Zur Energiepauschale für Studierende

Propaganda statt Pille

„Steigende Energiekosten belasten Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen besonders stark. Davon sind oft auch Studierende sowie Fachschülerinnen und Fachschüler betroffen“, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Internetseite. Zumindest ein Rest an Realitätssinn, könnte man meinen.

Doch sie will nicht erkennen, dass ihre Sanktionspolitik gegen Russland den Werktätigen und der Wirtschaft in diesem Land massiven Schaden zufügt. Ginge es um die Menschen, bräuchte es Frieden mit Russland und eine konsequente Politik zugunsten der Mehrheit, auf Kosten der Monopole.

Die Einordnung der Energiepauschale für Studierende als Beruhigungspille für die Heimatfront könnte diesen Kommentar beenden. Doch im Herrschaftssystem der bundesdeutschen Republik ist inzwischen so viel neoliberal-selbstzerstörerischer Sand, dass nicht mal mehr das reibungslos funktioniert.

Vor einem Vierteljahr beschloss die Bundesregierung eine Einmalzahlung von 200 Euro für die drei Millionen Studierenden und 450.000 Fachschüler in Deutschland. Schnell und unbürokratisch sollte die Auszahlung des im Vergleich zu den gestiegenen Energiekosten winzigen Betrags erfolgen. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bestätigte vor wenigen Tagen in einem Interview, dass die Auszahlung kurz bevorstehe. Dem Bund fehlten halt die Kontodaten der Berechtigten. Derzeit werde ein Internetportal aufgebaut, über das die Einmalzahlung beantragt werden kann. Zumindest der Name der Seite steht voraussichtlich fest: „Einmalzahlung200.de“. Wer beantragen möchte, braucht einen Zugang von „BundID“, einem bisher wenig benutzen Online-Tool, mit dem Verwaltungsleistungen beantragt werden können.

Viele Studierende und Fachschüler werden an diesen Hindernissen scheitern. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom November letzten Jahres waren fast 40 Prozent der Studierenden „armutsgefährdet“. Die Beruhigungspille, wenn sie denn mal verabreicht ist, wird nur wenig wirken. Die Heimatfront an den Fach- und Hochschulen soll mit reaktionärer Propaganda stabilisiert werden – entweder in ihrer modernen „woken“ oder der muffigen konservativen Variante. Dem auf allen Ebenen verrotteten System wird es wenig nutzen. Die Frage bleibt, wie viel Zerstörung sein Todeskampf noch verursachen kann.

  • Aktuelle Beiträge
Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Propaganda statt Pille", UZ vom 17. Februar 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit