OPCW legt Untersuchung zu Giftgas in Syrien vor

Nicht überzeugend

Von Manfred Ziegler

Im März 2019 veröffentlichte die OPCW, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, ihren Abschlussbericht zu einem Vorfall im April 2018. Damals griff die syrische Armee in Duma bei Damaskus die letzten Stellungen der Dschihadisten an. Nur Stunden vor der endgültigen Niederlage der Dschihadisten kam es, wie in vielen Fällen zuvor, zu Berichten über den Einsatz von chemischen Waffen. Die USA behaupten, die syrische Regierung habe Chlorgas und womöglich auch Sarin eingesetzt. Und eine Streitmacht von USA, Großbritannien und Frankreich nimmt das zum Anlass, um mit Dutzenden von Raketen Ziele in Syrien anzugreifen – mit dem Risiko einer massiven Eskalation, wenn auch mit geringem Erfolg. Angeblich wurden damit Produktions- und Lagerstätten von chemischen Waffen in Syrien zerstört. Doch in diesem Punkt ist der Bericht der OPCW eindeutig: Es wurden keine international verbotenen Waffen wie Sarin oder ähnliches eingesetzt. Darüber hinaus zeigt der Bericht vor allem, wie einseitig die OPCW agiert.

Am 7. April letzten Jahres überschwemmten die ersten Berichte über einen Angriff mit Chemiewaffen die Medien, die Rede war von Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten. Ein Video sorgte für Aufsehen, das angebliche Opfer von Chemiewaffen in der Notaufnahme eines Krankenhauses zeigte. Doch schon bald gab es Zeugen, die dieses Video für inszeniert erklärten. Und zwar waren es Zeugen, die im Video selbst zu sehen waren. Sie erklärten, dass die Behandlung nicht Opfern eines Chemiewaffenangriffs galt, sondern Personen, die aufgrund der Kriegssituation in Duma unter Sauerstoffmangel litten. Eine Folge von Staub, Bränden und der ungenügenden Belüftung von Schutzräumen. Panik entstand erst, als ein Mitglied der „Weißhelme“ unvermittelt und grundlos vor Giftgas warnte.

Auch Robert Fisk, ein bekannter Journalist, der seit Jahrzehnten aus dem Nahen Osten berichtet, war unmittelbar nach dem Ende der Kämpfe in Duma und sprach mit Einwohnern. Das Fazit seiner Gespräche: Niemand wusste etwas von einem Angriff mit Chemiewaffen.

Die OPCW ignoriert die Hinweise auf Verletzte durch die Folgen der Bombardierung. Sie nimmt die Aussagen der „Weißhelme“ für bare Münze: 43 Tote durch einen Chemiewaffenangriff, und vermutlich Chlorgas als Kampfstoff, eingebracht durch zwei Metallbehälter, die möglicherweise aus der Luft abgeworfen wurden.

Chlorgas gehört nicht zu den international verbotenen Stoffen, weil es vielfach für zivile Zwecke verwendet wird, zum Beispiel. in der Wasseraufbereitung. Es reagiert schnell mit der Umgebung und ist deshalb nicht lange direkt nachzuweisen. Doch gibt es spezifische Reaktionsprodukte, die über längere Zeit nachweisbar sind. Die OPCW war auf Einladung der syrischen Regierung in Duma und führte Untersuchungen durch. Sie entnahm 128 Proben, untersuchte 31 davon und fand in einem Teil der Proben Reaktionsprodukte, die auf den Einsatz von Chlorgas hinweisen.

Diese Reaktionsprodukte kommen in natürlicher Umgebung nicht vor. Doch war Duma ein Kriegsschauplatz. Kunststoffe wurden zum Heizen und Kochen eingesetzt, Brände von Kunststoffen und Haushalts-Chemikalien können die gleichen Reaktionsprodukte hervorrufen wie Chlorgas als Kampfstoff. „Deshalb ist es so wichtig, Kontrollproben zu nehmen aus Gebieten, für die kein Einsatz von Chlorgas vermutet wurde“, schreibt die OPCW. Doch alle analysierten Proben wurden aus den Gebäuden genommen, in denen angeblich Chlorgas eingesetzt wurde. Ohne Kontrollanalysen sind die Ergebnisse nicht überzeugend.

Die Zeugenaussagen aus dem Krankenhaus – die die OPCW ignoriert – geben ganz klare Hinweise auf eine Inszenierung. Wie weit ging die Inszenierung? Die Dschihadisten hatten die Kontrolle über die Lebenden und Toten und über Chlorgas. Die OPCW hat sich auf das Narrativ der „Weißhelme“ festgelegt, die Untersuchung wurde nie „ergebnisoffen“ durchgeführt. Nach dem Einsatz von mehreren Dutzend Raketen durch die USA und ihre Verbündeten war nichts anderes zu erwarten.

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"Nicht überzeugend", UZ vom 15. März 2019



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