Rede von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, in Leipzig-Grünau

Mit einer Stimme des Protests

Die DKP kandidiert auch in Sachsen zur Bundestagswahl. Im Leipziger Stadtteil Grünau wurden die Genossinnen und Genossen von Patrik Köbele, dem Vorsitzenden der DKP, im Straßenwahlkampf unterstützt (siehe UZ vom 10. September). Im folgenden dokumentieren wir seine Rede:

Warum ich glaube, dass es notwendig ist die DKP zu wählen und die DKP zu stärken; ich bin auf elf gekommen; es gibt, es gibt unzählig viel mehr, aber elf will ich heute mal ein bisschen darstellen.

Und ich fange mit dem Ersten an, ja tatsächlich, der Peter hat‘s gesagt, man hatte vor mit bürokratischen Mitteln ein kaltes Parteiverbot gegen uns auszusprechen, uns von den Wahlen auszuschließen und uns den Parteienstatus zu entnehmen. Ich finde, dass ist eigentlich der erste Grund die DKP zu wählen und zu stärken, weil der Klassengegner hat gezeigt, er nimmt uns ernst. Jetzt glaube ich nicht das irgendwelche Millionäre heute schon schlaflose Nächte wegen uns haben. Ich glaube jetzt auch nicht, dass die rot-schwarze Koalition oder die scheinbar grünen Demnächstkoalitionäre sich vor eine Fraktion der DKP im Bundestag fürchten, aber was ich glaube ist doch, dass die Klügeren der herrschenden Klassen relativ genau wissen, dass in Zeiten, wo die Einbindungsfähigkeit des Kapitalismus nachlässt, wo Widersprüche gerade in der Pandemie on mass zu Tage treten, dass es da eben auch immer sein kann, dass es ein Problem ist, wenn es eine Alternativ mit klaren antikapitalistischen und sozialistischen Positionen gibt, die eben auch gegen den Wirrwarr des Irrationalismus steht und das ist, glaube ich, der Hintergrund für das versuchte kalte Verbot. Das ist der erste Grund, warum ich meine, es ist richtig die DKP zu wählen und die DKP zu stärken.

Der zweite Grund; ja das Bundesverfassungsgericht hat dann eine Entscheidung getroffen, dass dieser Versuch gescheitert ist. Man hat uns in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bescheinigt, dass wir eine aktive kommunistische Partei sind. Ja und, da muss man jetzt schonmal sagen, wenn das kein zweiter Grund ist, uns zu wählen und zu stärken, dass wir jetzt quasi vom Bundesverfassungsgericht sehr diffiziert als aktive kommunistische Partei gewertet werden, dann weiss ich auch nicht. Jetzt muss ich der Ehrlichkeit halber dazu sagen, das ändert jetzt nichts an meiner Einschätzung der Klassenjustiz in diesem Land. Aber es hat sich gezeigt, dass auch die Juristerei ein Feld des Klassenkampfes ist, und in diesem Klassenkampf haben wir diesmal einen Sieg davon getragen und das ist aus meiner Sicht der zweite Grund die DKP zu wählen und die DKP zu stärken.

Beim dritten Grund möchte ich mich mit diesem vielfach geäußertem Argument auseinandersetzen: ›Wenn man die DKP wählt, die kommt wahrscheinlich nicht rein, dann ist doch die Stimme verloren‹. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir nicht in den Bundestag einziehen, aber jeder der sagt ›meine Stimme ist dann verloren‹, der muss sich doch auch mal fragen, was ist denn mit seiner Stimme, wenn er Parteien wählt, die hinterher was anderes machen, als sie vorher gesagt haben. Also die zum Beispiel sagen ›keine Auslandseinsätze der Bundeswehr‹ und dann in das Koalitionsgehackel kommen, und dann, weil sie mitregieren wollen, vielleicht ›Ja‹ zur NATO sagen. Hat man da nicht auch seine Stimme verloren? Hat man sie da nicht viel schlimmer verloren, wie wenn man sie uns gibt und damit eine Zeichen des Protests gegen diesen Umgang von bürgerlicher Politik mit Menschen setzt, damit ein Zeichen setzt, dass diese Einknickerei vor den Herrschenden eben nicht geht? Deswegen glaube ich, die Stimme für die DKP ist eben nicht verloren, zumindest nicht so verloren, wie die Stimme für manch andere Partei [verloren] sein kann, und deswegen würde ich sagen, das ist der dritte Grund die DKP zu wählen und zu stärken.

