80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki: Deutschland will Atommacht werden

Merz und Spahn greifen nach der Bombe

In diesen Tagen gedenken wir der Atombombenabwürfe der USA auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki vor 80 Jahren, als der Weltkrieg längst entschieden war. Schreckliche Demonstration einer Weltmacht, für die Menschenleben seit jeher keine Rolle spielen. Die Folgen: über 200.000 Todesopfer, unzählige Verletzte, schwerste Zerstörungen. Bis heute noch spürbar. Die Opfer sollten für alle Zeiten Mahnung sein.

Die Abwürfe der Bomben waren das erste und bislang einzige Mal, dass diese Waffe bewusst gegen Menschen eingesetzt worden ist. Angesichts ihrer Gefahr für die Menschheit sind ihre Begrenzung und Kontrolle seit Jahrzehnten Gegenstand von Streit, Verhandlungen und Verträgen. Das war Grundlage eines militärischen Gleichgewichts im Kalten Krieg zweier Systeme zur Erhaltung eines fragilen Friedens. Inzwischen verfügen neun Staaten über Atomwaffen. Die Sowjetunion mit dem Warschauer Vertrag, Hauptrivale im Systemstreit, existiert nicht mehr. Nun beansprucht die „einzige Weltmacht“, die USA, international das Sagen zu haben. Gleichzeitig muss sie um ihre Dominanz bangen. Auch in Sachen Atompolitik. Doch noch entscheidet sie, wer Atomforschung betreiben darf und wer nicht. Israel zum Beispiel kann Atomwaffen besitzen und völlig enthemmt Kriege führen. Iran darf nicht einmal Forschung betreiben. Seine Atomanlagen werden sogar völkerrechtswidrig bombardiert, obwohl dort keine Atombomben lagern, wie selbst US-Geheimdienste feststellen.

Mit ihrer Fokussierung auf den „Konkurrenten“ China haben die USA ihren europäischen Satelliten höhere Verantwortung zugewiesen. Um gegen eine angebliche russische Aggression gewappnet zu sein, erhöhen diese massiv ihre Rüstungsausgaben und -produktion, treiben ihre Militarisierung voran und forcieren den Ukraine-Krieg. Gegen Russland wird das 18. Sanktionspaket verhängt.

Deutschland, schon lange bestrebt, Führungsmacht zu werden – zumindest in Europa -, sieht jetzt die Chance gekommen, die Strategie der „Kriegstüchtigkeit“ noch zu toppen. Seine Position ist günstig: NATO-Drehscheibe in Ramstein, Lagerung von etwa 20 Atomwaffen vom Typ B61 in Büchel, nahezu 40.000 US-Soldaten in über 20 Standorten, geplant bis zu 5.000 Bundeswehrsoldaten in Litauen und stärkste konventionelle Armee Europas. Fehlen nur noch Atomwaffen und Raketen mit großer Reichweite. Daran wird nun von Kriegskanzler Merz und seinem Umfeld gearbeitet. Anvisiert ist ein europäisches System nuklearer Abschreckung und für Deutschland die Anschaffung des US-Startsystems „Typhon“, dessen Raketen weit nach Russland hineinreichen. Unionsfraktionschef Spahn wird noch deutlicher: Deutschland müsse eine Führungsrolle spielen bei einem europäischen Atomwaffen-Schutzschirm. Eine Teilhabe mit Atombombenbestückung von Kampfflugzeugen reiche nicht. „Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik“, so Spahn. Unterstützt wird er von der AfD, die in dieser konkreten Situation ein deutsches Atomwaffenprogramm als „logische Konsequenz“ sieht.

Dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag solche Waffen für das vereinte Deutschland verbietet, interessiert nicht. Schon gar nicht, dass Deutschland, seine Bevölkerung, damit zur Zielscheibe und zum atomaren Schlachtfeld wird. Noch wird nach erstem Widerstand gegen diese Pläne abgewiegelt. Der Startschuss für eine Atommacht Deutschland ist aber gegeben.

80 Jahre nach dem Sieg über den Faschismus, der bis zuletzt mit einer „Wunderwaffe“ seine Feinde noch vernichten wollte, 80 Jahre nach dem sinnlosen Einsatz der Atombombe, mit dem die USA ihre Stärke beweisen wollten, dürfen deutsche Politiker, die in der Tradition imperialistischen Großmachtstrebens stehen, unter keinen Umständen Verfügungsgewalt über atomare Waffen erlangen.

Aus historischen, moralischen und rechtlichen Gründen muss dies mit der Kraft einer starken Friedensbewegung unbedingt verhindert werden.

Die Initiative „Nie wieder kriegstüchtig! Stehen wir auf für Frieden“ ruft für den 3. Oktober zu Großkundgebungen in Berlin und Stuttgart auf.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit