Wenn die Linkspartei Wahlen verliert, findet sie eine Ursache: Sahra Wagenknecht

Neues vom Narrenschiff

Kolumne

Die deutsche Linkspartei führt, schreibt Nico Popp in der „jungen Welt“ am 11. Oktober, nach den bisher bekannten Untergängen kommunistischer oder sozialistischer Parteien – Zerschlagung oder Veränderung bis zur Unkenntlichkeit – „einen dritten Typ des Untergangs in die Weltgeschichte ein, der die Parodie des zweiten Typs ist: Sie segelt als Narrenschiff in den Sonnenuntergang. An Deck: Lauter nominelle Sozialisten.“

Arnold Schoelzel 1 - Neues vom Narrenschiff - Linkspartei - Positionen
Arnold Schölzel

Das trifft nicht nur ins Schwarze, das Bild vom Narrenschiff wird von Woche zu Woche durch Akkumulation von Absurditäten ausgemalt. Beispiel: Als die Partei am 8. Oktober aus dem hessischen Landtag flog und in Bayern keine Chance hatte, in den dortigen einzuziehen, dafür aber die AfD enorm zulegte, herrschte am Montag nach der Niederlage im Berliner Karl-Liebknecht-Haus Routine: Ko-Parteichef Martin Schirdewan vermied jede Ursachenanalyse, es sei denn, die Floskel von irgendwelchen Spaltern – Namen nannte er nicht – wird dafür genommen. Das war der Startschuss in eine Woche, in der die anwesenden Mitglieder der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“ einer Resolution zum Gaza-Krieg der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP zustimmte. Durch die AfD wurde es einstimmig. Hauptkritikpunkt der Linken war, dass ihre Fraktion bei der Antragstellung nicht berücksichtigt wurde, verbal ruderte Fraktionschef Dietmar Bartsch etwas vom Papier zurück. In dem stand kein Wort vom kolonialistischen Staatsterror Israels einschließlich Apartheidregeln für Bewohner der besetzten Gebiete, allein die Hamas hat demnach Entsetzliches verübt. Wo selbst Joseph Biden Israel mehrfach auffordert, das Kriegsrecht zu beachten, ist der deutsche Bundestag gnadenloser. „Die Linke“ stimmte einer faktischen Aufforderung zum Massenmord an Palästinensern zu.

Zu irgendwelchen Debatten in der Partei führt so etwas nicht mehr. Daher endete die Woche so, wie sie begonnen hatte. Exemplarisch war, was in Medienberichten über Parteitage in Baden-Württemberg und in Halle an der Saale zu lesen war: Sahra Wagenknecht ist an allem schuld. „Badische Zeitung“: „,Warum quält sie uns noch?‘ – ‚Wann ist sie endlich weg?‘ – ‚Wann hat das mit ihr ein Ende?‘ Es waren genervte Fragen, die am Wochenende die Gespräche am Rande des Landesparteitags der Linken in Leinfelden-Echterdingen bestimmten. (…) Gleich zu Beginn des Parteitags wurde die später mit 88 Prozent wiedergewählte Ko-Landeschefin Sahra Mirow (39) aus Heidelberg deutlich. Die Zukunft der Linken sei eine Zukunft ohne Wagenknecht, rief sie kämpferisch ins Mikrofon. Dicker Applaus. All die vielen Versuche seien vergebens gewesen, noch einmal zusammenzufinden – und es habe viele solcher Versuche gegeben. Es könne nicht sein, dass permanent Beschlüsse der Partei missachtet würden wie in der Migrationspolitik, in der Wagenknecht einen Kurs der Abschottung fordert und so ein Gründungsmotiv der Arbeiterbewegung infrage stellt: die ‚internationale Solidarität‘, nach der die sozial Schwächsten in den Staaten nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.“ Vom Auftritt des früheren Parteichefs Bernd Riexinger berichtete die Zeitung: „Dem Wagenknecht-Lager sei viel zu lange eine falsch verstandene Toleranz entgegengebracht worden, sagte er. Seit 2015 bereite sie die Abspaltung vor. Wenn der Bruch demnächst vollzogen würde, ‚bietet uns das endlich die Chance, die Partei zu befrieden und auch wieder mit unseren Inhalten wahrgenommen zu werden‘, sagte Riexinger.“ Analog in Halle, wo die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte laut Internetportal dubisthalle.de erklärte, „sie fühle sich der Bundestagsfraktion noch immer verbunden“. Und auch wenn Wagenknecht noch in der Links-Fraktion Mitglied ist, so ist für Sitte klar: „Sahra Wagenknecht ist keine Linken-Politikerin mehr.“

So kreuzt das Narrenschiff vor dem Wind. Wenn’s drauf ankommt, wird für Chauvinismus und Krieg gestimmt.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Neues vom Narrenschiff", UZ vom 20. Oktober 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit