Show auf den Färöern

Kolumne von Christoph Kühnemund

Am 12. August fand auf den Färöer-Inseln wieder ein Grindwaltreiben statt, bei dem Aktivisten der militanten Tierschutzgruppe „Sea-Shep-herd“ festgenommen wurden.

Die Organisation veranstaltete Mahnwachen, um Dänemark dazu aufzurufen, Druck auf die Inselregierung auszuüben, das jahrhundertealte „Grindadráp“ zu verbieten, bei dem Grindwalherden in eine Bucht getrieben und dort im Wasser erlegt werden. Das Fleisch wird später an die Bevölkerung verteilt. Der größte Teil der färöischen Küche besteht aus Fleisch. Aufgrund der unwirtlichen, felsigen Inseln wachsen Getreide und Gemüse nicht gut.

„Sea-Shepherd“ hat mit seinen Aktionen erreicht, dass Touristenschiffe einen Bogen um die Inseln in der Nordsee machen. Ob der Protest vor der dänischen Botschaft Einfluss haben wird, dürfte fraglich sein, da das Autonomiegesetz von 1948 den Färingern, die obendrein nicht in der EU sind, innenpolitische Autonomie zusichert. Dennoch drängt „Sea-Shepherd“ auf ein Einschreiten auch der EU.

Der Grindwal ist nicht vom Aussterben bedroht und wird tatsächlich zur Fleischgewinnung erlegt. Das archaische Ritual, die Tiere zu erlegen und deren Fleisch an die Bevölkerungsgemeinschaft zu verteilen stammt aus einer Zeit, als das Bewusstsein des Menschen gegenüber den Tieren und der Natur völlig anders ausgeprägt war. Die rot gefärbte Bucht und das martialische Schlachten nach genau vorgeschriebenen Regeln treibt dem Mitteleuropäer den Schock in die Glieder.

Die Färinger kontern, dass die Kritiker sich emotional ködern ließen und von der modernen Nahrungsmittelgewinnung entfremdet seien. Nun, man könnte sich in der Tat die Frage erlauben, wie viele der „Empörten“ hierzulande nach ihrem Protest in sozialen Netzwerken zum günstigen Fleisch aus dem Supermarkt oder vom Fastfood-Imbiss greifen, ohne zu wissen, was bei dessen Erzeugung vor sich ging. Der Tourismus ist sicherlich der wundeste Punkt, an dem die Kritiker des Waltreibens ansetzen konnten, und nicht wenige Färinger fordern ein Umdenken in den Praktiken des Walfanges oder gar gleich ein Ende.

Doch sind es ausgerechnet die Bewohner der kapitalistischen Indus­triestaaten mit ihren Tierfabriken, die das Töten von Tieren zur Fleischgewinnung laut kritisieren dürfen? Und picken sich nicht vielleicht Organisationen wie „Sea-Shepherd“, deren Chef Paul Watson erklärte, er sei „kein Anhänger der menschlichen Spezies“, medienstarke Punkte aus dem Mosaik, ohne wirklich den vernünftigeren Weg der Befreiung des Tieres über den Weg der Befreiung des Menschen aus diesem Gesellschaftssystem zu suchen? Ein objektiverer Umgang mit dem Thema Tierschutz und Nahrungserzeugung wäre dringend angebracht.

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"Show auf den Färöern", UZ vom 21. August 2015



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