Festnahmen zwei Jahre nach Anschlag in Oberhausen

Nazis aus dem Hut

Kolumne

Am 6. Februar wurde in Oberhausen ein mutmaßliches rechtes Bombenlegerpaar festgenommen und befindet sich jetzt erst mal in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, in der Nacht zum 5. Juli 2022 das Linke Zentrum Oberhausen in die Luft gesprengt zu haben. Der Festnahme vorausgegangen war eine rund zehnstündige Hausdurchsuchung in der gemeinsamen Wohnung in der Buschmannstraße, nur wenige hundert Meter vom ehemaligen Linken Zentrum in der Alt-Oberhausener Innenstadt entfernt.

Antifaschistischen Recherchen zufolge soll es sich bei den Tatverdächtigen um den Neonazi Thomas L. (49) und seine Freundin Nina S. (32) handeln. L. ist ein ehemaliges Mitglied des Duisburger FAP-Ablegers. Die kleine, aber dafür sehr gewalttätige Neonazi-Partei war im Jahr 1995 vom Bundesinnenministerium verboten worden. Ein Nazi, der seinen menschenverachtenden Vorstellungen offensichtlich über Jahrzehnte treu geblieben ist. Und das nicht einmal im Geheimen. Spätestens ab 2017 teilte er auf seinen öffentlich einsehbaren Social-Media-Auftritten allerlei neonazistische Beiträge und kommentierte Beiträge auf AfD-Seiten. Auch S. bekundete über „Facebook“ ihre Sympathien für die schwarz-weiß-rote Fahne des deutschen Kaiserreichs, dazu kommen positive Bezüge auf NS-Rasse-Ideologien und rechte Narrative zur Ablehnung der Covid-19-Impfung.

Trotz dieser offen ausgelebten faschistischen Gesinnung und vorangegangenen rechten Demonstrationen im Umfeld des Zentrums war es den Behörden – also der Duisburger Staatsanwaltschaft, der Essener Polizeibehörde und dem Landeskriminalamt NRW – offenkundig nicht möglich, hier eine Verbindung zu sehen. Zu behaupten, dass da mutwillig weggesehen wurde, wäre nicht belegbar. Lag die Priorität vielleicht mal wieder überall anders, nur nicht bei der Aufklärung rechter Anschläge? Seitens dieser Behörden hieß es offiziell ja auch, es sei völlig unklar, ob das denn wirklich Rechte waren. Ermittelt würde wie im Krimi „in alle Richtungen“. Gut, wer sonst hätte einen Grund gehabt?

Da rief ein bürgerlicher Journalist an und fragte, ob es nicht vielleicht militante Russen waren, weil es doch aus Oberhausen kurz vorher eine linke Reisegruppe zu einer Demo für Frieden in der Ukraine gegeben hätte. Ja sicher, das war der Russe jetzt auch noch, oder was? Hätte ja sein können? Nein, eigentlich überhaupt nicht.

Seit dem Anschlag wurde von der Ratsfraktion „Linke Liste“ betont, dass es die Rechten waren. Von Anfang an wollten die Behörden davon nicht viel wissen, haben nichts rausgefunden und das Verfahren dann ziemlich genau ein Jahr später eingestellt. Und ziemlich genau dann, wenn es gerade passt und ein Erfolg gegen rechts angesichts steigender AfD-Umfragewerte und bundesweiter Proteste wirklich von Nöten ist, zaubern der regionale Staatsschutz und Innenminister Reul die zwei Nazis aus dem Hut. Passt doch prima. Das kann auf jeden Fall Zufall sein. Es kann auch sein, dass sich endlich mal ein bisschen Mühe gegeben wurde und laufende Ermittlungen in einem anderen Fall den Erfolg gebracht haben, wie es die Staatsanwaltschaft behauptet. Trotzdem merkwürdig.

Und es bleibt ein Skandal, dass so lange nichts passiert ist und entweder gar nicht oder komplett unfähig gegen rechts ermittelt wurde. Das muss Reul erklären, da gibt es keinen Grund, sich und seinem Laden auf die Schulter zu klopfen. Und ein paar Infos an die Betroffenen wären nett gewesen. War es das jetzt oder gibt es vielleicht weitere rechte Täter, die darin verwickelt sind? Gibt es da weitere Erkenntnisse? Die Quintessenz ist, wir müssen weiter auf die Straße, um gegen die rechten aller Couleur genauso Kante zu zeigen wie gegen die rechten Netzwerke und die organisierte Ignoranz in den Behörden und der Regierung. Alles andere greift zu kurz.

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"Nazis aus dem Hut", UZ vom 16. Februar 2024



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