Klaus Müller hat ein gut verständliches, kurzes Buch zu den schwierigeren Problemen der Politischen Ökonomie geschrieben

Profit und die Gesetze des Kapitalismus

Von Lucas Zeise

profit und die gesetze des kapitalismus - Profit und die Gesetze des Kapitalismus - Literatur, Ökonomie, Politisches Buch, Rezensionen / Annotationen - Theorie & Geschichte

Klaus Müller: Profit.

Papyrossa Verlag, Köln 2016,

134 S., 9,90 €

Ein vorzügliches Werk. Es handelt vom Profit und behandelt deshalb die wesentlichen Gesetze der politischen Ökonomie. Der Standpunkt des Autors ist der eines orthodoxen Marxisten. Von dieser Warte aus diskutiert er die Probleme, die die Marxsche Politische Ökonomie des Kapitalismus bereit hält.

Zu Beginn seien ein paar Vorzüge des Buches schnell aufgelistet:

Erstens stellt der Autor wohltuend orthodox und gut begründet gegen den in diesem Punkt absurden Georg Fülberth klar, dass die Quelle des Profits der Mehrwert ist. Zweitens korrigiert er mit Thomas Kuczynski die Marxsche Sprachregelung, dass der Kapitalist die Arbeitskraft nämlich nicht erwirbt, sondern ‚nur‘ mietet und ‚nur‘ ausbeutet. Drittens stellt er fest, dass ‚produktiv‘ diejenige Arbeit ist, „die Mehrwert hervorbringt, unabhängig von ihrem konkreten Inhalt“ (S. 43). Viertens fragt er richtig, woher das Geld kommt, um den Mehrwert zu realisieren, und antwortet richtig und schlicht: „Geldmengenwachstum ist keine Wertschöpfung, sondern …. durch die Banken ermöglicht … Das Geld, das eine Wirtschaft braucht, beschafft sie sich über Kredite.“ (S. 46) Fünftens stellt er, Marx eng folgend, die Mehrwertproduktion, die Mehrwertrate, die Produktion von absolutem, relativem Mehrwert und von Extramehrwert dar.

Erst danach ist Müller beim eigentlichen Thema angekommen, beim Profit. Auch hier, bei der detaillierten Ableitung aus dem Mehrwert, folgt er sorgfältig Marx, scheut sich aber nicht, ihn für den unglücklich gewählten Begriff „individueller Wert“ zu tadeln und an anderer Stelle auf die „Ungeheuerlichkeit“ hinzuweisen, „dass Werte zwar die Preise bestimmen, Preise aber indirekt über Angebot-Nachfrage-Korrekturen auch die Werte“ (S. 75). Zur Tendenz zum Ausgleich der Profitraten, die in der Marxschen Theorie der Beziehung von Wert und Preis die zentrale Rolle spielt, weist Müller darauf hin, dass ein empirischer Nachweis oder eine empirische Widerlegung dieser Tendenz nicht möglich sein dürften, und tadelt dabei extrem höflich die entsprechenden Versuche von Emmanuel Farjoun/Moshé Machover (Laws of Chaos, 1983) und Nils Fröhlich (Die Aktualität der Arbeitswerttheorie, 2009). Für meinen Geschmack geht Müller bei der Tendenz zum Ausgleich der Profitraten zu wenig darauf ein, in welcher Form sich dieser Ausgleich vollzieht – nämlich vorwiegend durch die Kreditvergabe der Banken und den so genannten Kapitalmarkt, wo fiktives Kapital zirkuliert.

„Die mathematische Begründung des Prozesses, der Werte in Produktionspreise und damit Profite in Durchschnittsprofite verwandelt, ist Marx nicht gelungen“, stellt Müller lakonisch fest. Leider weist er nicht einmal andeutungsweise einen Weg, wie dieser „Defekt der Marxschen Kons­truktion“, der als „Transformationsproblem“ bezeichnet wird, beseitigt werden könnte. In seiner Zurückweisung einer „Lösung“, die darin besteht, die Tendenz zum Ausgleich der Profitraten wegzudefinieren, sollte man einen gewissen Fortschritt erkennen. Vielleicht ist auch seine trockene Feststellung, dass die Lehrbücher in der DDR und in anderen sozialistischen Staaten das Transformationsproblem totgeschwiegen haben, ein Fortschritt. Dass das ungelöste Transformationsproblem nach Müllers Meinung die „Plausibilität der Arbeitswerttheorie nicht (hat) widerlegen können“ (S. 88), ist ein schwacher Trost.

