Spartakisten des MSB feierten ihren 50. Geburtstag

Schöne Party, wenig Perspektive

Rund 6.500 Mitglieder hatte der am 22. Mai 1971 gegründete Marxistische Studentenbund (MSB) Spartakus zu seinen besten Zeiten und bis zu seiner Selbstauflösung am 23. Juni 1990 haben wohl rund 25.000 Studierende sein Mitgliedsbuch in der Hand gehabt. Er betrachtete sich seit seiner Gründung als enger Kampfgefährte sowohl der drei Jahre vor ihm gegründeten Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) als auch der DKP und dominierte über Jahre die Hochschulpolitik in der alten BRD. Die gemeinsam mit der SDAJ organisierten „Festivals der Jugend“ führten in Dortmund zehntausende junge Menschen unter roten Fahnen zusammen.

Der 50. Geburtstag einer so wichtigen Organisation, dachten sich ehemalige Sekretariatsmitglieder des MSB um Paul Schäfer und Heike Leitschuh schon vor zwei Jahren, sollte nicht so einfach vorüberziehen. Wie einst in besten Zeiten ließen sich die Ex-Spartakisten auch von Corona nicht unterkriegen. Der Erfolg gab ihnen recht: Knapp 200 hatten sich angemeldet zur Geburtstagsfeier am 25. Juni in Köln. Es ging ein bisschen zu wie auf einem Klassentreffen („Bist du nicht der …?“) und ein bisschen wie auf alten Bundeskongressen – etwa in den Debatten zum Ukrainekrieg oder der Frage „Was machen wir heute mit dem politischen Impuls, den der MSB für uns bedeutet hat?“. Gutes Essen gab es, danach Songs von Gundermann und eine Disco unter anderem mit den Puhdys.

Und doch: Etwas war anders als bei anderen Geburtstagen zum Fünfzigsten, die anders als Begräbnisse in der Regel nicht nur von der Rückschau geprägt sind, sondern auch von dem, was jetzt alles noch kommt. Das war auch beim 50. Geburtstag der SDAJ der Fall. Aber beim MSB kommt eben nichts mehr. Es war ein Geburtstag ohne Perspektive. Die persönlich-politischen Beiträge enthielten viel Anekdotisches und in die Vergangenheit Gerichtetes, aber wenig in die Zukunft Weisendes. Das ist kein Zufall: Aufgelöste Organisationen geben keine Impulse in die Zukunft mehr. Das vor allem unterscheidet den MSB von der SDAJ.

Immerhin: Die meisten der in Köln Versammelten verstehen sich, wie aus Gesprächen und den Diskussionsrunden hervorging, weiter als irgendwie links und sind auch vielfach in sozialen, politischen, gewerkschaftlichen oder kulturellen Zusammenhängen aktiv. Zu ihrer Mitgliedschaft in der DKP bekannten sich aber nur rund 5 Prozent derer, die die einst eng mit der DKP verbundene größte Studierendenorganisation der alten Bundesrepublik feierten – vielleicht nochmal derselbe Prozentsatz ist bei der Partei „Die Linke“ aktiv.

Irritierend häufig wurde die Frage „Was bleibt vom MSB?“ nicht politisch-kollektiv etwa durch den Hinweis auf seinen Beitrag im Kampf gegen die Hochschulrahmengesetze oder die Pershing-II-Raketen und Cruise-Missiles beantwortet, sondern individuell: Die im MSB erworbenen handwerklichen Fähigkeiten, der Mut, vor vielen Menschen zu reden, sich zu widersetzen, hartnäckig zu sein – das alles habe, betonten mehrere Feiernde, viel zum späteren beruflichen Erfolg beigetragen. Demgegenüber fielen die politischen Urteile über den Verband überwiegend negativ aus und eines der am meisten gebrauchten Wörter war das vom „Scheitern“. Autoren der UZ hielten mit Verweis auf die weltweite Entwicklung kräftig dagegen, erzeugten Nachdenklichkeit und die eine oder andere Probenummer der UZ wanderte am Schluss doch in die Tasche. Vielleicht wirkt der Impuls vom 22. Mai 1971 ja doch noch ein bisschen länger nach …

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"Schöne Party, wenig Perspektive", UZ vom 1. Juli 2022



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