Mit Lenin ins Krisenjahr 2020

Das Jahr 2019 endete mit einer Reihe von Angriffen deutscher Konzerne auf die Arbeiterklasse. Nicht nur Automobilkonzerne drohen mit Entlassungen, Schließungen, Verlagerungen der Produktion. Die Krise dauert seit 2007 an, sie ist keinesfalls überwunden. Das deutsche Kapital hat es bisher lediglich verstanden, die Folgen weitgehend auf andere Länder abzuwälzen. Dies konnte keine dauerhafte Lösung sein.

2020 feiern wir Wladimir Iljitsch Lenins 150. Geburtstag. Vor 100 Jahren legte er in seinem Referat auf dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale dar, dass die Krise des Kapitalismus leider nicht zu einer Art Selbstzerstörung führt, sondern im Gegenteil zur Abwälzung der Lasten auf die arbeitende Bevölkerung durch eine Bourgeoisie, die sich benehme wie „ein frech gewordener Räuber, der den Kopf verloren hat“:

„Wir (müssen) vor allem zwei verbreitete Irrtümer hervorheben. Einerseits stellen die bürgerlichen Ökonomen diese Krise einfach als ‚Störung‘ hin, wie der elegante Ausdruck der Engländer lautet. Andererseits versuchen zuweilen Revolutionäre, den Beweis zu führen, dass es absolut keinen Ausweg aus der Krise gebe.

Das ist ein Irrtum. Absolut ausweglose Lagen gibt es nicht. Die Bourgeoisie benimmt sich wie ein frech gewordener Räuber, der den Kopf verloren hat, sie macht eine Dummheit nach der anderen, verschärft die Lage und beschleunigt den eigenen Untergang. Das ist alles richtig. Aber man kann nicht ‚beweisen‘, dass es für die Bourgeoisie absolut keine Möglichkeit gibt, irgendeine Minderheit der Ausgebeuteten durch irgendwelche kleinen Zugeständnisse einzulullen, irgendeine Bewegung oder einen Aufstand irgendeines Teils der Unterdrückten und Ausgebeuteten niederzuschlagen. Wollte man von vornherein versuchen, die ‚absolute‘ Ausweglosigkeit zu ‚beweisen‘, so wäre das hohle Pedanterie oder ein Spiel mit Begriffen und Worten. Ein wirklicher ‚Beweis‘ in dieser und in ähnlichen Fragen kann nur die Praxis sein. Die bürgerliche Ordnung in der ganzen Welt macht eine ungeheure revolutionäre Krise durch. Wir müssen jetzt durch die Praxis der revolutionären Parteien ‚beweisen‘, dass sie genügend Zielklarheit, Organisiertheit, Verbindung mit den ausgebeuteten Massen, Entschlossenheit und Fähigkeit besitzen, diese Krise für den Erfolg, für den Sieg der Revolution auszunutzen.“

Lenin bei der Trauerfeier für Y. M. Sverdlov auf dem Roten Platz.
Lenin bei der Trauerfeier für Y. M. Sverdlov auf dem Roten Platz.

Im gleichen Referat schildert Lenin übrigens eine Erscheinung im Zusammenhang mit der Krise, die uns bekannt vorkommen dürfte: „In einer ganzen Reihe von Ländern beobachten wir den Antiparlamentarismus, der nicht so sehr von Elementen, die aus dem Kleinbürgertum kommen, mitgebracht, als vielmehr von einigen Vortrupps des Proletariats aus Hass gegen den alten Parlamentarismus, aus berechtigtem, begründetem, notwendigem Hass gegen das Verhalten der parlamentarischen Führer in England, Frankreich, Italien und in allen Ländern unterstützt wird.“

Hans Heinz Holz schrieb dazu: „Der Kapitalismus bricht in der Krise nicht aus sich selbst zusammen, sondern dann und nur dann, wenn die Massen sich zum historischen Gegensubjekt, zum Träger des Kampfes für eine neue Gesellschaftsordnung formieren.“
(Wladimir I. Lenin: Bericht über die internationale Lage und die Hauptaufgaben der Kommunistischen Internationale auf dem II. Kongress der KI, 19. Juli 1920, Lenin Werke, Band 31, S. 215 f.)

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Mit Lenin ins Krisenjahr 2020", UZ vom 3. Januar 2020



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