Die deutschen Medien und Palästina

Nachrichten vs. Propaganda

Wenn man in diesen Zeiten das Radio oder den Fernseher anmacht oder einen Blick in die bürgerlichen Zeitungen wirft, fragt man sich häufig, ob sich diejenigen, die dort reden und schreiben, eigentlich noch selber glauben. Zu offensichtlich ist häufig das Messen mit zweierlei Maß, die Behauptungen, die als Fakten dargestellt werden, und das politische Inte­resse, das die Nachrichten bestimmt.

Besonders deutlich zeigt sich das in der Frage Palästina. Da regiert in den Schreibstuben und Fernsehstudios der Republik die Staatsräson, Faktenlage und journalistische Sorgfaltspflicht haben die Redaktionen schon lange verlassen – sie sind eh nicht beachtet worden.

Besonders anschaulich hat uns das Eva-Maria Lemke im „Morgenmagazin“ des ZDF nahegebracht. Sie interviewte nach einem durchaus positiven Einspieler über die Arbeit der Organisation den Geschäftsführer von „Breaking the Silence“ aus Israel, Nadav Weiman. Der ehemalige Soldat sammelt mit vielen weiteren ehemaligen Militärangehörigen Fakten über die Realität der israelischen Besatzungspolitik. Sie dokumentieren in Interviews mit teils auch noch aktiven Soldaten die Befehle, die sie erhalten, die Demütigungen und die Gewalt, die sie den Palästinensern antun.

Im Interview fragt Lemke in sehr vorsichtiger Formulierung, was denn nun dran ist an der Kritik an Israel: „Immer wieder wird ja die Art der Kriegsführung der israelischen Armee kritisiert. Gerade wurden Zahlen des Militärs öffentlich, die nahelegen, dass über 80 Prozent der Getöteten Zivilisten gewesen sein sollen. Wie passt das zusammen mit den Berichten, die Sie sammeln und veröffentlichen von ehemaligen und auch von aktiven Soldaten aus der Armee?“ Weiman antwortet: „Die IDF innerhalb Gazas bewegt sich, als ob es ein offenes Schlachtfeld wäre, aber das ist eine Region, in der es viele Zivilisten gibt. Also das heißt, immer mehr Zivilisten werden betroffen“ – an dieser Stelle grätscht ihm Lemke ganz im Sinne der Staatsräson mitten ins Wort: „Die auch von der Hamas als Schutzschilde quasi benutzt werden. Das gehört zur Wahrheit auch dazu.“ Im nächsten Atemzug schnell eine neue Frage, Weiman kann auf den immer wieder vorgebrachten, aber unbewiesenen Vorwurf nicht antworten. Eva-Maria Lemke, die warm und sicher in ihrem Berliner Fernsehstudio sitzt, weiß also besser als der israelische Ex-Soldat, der in Gaza eingesetzte Soldaten betreut, was sich in diesem Krieg abspielt. Denn die deutsche Staatsräson muss verkündet werden.

Aber auch um der Repression gegen die Solidarität mit Palästina in Deutschland das Wort zu reden, ist sich die deutsche Journaille nicht zu fein.

So titelte „SpiegelOnline“ einen Artikel mit „FDP-Politikerin bei Pro-Palästina-Demo bedrängt und verletzt“. Darunter heißt es: „Regelmäßig besucht die Berliner FDP-Politikerin Karoline Preisler propalästinensische Versammlungen, um dort an die israelischen Geiseln zu erinnern. Bei einer Demonstration am Samstag ist sie angegriffen worden.“ Der geneigte Leser erfährt in diesem Artikel nicht, worum es bei der „propalästinensischen“ Versammlung geht. Von dem Krieg gegen Gaza, den inzwischen fast 63.000 Toten kein Wort. Nur am Ende des Artikels wird mit Hinweis auf ein ebenfalls „propalästinensisches“ Protestcamp in der Nähe des Kanzleramts geschrieben, die Menschen würden sich dort versammeln, um „gegen das israelische Vorgehen im von Palästinensern bewohnten Gazastreifen und gegen die deutsche Israel-Politik zu protestieren“.

Umso mehr hingegen widmet sich „SpiegelOnline“ Preislers Motivation – und beschönigt sie: „Preisler ist regelmäßig am Rande propalästinensischer Versammlungen zu sehen. Die Aktivistin erinnert dabei an das Schicksal israelischer Geiseln und fordert deren Freilassung durch die Terrororganisation Hamas.“ Was Preisler eigentlich tut, ist durch vielfaches Videomaterial von zahlreichen Demonstrationen in Berlin belegt. Sie provoziert auf Demos gegen den Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern mit Israel-Fähnchen und einem Plakat, mit dem sie die Weiterführung des Krieges „bis zur letzten Geisel“ fordert. Dabei wird sie stets von mehreren Polizisten bewacht. Zur journalistischen Sorgfalt hätte gehört, das wenigstens zu erwähnen. Zu kritischer Berichterstattung würde gehören, mal darüber nachzudenken, warum Preislers Provokationen so von der Berliner Polizei gefördert werden. Eine solche Berichterstattung sucht man allerdings in den Mainstream-Medien vergeblich. Wer den Artikel weiter liest, erfährt übrigens, dass Preisler leicht an der Hand verletzt worden war und mit der U-Bahn nach Hause fuhr.

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"Nachrichten vs. Propaganda", UZ vom 5. September 2025



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