Der vierte Grund, den muss ich ein bisschen mit meiner Jugend erklären, also nicht mit meiner jetzigen, sondern mit meiner früheren. Ich sehe ja immer noch ganz jung aus, das weiss ich, aber jung war ich früher und in meiner Jugend hatte ich viel zu tun – ich komme ja aus dem Westen dieses Landes –, viel zu tun mit linken Sozialdemokraten. Und von diesen linken Sozialdemokraten, da habe ich ein Prinzip geprägt, das Prinzip der linken Sozialdemokratie und das geht wie folgt – so hatte ich das in meiner Jugend um ein Vielfaches erlebt –; meine linken sozialdemokratischen Freunde haben dann immer gesagt: ›Und wenn die SPD jetzt noch das und das macht, dann ist für mich Schluss‹. Dann hat in der Regel die SPD genau das gemacht und dann haben meine linken sozialdemokratischen Freunde gesagt: ›Ja ok, aber wenn die SPD jetzt noch das und das macht, dann ist für mich endgültig Schluss‹. Dann hat die SPD das auch wiederum gemacht und leider sind meine linken sozialdemokratischen Freunde heute meistens auf der anderen Seite des Klassenkampfs der Barrikade angekommen. Sie verwalten heute diesen Kapitalismus wunderbar mit und von opponieren ist in der Regel keine Sprache mehr. Wenn jetzt irgendjemanden von euch Parallelitäten zu heute existierenden sozialdemokratischen Parteien auffallen, dann kommen die nicht von ungefähr. Ihr müsst euch sicher selber Gedanken drüber machen, aber ich glaube, dass ist durchaus ein vierter Grund, nämlich an dieses Prinzip der Anpassung eine Absage zu erteilen, ein vierter Grund die DKP zu wählen und zu stärken.

Und der fünfte Grund; ja wir sollten nicht vergessen, dass es eine rot-grüne Regierungskoalition war, die den schärfsten Angriff auf die soziale Lage der Menschen in diesem Land gefahren hat, nämlich den Agenda-Gesetzen. Und mit diesen Agenda-Gesetzen haben sie es geschafft, dass dieses Land im Verhältnis zu seiner riesigen Produktivität zu einem Niediglohnland wurde. Und dieses Niediglohnland wird heute mit dem Ausnutzen des Euros und der Zollunion und der Währungsunion ausgenutzt, um mit der Exportwalze, wie sie es nennen, die schwächeren Ökonomien in Europa, in der EU auszubluten, in Griechenland das Gesundheitswesen zu zerschlagen und damit die Profite des hiesigen Monopolkapitals in die Höhe zu treiben. Und diese EU – sie sagt immer von sich, sie hätte die drei großen Freiheiten als Prinzip, nämlich die Freiheit des Kapitaltransfers, die Freiheit des Warentransfers und die Freiheit des Transfers von Arbeitskräften. Dieser EU geht‘s überhaupt nicht drum, ob wir, ob ihr ohne Pass über die Grenze kommt, sondern es geht drum, dass mit der EU für den deutschen Imperialismus ein wunderbares Konstrukt, ein Hinterland entwickelt wurde, das er a) ausblutet und das er b) nutzt für seinen Konkurrenzkampf mit dem US-Imperialismus. Und deswegen sagen wir, die EU kann nicht von innen reformiert werden, diese EU muss überwunden werden und das sagt ausser uns, glaube ich, keine fortschrittliche Partei. Das ist aus meiner Sicht der fünfte Grund die DKP zu wählen und zu stärken.

