weniger, die Lüge von der „Selbstverteidigung“ zu verkaufen.

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"Menschenraub im Mittelmeer", UZ vom 13. Juni 2025



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