Das abschließende (und längste) Kapitel des schmalen Bändchens stellt seinen siebten (oder je nach Zählweise auch siebzehnten) Vorzug dar. Es ist dem Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate gewidmet. Müller referiert die Grundzüge der Marxschen Argumentation, erläutert die notwendigen Begriffe der ‚organischen Zusammensetzung‘ und der ‚technischen Zusammensetzung‘ des Kapitals, die verschiedene Aspekte des Verhältnisses von lebendiger zu vergegenständlichter Arbeit – der Wertzusammensetzung des Kapitals – bezeichnen, und diskutiert, wie Veränderungen der Mehrwertrate und der Profitrate sich zueinander verhalten. Müller hält das von Marx formulierte Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate für gültig. Er argumentiert so sorgfältig und übersichtlich, dass der Rezensent, der das Gesetz nicht für ausreichend begründet hält, beim Lesen versucht war, sich von seinen Argumenten überzeugen zu lassen. Marx‘ Begründung steht und fällt mit der Annahme, dass die Wertzusammensetzung des Kapitals langfristig steigt. Da der Profit der lebendigen Arbeitskraft entspringt, muss sich so ebenso langfristig und tendenziell die Profitrate vermindern, die ja den Profit zum gesamten Kapital in Beziehung setzt. Noch niemand habe schlüssig begründen können, weshalb der Wert der Produktionsmittel so viel stärker sinken sollte, um die im Zuge der Akkumulation und des Produktivitätsfortschritts höhere technische Zusammensetzung des Kapitals zu kompensieren, stellt Müller fest (Seite 105) und fügt hinzu: „Das ist der Knackpunkt!“ Das ist wohl so. Darin sind wir uns einig. Nur kann man einwenden, dass zwar das überproportionale Sinken des Wertes der Produktionsmittel nicht nachgewiesen werden konnte, ebenso wenig aber die Behauptung, dass dies über die Zyklen hinweg ausgeschlossen werden kann. Eine schlüssige Begründung für eine solche Behauptung wäre aber notwendig, wenn man am Gesetz festhalten will. Müller weist zum Abschluss des Kapitels die Auffassung zurück, das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate diene Marx zur Erklärung der zyklischen Krise. Andererseits sei aber der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Profitrate und der zyklischen Krise unstrittig, konstatiert Müller (S. 128). Diese Feststellung ist auch richtig, wenn man das langfristige Sinken der Profitrate nicht als gültiges Gesetz der kapitalistischen Entwicklung begreift.

Ein wenig rätselhaft bleibt dem Leser, warum Müller seinen Ausführungen zum Profit ein kurzes Kapitel zu „Geld und Geldkapital“ vorausschickt. Er beharrt auf der analytischen Trennung der beiden, nimmt sich aber nicht den Platz, die Natur des Geldes so zu bestimmen, dass die folgenden Ausführungen zu Profit und Mehrwert besser verständlich werden.

Dies ist der einzige Mangel des kleinen Bändchens. Es ist ein verständlich geschriebener und zuverlässiger Wegweiser durch die Schwierigkeiten der Politischen Ökonomie des Kapitalismus.

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Über den Autor

Lucas Zeise (Jahrgang 1944) ist Finanzjournalist und ehemaliger Chefredakteur der UZ. Er arbeitete unter anderem für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“. Da er nicht offen als Kommunist auftreten konnte, schrieb er für die UZ und die Marxistischen Blättern lange unter den Pseudonymen Margit Antesberger und Manfred Szameitat.

2008 veröffentlichte er mit „Ende der Party“ eine kompakte Beschreibung der fortwährenden Krise. Sein aktuelles Buch „Finanzkapital“ ist in der Reihe Basiswissen 2019 bei PapyRossa erschienen.

Zeise veröffentlicht in der UZ monatlich eine Kolumne mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik.

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"Profit und die Gesetze des Kapitalismus", UZ vom 20. Mai 2016



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