Und der sechste Grund, der beginnt, wie so Vieles, mit einer Lüge. Die Lüge ist, dass sie uns jetzt dauernd erzählen, wir wären in einer Corona-Krise – so ein Unsinn. Die Krise des Kapitalismus, die hat Monate vorher, bereits im Herbst zwanzig-neunzehn begonnen. Und es ist eine Krise des Kapitalismus, die verstärkt wird durch die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pandemie und um die Pandemie selber, aber das Wesen ist die Krise des Kapitalismus. Und wer gegen die Auswirkungen dieser Krise kämpfen will, der muss sich auch als solche erkennen und benennen, und das ist der sechste Grund diese DKP zu wählen und zu stärken. Wir nennen diese Krise beim Namen und reden nicht drumrum. Es ist eine Krise des Kapitalismus und wer die Krisenhaftigkeit [nicht] will, wird nicht drumrum kommen an der Überwindung des Kapitalismus zu arbeiten.

Der siebte Grund; diese Krise, die wir erleben, die wird noch gewaltige Zuspitzungen erfahren. Wahrscheinlich wird ein großer Teil nach den Bundestagswahlen kommen, nach dem alten Motto: ›Nach den Wahlen heißt bezahlen‹. Und ein Schub wird sein, dass sie vermutlich die Schuldenbremse benutzen, um einen neuen Privatisierungsschub zu initiieren, und er wird u.a. auch weiterhin das Gesundheitswesen treffen. Und ich nenne euch ein Beispiel – ich komme aus Essen im Ruhrgebiet –; in Essen im Ruhrgebiet wurden im letzten Jahr im armen Essener Norden zwei von drei Krankenhäuser geschlossen. Krankenhäuser schließen in Mitten einer Pandemie, ein völliger Wahnsinn. Aber es ist passiert, und warum wurden die zwei Krankenhäuser geschlossen? Sie wurden getragen von einer katholischen, einer christlichen Trägergesellschaft, der Contilia, und sie hat es offen ausgesprochen, sie hat die Kliniken dicht gemacht, weil nicht genügend Profit brachten. Da waren wir gestern wieder auf der Straße, weil gestern der Jahrestag der Schließung der ersten dieser Kliniken war. Und ich glaube, das ist ein Grund, der auch für uns als DKP spricht; weil wir haben dort nicht einen auf Wahlkampf gemacht, sondern wir haben gestern weiterhin im Bündnis, duchaus mit Sozialdemokraten, mit Anderen an unserem Bürgerbegehren gegen die Schließung dieser Kliniken gekämpft und Unterschriften gesammelt. Wir sind jetzt bei 11.000 von 15.000. Das ist, finde ich, eine ganz ordentliche Geschichte, aber ich habe auch immer gesagt: ›Liebe Menschen, denkt dran, das schaffen wir nur zusammen‹ – und das gilt übrigens auch für den Wahlkampf.

Wer DKP wählt, macht das Richtige, aber es muss sich keiner denken, dass, wenn er DKP wählt, dass dann alles besser wird. Besser werden Dinge nur werden, wenn wir gemeinsam kämpfen, nicht wenn wir unser Kreuz abgeben und erst recht nicht, wenn wir unsere Stimme abgeben. Da ist übrigens die Propaganda der Herrschenden ganz verräterisch, das wollen sie nämlich von uns, dass wir unsere Stimme abgeben. Und wir Kommunistinnen und Kommunisten sagen: ›Wir müssen unsere Stimme nicht abgeben, und wir müssen sie erheben und wir müssen nicht nur am Wahltag protestieren, sondern an 365 bzw. 366 Tagen im Jahr. Und ein Prostest davon ist eben die Stimmabgabe für die DKP‹.

Und ich komme zum neunten Grund, warum man die DKP wählen und stärken muss – und das ist die Umweltfrage. Was man jetzt mit uns macht, das ist die alter Leier, der Kapitalismus verursacht Probleme, verursacht Zerstörungen, droht gar die Perspektive der Menschheit zu zerstören, aber bezahlen sollen es dann die Ausgebeuteten. Und das ist der Hintergrund der CO2-Steuer. Die CO2-Steuer hat mit dem Umweltschutz überhaupt nichts zu tun. Sie hat mit dem Abwälzen der Krisenlasten auf die Massen zu tun. Sie hat damit zu tun, dass man die Automobilindustrie jetzt wieder subventioniert. Und da muss man sich auch klar sein; das E-Auto ist nicht eine Lösung der Klimafrage. Die Lösung der Klimafrage kann nur im Weggehen vom Individualverkehr und kann nur darin liegen, dass man die Güter auch wieder auf die Schiene bringt. Da hat man doch dem Steuerzahler die Lagerkosten der Monopolbourgeoisie aufgehalst, weil diese Lagerkosten die Kosten der Autobahnen sind, auf denen jetzt die LKWs fahren, und mit diesem Kurs kann man nur Schluss machen, wenn man auch den Kapitalismus in Frage stellt. Und darum auch in der Demokratiefrage, es ist ein Grund die DKP zu wählen und zu stärken – in der Ökologiefrage, Entschuldigung.

Ich bin zu meinem zehnten Punkt gekommen, der ist nämlich die Demokratiefrage. Viele Menschen, die jetzt denken, was man mit uns mit dieser Corona-Politik macht, da kriegen wir Angst, wenn es um unsere Rechte, um unsere Grundrechte geht und diese Menschen haben durchaus Recht. Sie haben nicht Recht, wenn sie den Fehler machen, wenn sie glauben man könne diese Krankheit vernachlässigen, diese Krankheit ist real und natürlich müssen wir auf uns aufpassen. Aber auch hier nutzen die Herrschenden eine Krise, um ganz andere Ziele durchzusetzen, und natürlich nutzen sie das Ziel im Bereich des Versammlungsrechts, des Polizeirechts, im Bereich der Grundrechte Notstand zu probieren, den sie für andere Phasen einplanen. Und deswegen, auch in der Demokratiefrage gilt: Wer tatsächlich etwas für die Erhaltung der Grundrechte tun muss [Anm: will], der muss auch hier die Frage nach Kapitalismus oder Nichtkapitalismus stellen und der muss auch hier sagen; es macht Sinn die DKP zu wählen und zu stärken.

Und jetzt komme ich zum elften – und ich habe gesagt es gibt viel mehr Gründe, aber ich will heute beim elften Grund Schluss machen, und der ist vielleicht der Wichtigste. Diese DKP kann nicht viel garantieren, aber sie kann eines garantieren und das ist; sie bleibt 100 Prozent Antikriegspartei, sie bleibt 100 Prozent die Partei des Friedens mit Russland und der Volksrepublik China und sie bleibt 100 Prozent die Partei für ›Raus aus der NATO‹. Und das ist entscheidend, weil was wir in den letzten Wochen erlebt haben und was wir leider auch im Abstimmungsverhalten der Linksfraktion im Bundestag erlebt haben, das ist eine ganz gefährliche Entwicklung. Natürlich war dieser Einsatz ein Kampfeinsatz, was denn sonst? Natürlich war dieser Einsatz völkerrechtswidrig, er ist nicht von einem UN-Mandat abgedeckt, und natürlich hat man die Abstimmung auch nicht deswegen gemacht, weil man für 48 Stunden eine Mandat haben wollte, dann war man ja weg. Nein, man hat diese Abstimmung gemacht, um die Linkspartei zu locken. Und die Linkspartei ist mit ihrer Enthaltung leider im Wesentlichen drauf reingefallen, weil man kann sich bei Kampfeinsätzen, bei Brüchen des Völkerrechts, kann man sich nicht enthalten. In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod. Und deswegen ist es notwendig – auch um der Linkspartei zu zeigen: ›Lasst euch nicht vom Imperialismus am kleinen Finger die ganze Hand ziehen‹ –, ist es wichtig am 26. September mit einer Stimme des Protests zu sagen, eine Stimme des Protest für den Frieden mit Russland und China, für ›Raus aus der NATO‹, eine Stimme für die DKP und für die Stärkung der DKP. Ich danke ihnen!



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